Mülheim. . Alternative Autoantriebe sind stark im Kommen. In Mülheim existiert die nötige Infrastruktur bereits. Doch die Technologie hat ihre Nachteile.
Noch sind sie eine Ausnahme im Mülheimer Stadtverkehr, doch die Zulassungen steigen: E-Autos erobern zunehmend die Straßen. In Zeiten von drohenden Fahrverboten und steigender Lärm- und Umweltbelastung setzen immer mehr Autofahrer in Mülheim auf E-Mobilität. „Es kommt was in Bewegung“, sagt Ulrike Marx, Klimaschutz-Koordinatorin der Stadt Mülheim. Mit Brennstoffzellen existiert noch ein weiterer Antrieb der Zukunft.
Der Unterschied: Das E-Auto nimmt seine Energie von einer Batterie, die regelmäßig am Strom aufgeladen werden muss, ähnlich wie ein Handy-Akku. Der Motor eines Wasserstoffautos besteht aus einer Brennstoffzelle. Darin reagieren Wasserstoff und Sauerstoff miteinander. Die Energie, die bei der sogenannten Knallgasreaktion dabei entsteht, treibt den Motor des Fahrzeugs an. Aus dem Auspuff kommt lediglich Wasserdampf. Zwar ist unklar, wie viele Wasserstoffautos in Mülheim gemeldet sind, eine entsprechende Tankstelle existiert allerdings bereits seit über einem Jahr (siehe Text unten).
Kein einheitliches Bezahlsystem
„Tankstellen“ für E-Autos im öffentlichen Mülheimer Raum existieren schon länger. Aktuell sind es 21 Ladesäulen, Tendenz steigend. „Vor allem auf Privatgrundstücken, auf Firmengeländen zum Beispiel, gibt es einen großen Zulauf“, sagt Ulrike Marx. Insgesamt, so schätze sie, dürfte es an die 100 Ladesäulen in der ganzen Stadt geben.
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Problematisch für das Aufladen im öffentlichen Raum ist, dass es kein einheitliches Bezahlsystem für die unterschiedlichen Anbieter der Ladesäulen gibt. Wer verschiedene Säulen benutzen will, braucht unter Umständen mehrere Chipkarten zur Identifizierung. Im Gegensatz zu Essen müssen Besitzer von E-Autos in Mülheim während des Aufladens keine Parkgebühren zahlen. „In Mülheim sind wir noch weit von der Grenze entfernt, wo sich eine Subventionierung nicht mehr lohnen würde“, erklärt Ulrike Marx. Zum 1. Januar 2018 waren in Mülheim 80 E-Autos und 461 Hybridautos zugelassen. Hybridautos haben neben der elektrischen Batterie noch einen Tank für normales Benzin.
Stromnetz würde nicht reichen
Doch was wäre, wenn irgendwann alle Autos in Mülheim mit Strom geladen werden würden? „Wenn alle eine Schnellladesäule bräuchten, würde das Stromnetz gar nicht ausreichen“, sagt Arno Klare von der SPD. „Mit einem Wasserstoffantrieb hat man das Problem nicht.“ Er plädiert darum dafür, beide Antriebe parallel zu nutzen: „Wir brauchen eine technologieoffene Zukunft. Es bringt nichts, E-Autos in Gegensatz zu Wasserstoffautos zu setzen“, sagt er. „Das E-Auto hat eine deutlich geringere Reichweite als das Wasserstoffauto. Es eignet sich also als Zweitwagen für kurze Strecken innerhalb der Stadt. Mit einem Brennstoffzellenauto kommt man deutlich weiter“, so Klare.
Doch im Moment ist der Wasserstoffantrieb nicht die Lösung aller Probleme, denn die Technologie hat Nachteile. Zum einen die Tankstellen: Seit einigen Jahren werden zunehmend Wasserstofftankstellen gebaut, ein Ende des Booms ist momentan nicht in Sicht. Dennoch ist das Netz dünn: Bundesweit stehen 44 Wasserstofftankstellen mehr als 14 000 üblichen Tankstellen gegenüber. 93 Wasserstoffzapfsäulen sind auf einer Online-Karte zu finden. 49 davon sind noch in Vorbereitung, weitere sieben sind außer Betrieb (Stand: 31. Juli). In Mülheim ist vorerst keine weitere Tankstelle geplant. Dafür soll im letzten Quartal 2018 in Essen-Katernberg an der Shell-Tankstelle eine H2-Zapfsäule eröffnet werden.
Autos werden kaum günstiger
Hinzu kommt, dass es bislang nur wenige Fahrzeugserien mit Brennstoffzelle auf dem deutschen Markt zu Kaufen gibt. Zu nennen sind der Hyundai ix35 und der Toyota Mirai. Das günstigere Modell kostet schlappe 65 000 Euro. Immerhin: Zwei weitere Modelle sind laut Webseite von H2 Mobility noch für 2018 angekündigt. Jedoch werden sie kaum günstiger, was auch mit den hohen Herstellungskosten der Brennstoffzellen zu tun hat.
Sowohl Wasserstoff- als auch Elektroautos werden dafür gelobt, keine Treibhausgase zu produzieren. Doch so richtig umweltfreundlich ist diese Technik bislang noch nicht: „Mit unserem heutigen Strommix aus fossilen Brennstoffen wie Kohle ist das ökologisch und ökonomisch nicht sinnvoll“, sagt Arno Klare. Erst wenn der Strom komplett aus erneuerbaren Energien stamme, sei Elektromobilität auch vollständig emissionsfrei. Obwohl eine Menge Aufwand betrieben werden muss für E-Mobilität ist sich Klare sicher, dass es sich lohnen wird: „Ich werde es selbst noch erleben.“ Sein nächstes Auto solle ein elektrisches werden, sagt er. Auch die Stadt Mülheim tauscht ihre Flotte aus: Im Oktober sollen die ersten elektrischen Dienstwagen durch die Stadt rollen, so Ulrike Marx.
Wasserstofftankstelle in Mülheim: Die Nutzungszahlen steigen
Der Betreiber der Zapfsäule geht von einer Verdoppelung im nächsten Jahr aus.
Ob und wie viele Wasserstoffautos in Mülheim gemeldet sind, ist unklar. Das Kraftfahrt-Bundesamt teilt die Zahlen der Bestandszulassung auf in die verschiedenen Kraftstoffarten. Brennstoffzellenautos werden jedoch nicht gesondert aufgeführt. Sie verschwinden unter dem Begriff „Sonstige“. In dieser Gruppe sind zehn Pkw aufgelistet.
Seit Mai 2017 steht an der Star-Tankstelle am Rhein-Ruhr-Zentrum eine Wasserstofftankstelle. Nach Angaben des Betreibers H2-Mobility sind in den ersten elf Monaten seit Inbetriebnahme 445 Autos voll betankt worden. Wie viele verschiedene Personen getankt haben ist unklar. „In den ersten vier Monaten des Jahres 2018 wurden 250 Kilogramm Wasserstoff verbraucht“, sagt Sybille Riepe, Pressesprecherin von H2-Mobility.
Mit dieser Menge kann man etwa 50 Toyota Mirai volltanken. Laut Riepe steigen die Nutzungszahlen der Zapfsäule stetig: „In Mülheim waren es 2017 im Schnitt 30 Tankvorgänge pro Monat. Seit Jahresanfang 2018 bis Ende April im Schnitt 60 Vorgänge pro Monat.“ Für die kommenden zwölf Monate glaubt Riepe an eine Verdoppelung der Zahlen.
Kein großer Preisunterschied
Wasserstofftanken funktioniert ähnlich wie das Befüllen eines Autos mit Benzin oder Diesel und dauert in etwa genauso lange. Auto und Zapfsäule werden durch einen Schlauch miteinander verbunden. Ein Teststoß ermittelt, wie leer der Tank ist. Dann wird gasförmiger Wasserstoff bei zwischen -33 und -40 Grad Celsius hinein gepresst. Tanken ist nur mit einer Karte möglich, die vorher beantragt werden muss. Laut Shell kostet das Kilo Wasserstoff zurzeit 9,50 Euro. Damit kommt ein Brennstoffzellenauto etwa 100 Kilometer weit. Somit besteht kein großer Preisunterschied zu herkömmlichem Benzin.
Die Tankstelle in Mülheim sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, sagt Arno Klare. „Leute kaufen keine Wasserstoffautos, wenn sie nicht in der Nähe tanken können. Und Tankstellen werden nicht eröffnet, wenn es keine Autofahrer gibt, die diesen Service nutzen können. Ein klassisches Henne-Ei-Problem“, so Klare.
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Ladesäulen für Elektroautos befinden sich nach Angaben der Stadt unter anderem an diesen Orten: Bülowstraße 75, Xantener Straße 1 (beide Broich), Mellinghofer Straße 165 (Dümpten), Paul-Kosmalla-Straße 3 (Heißen), Bachstraße 1, Bahnstraße 34, Dickswall 12, Essener Straße 46-48, Hans-Böckler-Platz 1, Am Hauptbahnhof 2, Kaiserstraße 4, Mellinghofer Straße 55, Wertgasse 35 (alle Innenstadt), Am Bühlsbach 16, Düsseldorfer Straße 120, Düsseldorfer Straße 261, Mintarder Straße 38-40 (alle Saarn), Flockenweg 2 (Speldorf), Burgstraße 1, Oberhausener Straße 172, Steinkampstraße 65 (alle Styrum).
H2 Mobility ist ein Gemeinschaftsunternehmen verschiedener Konzerne. Daran beteiligt sind der Gashersteller Air Liquide, Daimler, Linde, der Erdgaskonzern OMV, sowie Shell und TOTAL. Ihr Ziel ist es, die Infrastruktur an Wasserstofftankstellen auszubauen. H2 Mobility ist Betreiber quasi sämtlicher Wasserstofftankstellen in Deutschland. Gefördert wird dieser Zusammenschluss vom Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und der Europäischen Kommission.