Mülheim. Auf dem Weg zur bezahlbaren Klimaneutralität wollen Medl, MWB und SWB vorangehen. Kann die neue Mülheimer „eMHergie“ halten, was sie verspricht?
Das ehrgeizige Ziel, 2035 die Klimaneutralität zu erreichen, hat sich Mülheim zwar vorgenommen – aber wie das so genau gehen soll, ist allenfalls grob umrissen. Zumindest einen Beitrag soll die nun auch gegründete Gesellschaft mit dem verklausulierten Namen „eMHergie“ leisten, was offenbar Energie, Mülheim und „Emergieren“ beim Hören wachrufen soll. Dahinter kommen altbekannte Akteure der Stadt zum Vorschein: Medl, MWB und SWB.
Gesellschaft soll Klimaschutz beim Wohnungsbau sozial verträglich gestalten
Den Plan gibt es schon seit gut zwei Jahren. Neu daran sind aber nun die Möglichkeiten, die sich mit dem Zusammenschluss für die Wohnungsbaugesellschaften ergeben: Zuvor sei es steuerlich problematisch gewesen, wenn etwa die Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft ihren Mietern lokalen, grünen Strom anbieten will, sagt Dominik Steffan vom MWB-Vorstand.
In der neuen Gesellschaft „Emhergie“ der drei Partner aber „dürfen wir gemeinsam das machen, was wir alleine nicht können“, kündigt Steffan damit nicht nur konkrete Vorteile für den kommunalen Klimaschutz an, sondern ebenso eine soziale, weil bezahlbare Klimawende. So könnten die durch Sanierung zwangsläufig steigenden Nettomieten andererseits durch günstigeren, weil lokal gewonnenen Strom gebremst werden.
SWB: „Im Fokus steht die Klimaneutralität. Es reicht nicht aus, nur klein zu denken.“
„Die Technik ist längst da“, führt Volker Weißhuhn (Medl) an, der die neue Gesellschaft als Geschäftsführer leitet: Im Quartier Dümpten 23 an der Oberheidstraße liefert ein Blockheizkraftwerk sowohl Wärme als auch zu 55 Prozent lokal erzeugten Strom für 84 Wohneinheiten. Ähnlich auch am Bottenbruch (48 Wohneinheiten) und in der Eichbaumsiedlung Filchnerstraße (72 Wohnungen). „Im Fokus steht die Klimaneutralität. Da reicht es nicht aus, nur klein zu denken“, sieht Sven Glocker (SWB) durch die neue Gesellschaft auch eine Trendwende beim Denken: eben quartiersweise vorzugehen statt häuserweise.
Rund 14.000 Wohnungen schmeißen die beiden Mülheimer Wohnungsbaugesellschaften in den Topf, um dort, wo sie zusammenhängen, Photovoltaik, Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung, Infrastruktur für E-Autos und -räder zu schaffen. Sanieren soll künftig mit Energieerzeugung einhergehen – für die Medl ist das nicht nur ein lukrativer Markt, das Unternehmen baut auch hier Kompetenzen aus.
Es gibt viel zu tun, will die Stadt die Klimaneutralität schon 2035 erreichen
Wo bleiben die Klimakonzepte der Stadt?
Im Juni 2020 hatte der Rat der Stadt die „Klimanotlage“ beschlossen und die Verwaltung beauftragt, ein „Integriertes Klimaschutzkonzept“ zu erarbeiten. Es soll Maßnahmen beinhalten, die eine Realisierung der Klimaneutralität der Stadt bis zum Jahr 2035 ermöglichen. Über den erreichten Stand soll jährlich berichtet werden.
Eine aktuelle Klimabilanz der Stadt liegt allerdings öffentlich nicht vor. Ein Vergleich von 2015 zu 2018 jedoch zeigt, dass etwa die Treibhausgasemissionen bei der Industrie, bei kommunalen Einrichtungen und privaten Haushalten nur gering fiel. Im Verkehr nahmen sie sogar zu. In nahezu allen Bereichen stieg auch der Endenergieverbrauch.
Und was hat Mülheim davon? Bislang zumindest hat die Stadt zwar ein „Konzept zur Klimaanpassung“ und einen veralteten „Energetischen Stadtentwicklungsplan“ vorgelegt, jedoch kaum konkrete Planungen, wann sie welche Schritte in Richtung Klimaneutralität unternimmt. Wie viele Photovoltaik-, wie viele Windenergieanlagen werden benötigt? Wo sollen sie stehen? Das soll erst 2022 erarbeitet sein. Selbst die „aktuelle Klimabilanz“ der Stadt ist gerade einmal bis 2018 erhältlich.
Es gibt also reichlich Nachholbedarf, will man das kommunale Ziel in nur noch 14 Jahren erreichen: Wenn daher die Wohnungsunternehmen derzeit auch keinen Zeitraum nennen können, in dem sie die Klimaneutralität für ihre Wohnungen erreichen werden, ist dennoch ein Grundstein gelegt. MWB-Vorstand Frank Esser verspricht sich von dem Einstieg der drei Mülheimer Unternehmen mehr Strahlkraft für „die Nachbarn. Denn es geht nicht darum, Leuchttürme zu bauen, sondern mehr Menschen für Klima schützende Maßnahmen zu erreichen.“