Essen/Mülheim. Beim Poker um seine finanzielle Absicherung zog Uwe Bonan den Kürzeren: Die Aussicht auf peinliche Gerichtsverfahren bremste wohl die Streitlust.

Nur 17 Tage nach seiner verhängnisvollen Handy-Panne, bei der er versehentlich ein geschmackloses Foto in eine hausinterne WhatsApp-Gruppe schickte, hat Ruhrbahn-Geschäftsführer Uwe Bonan an diesem Dienstag dafür die Quittung erhalten: Der Aufsichtsrat des Essen-Mülheimer Nahverkehrsunternehmens segnete im Rahmen einer außerordentlichen Sitzung den ausverhandelten Aufhebungsvertrag ab und setzt dem 57-jährigen Noch-Chef damit den Stuhl vor die Tür. Der fällt weniger bequem aus, als von manchem erwartet.

Denn dem Vernehmen nach wird Bonan nur bis zum formellen Abschluss seines Arbeitsverhältnisses Ende Februar kommenden Jahres bezahlt – und dies auch vorwiegend nur mit seinen Basis-Bezügen, die im letzten Beteiligungsbericht noch mit 200.000 Euro im Jahr angegeben wurden. Hinzu kommen Erfolgstantiemen aus dem aktuellen und mehreren zurückliegenden Jahren in einer Gesamthöhe von rund 102.000 Euro. Auch der Dienstwagen bleibt ihm bis dahin zugestanden. Seinen Schreibtisch im Erzhof muss Bonan bis Dienstag nächster Woche räumen.

Die Vertragsverlängerung um drei Jahre im Rücken nützte nicht viel

Die Zahlen, sie sind beachtlich, unerreichbar für viele unterm Ruhrbahn-Dach. Doch gemessen an dem Umstand, dass die Foto-Entgleisung mutmaßlich nicht genug Substanz für eine fristlose Kündigung lieferte und Bonan ja die Vertragsverlängerung um drei weitere Jahre bis Ende 2024 in der Tasche hatte, mögen auch seine Kritiker nicht von einem „goldenen Handschlag“ sprechen.

Die Ruhrbahn in Zahlen

Wächst jetzt bei der Ruhrbahn zusammen, was nach all den Fusionsplänen zusammengehört? In der Statistik werden immerhin noch die Stadtgrenzen gezogen.

Danach kam die Ruhrbahn im wegen der Pandemie weniger erfolgreichen Jahr 2020 auf insgesamt 114,7 Millionen Fahrgäste, davon 94,3 Millionen in Essen und 20,4 Millionen in Mülheim. Die Betriebsleistung lag bei zusammengenommen 24,9 Millionen Kilometern, davon 19,7 Millionen in Essen und 5,2 Millionen in Mülheim.

Insgesamt beschäftigt die Ruhrbahn 2423 Mitarbeiter, darunter 1296 im Fahrbetrieb.

Nach Informationen dieser Zeitung lagen die Forderungen anfangs auch weit über diesen Werten. Warum Bonan und sein Rechtsbeistand sich dennoch drastisch herunterhandeln ließen, liegt auf der Hand: Ein Streit vor Gericht hätte der Affäre um jenes anzügliche Foto, das der Geschäftsführer am Pfingstsamstag aus Versehen zwölf leitenden Mitarbeitern zuleitete, eine noch weit größere Öffentlichkeit beschert. Diese peinliche Debatte wollten sich alle Beteiligten, vor allem aber Bonan selbst, ersparen.

MBI will keinen Bonan-Nachfolger, um den Fusions-Prozess zu beschleunigen

Die offizielle Verlautbarung von Bonans Abschied fiel am Dienstag denkbar spröde aus: „Uwe Bonan, Geschäftsführer der Ruhrbahn GmbH, wird am 15. Juni 2021 sein Amt als Geschäftsführer niederlegen. Herr Bonan nennt hierfür persönliche Gründe.“ Mehr gab es da nicht zu lesen. Wie es an der Ruhrbahn-Spitze nun weitergeht, ist offen: Co-Geschäftsführer Michael Feller genießt erkennbar das Vertrauen der beiden beteiligten Ruhrbahn-Städte Essen und Mülheim. Auch sein Vertrag wurde erst Ende April verlängert, für zunächst vier weitere Jahre. Ob er wieder einen Co-Geschäftsführer an die Seite gestellt bekommt, diese Frage steht nun im Raum.

Und sie ist zumindest für die mit drei Ratsmitgliedern im Stadtparlament der Nachbarstadt vertretenen Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) bereits beantwortet: Sie beantragen „unabhängig von allen Begleitumständen, keinen Nachfolger mehr zu bestimmen, um den lange überfälligen Prozess der Zusammenschluss der Verkehrsgesellschaften endlich nach vorne zu bringen“.

CDU und Grüne begrüßen ausdrücklich die Entscheidung im Aufsichtsrat

Es gibt viele in Essen, die denken genauso. Und während die Politik in Essen am Dienstag ansonsten peinlich berührt schwieg, meldeten sich CDU und Grüne in Mülheim zu Wort: Sie begrüßten ausdrücklich die vorzeitige Vertragsauflösung, denn damit würden die Voraussetzungen geschaffen, dass sich die Ruhrbahn „schnell den dringenden operativen und strategischen Themen zuwenden kann“, insbesondere vor dem Hintergrund der Mobilitätswende in Mülheim.

Unabhängig davon bedauere man die überraschende Entwicklung, „da sie den bisherigen strategischen Planungen für einen modernen Mobilitätsdienstleister für Essen und Mülheim an der Ruhr zuwiderläuft“. Es sei nun notwendig, sich mit der Stadt Essen als Mitgesellschafter der Ruhrbahn „mit Bedacht und Umsicht neu auszurichten“.