Mülheim. Die Corona-Lockerungen lassen Händler in Mülheims Innenstadt, wenn auch nicht alle, hoffen. Wie Inhaber von Traditionsgeschäften die Lage sehen.

Die Corona-Pandemie hat der Krise in Mülheims Innenstadt noch mehr Dramatik verliehen. Immerhin ist nun wieder Einkaufen ohne Testpflicht möglich. Wir sprachen mit traditionsreichen Mülheimer Einzelhändlern, wie sie durch die Krise kommen.

Die Schuh-Händler: Die eine spürt die Belebung, der andere wartet noch darauf

Im Schuhhaus Karenfort ist die Zuversicht da. „Unsere Kunden sind treu. Sie kommen jetzt wieder, wir haben gut zu tun“, stellt Inhaberin Birgit Karenfort Nachholbedarf im Konsum fest. Verhehlen will sie aber nicht, dass ihr die Corona-Pandemie die Hälfte der sonst üblichen Umsätze habe wegbrechen lassen, obwohl es ja zumindest die Möglichkeit von „Click & Collect“ gab – bei allerdings begrenzten Öffnungszeiten. „Viele haben einfach nicht gewusst, dass wir geöffnet hatten“, so die Händlerin.

Birgit Karenfort in ihrem Schuhgeschäft in Mülheims Innenstadt: „Man wird ja bekloppt, wenn man sich jetzt noch Angst macht vor einer vierten Welle“, sagt sie.
Birgit Karenfort in ihrem Schuhgeschäft in Mülheims Innenstadt: „Man wird ja bekloppt, wenn man sich jetzt noch Angst macht vor einer vierten Welle“, sagt sie. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Karenfort hatte bis Juni drei Beschäftigte in Kurzarbeit. Sie hat sich verboten, weiter in die Zukunft zu schauen, sich immer wieder die Risiken weiterer Einschnitte vor Augen zu führen: „Man wird ja bekloppt, wenn man sich jetzt noch Angst macht vor einer vierten Welle“, sagt sie.

Mülheimer Händlerin Karenfort: „Ja, wir schaffen das“

„Ja, wir schaffen das“, sagt sie lieber. Karenfort sieht ihre Existenz so stabil aufgestellt, dass sie die Pandemie überstehen werde. Ob das alle in der Innenstadt schaffen? Karenfort gibt zu bedenken, dass es ihr als Single ohne Kinder gut gelingen konnte, „den Gürtel enger zu schnallen“. Aber wie geht es dem Händler nebenan, Familienvater von drei Kindern, das Haus nicht abbezahlt, kein finanzielles Polster in der Rückhand. . .?

Diese Sorge hat Schuhhändler Georg Kruse vom gleichnamigen Schuhhaus zwar auch nicht, aber so optimistisch wie Karenfort sieht er die Lage nicht. Nach verhältnismäßig guten Click & Collect-Geschäften im März seien die Regen-Monate April und Mai mit desaströsem Umsatz verlaufen, auch nach den Lockerungen zuletzt sah Kruse noch nicht die erhoffte Wiederbelebung. „Es gibt nach wie vor viele, die nicht in die Stadt kommen.“

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„Die Krise wird uns sicher bis in die Frühjahrssaison 2022 begleiten“

„Die Krise wird noch lange nicht vorbei sein, sie wird uns sicher bis in die Frühjahrssaison 2022 begleiten“, sagt Kruse. Auch er setzt darauf, dass seine Stammkundschaft das Shoppen wiederentdeckt, um den Familienbetrieb mit integrierter Fußpflege, der mehr als 50 Jahre besteht, in die Zukunft zu bringen.

Georg Kruse in seinem gleichnamigen Mülheimer Schuhgeschäft: „Bis aufs Fensterputzen mache ich alles selber“, hofft er, mit minimalen Fixkosten besser durch die Krise zu kommen. Auf Hilfen war er trotzdem angewiesen.
Georg Kruse in seinem gleichnamigen Mülheimer Schuhgeschäft: „Bis aufs Fensterputzen mache ich alles selber“, hofft er, mit minimalen Fixkosten besser durch die Krise zu kommen. Auf Hilfen war er trotzdem angewiesen. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Kruse ist froh, dass staatliche Hilfen schnell zu ihm kamen, es bedurfte zusätzlich aber auch einer privaten Finanzspritze, um über die Runden zu kommen. Seine Fixkosten hatte Kruse schon vor der Krise auf ein Minimum runtergefahren: „Bis aufs Fensterputzen mache ich alles selber“, sagt er. „Händler, die ihre Kosten in der Pandemie so gut wie auf Null setzen konnten, haben eine reelle Chance, die Krise zu überstehen“, so der Schuhfachverkäufer. Und die anderen?

Der Juwelier: Von Normalität kann längst noch nicht die Rede sein

Juwelier Werner Lüttgen von der Leineweberstraße blickt auf äußerst maue Geschäfte in den vergangenen Monaten zurück: „Im Prinzip lief nur der Service: Batteriewechsel und Uhren“, überschlägt er einen Umsatzrückgang von 70 bis 80 Prozent für die ersten fünf Monate des Jahres. Der Lockdown im frühen Dezember hatte ihm das sonst umsatzstarke Weihnachtsgeschäft verhagelt. Zusammen mit seinem zweiten Standort in Hattingen musste Lüttgen sieben Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken.

Juwelier Werner Lüttgen: „Wir haben das vergangene Jahr überlebt. Da kann es nur besser werden.“
Juwelier Werner Lüttgen: „Wir haben das vergangene Jahr überlebt. Da kann es nur besser werden.“ © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Er hat die Flaute damit überbrückt, dass er auf privates Geld zurückgegriffen hat – auch um das Kurzarbeitergeld für seine Beschäftigten aufzustocken. „Es zieht ein bisschen an“, spürte Lüttgen zu Beginn der Woche, dass die Lockerungen doch wieder Kunden versprechen. Aber von Normalität könne längst keine Rede sein.

Eine bedrohliche Lage der Innenstadt sieht Lüttgen nicht erst seit Corona. Für den Kaufhof sei kein adäquater Ersatz da, im Forum sei auch keine Aussicht auf Besserung. „Wir werden aber klarkommen, weil wir eigentlich der letzte Fachhändler auf unserem Gebiet in der Innenstadt sind“, glaubt er. „Wir haben das vergangene Jahr überlebt. Da kann es nur besser werden.“

Das Dessousgeschäft: Große Solidarität der Stammkundschaft

Dass viele Mülheimer laut Corona-Check dieser Redaktion die Sorge hätten, die Verödung der Innenstadt könne weiter voranschreiten, sei angesichts der Pandemie nachvollziehbar, sagt Filialleiterin Britta vom Felde von „Body & Beach Herta Oehler“. Es seien harte Zeiten für die Händler.

Doch vom Felde will gar nicht schwarzmalen. Das traditionsreiche Dessousgeschäft habe einen kräftigen Stamm an Kundschaft, nicht nur aus Mülheim. Da sei in den vergangenen Monaten auch manch eine Stammkundin gekommen und habe mit der Bemerkung, eigentlich nichts zu brauchen, etwas gekauft – weil sie den Laden in schwieriger (Kurzarbeit-)Zeit habe stützen wollen. Jetzt sei auch großer Nachholbedarf zu spüren. Schon die erste Juni-Woche sei gut gelaufen, sagt vom Felde – trotz „großer Verunsicherung“ in der Kundschaft, was nun gerade wieder möglich sei beim Shoppen.

Rita Lange vom Wäschegeschäft Herta Oehler präsentiert die neue Bademode. Das Geschäft nimmt Nachholbedarf bei den Kunden wahr.
Rita Lange vom Wäschegeschäft Herta Oehler präsentiert die neue Bademode. Das Geschäft nimmt Nachholbedarf bei den Kunden wahr. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Vom Felde mag nicht feststellen, dass zahlreiche Kunden an den Online-Handel verloren sein könnten während der Lockdown-Zeiten. „Vielleicht hat die Zeit den Menschen auch gezeigt, wie schön es sein kann, einmal in der Innenstadt shoppen zu gehen“, sagt sie. Sie hoffe zumindest, dass sich ein solches Bewusstsein breitmacht und dem stationären Handel vor Ort zugutekommt. Für den sieht sie einige Hoffnungsschimmer. Das neue „Kaff“ habe „tapfer durchgehalten“, auch andere Neueröffnungen insbesondere entlang der Achse von der Altstadt zum Markt seien bemerkenswert.

Inhaber von Tepel: „Wir müssen jetzt zusammenstehen“

Rüdiger Espitte vom Traditionsgeschäft Tepel hat seinen Standort eben auf dieser Achse. Natürlich hatte auch er Einbußen im Verkauf seines stationären Sortiments, doch sein Teilmarkt Schlüsseldienst ist dann doch krisenfest: „Urlaube oder den Kauf einer Hose kann ich aufschieben. Wenn ich aber meine Tür nicht aufkriege, wird’s eng“, sagt Espitte, der froh ist, nicht als Reisebüro- oder Modegeschäft-Inhaber die Krise durchstehen zu müssen.

„Wir sind mit einem blauen Auge durchgekommen“, sagt er. Natürlich fehle die Frequenz, seien weiterhin zu wenige Menschen in der Innenstadt unterwegs, die vorbeilaufen und denen beim Blick auf das Tepel-Geschäft spontan einfallen könnte, dieses oder jenes doch mal nebenbei kaufen zu können. Andererseits machten ihn aber Rückmeldungen von Kunden Hoffnung, die bewusst den örtlichen Handel unterstützen wollen. „Wir müssen jetzt zusammenstehen“, appelliert Espitte an die Mülheimer, Mülheims Händler zu unterstützen.

Unsere Umfrage unter fast 1000 Mülheimern beim „Corona-Check“ kann Espitte und Co. Hoffnung machen: 79,7 Prozent hatten da angegeben, bewusst den örtlichen Handel und die Gastronomie unterstützen zu wollen.