Mülheim. 80 Prozent der Befragten gaben im Corona-Check an, bei Einzelhandel und Restaurants vor Ort zu bestellen. Wirte sprechen trotzdem von Einbußen.

Beinahe 80 Prozent der befragten Mülheimer haben in unserer Umfrage zum Corona-Check angegeben, dass sie trotz der Beschränkungen des Lockdowns vor Ort einkaufen und die Angebote von örtlichen Restaurants nutzen, um den Gewerbetreibenden in ihrer Heimatstadt gezielt in der Pandemie zu helfen. Wie haben die Einzelhändler und Gastwirte in Mülheim diese Zeit erlebt?

„Unterstützen Sie die stationären Händler und Gastronomen bewusst?“ – so lautete die Frage in unserer Umfrage unter dem Titel Corona-Check. 79,7 Prozent der Befragten haben auf diese Frage mit Ja geantwortet, 20,3 Prozent mit Nein. Der weit überwiegende Teil der insgesamt 912 Mülheimer, die bei unserem Corona-Check mitgemacht haben, hat also während des Lockdowns Speisen bei den Restaurants vor Ort abgeholt oder sich etwas liefern lassen, hat online bestellt und bei den Einzelhändlern in der Innenstadt oder in den Stadtteilen die Ware im Click & Collect-Verfahren abgeholt. Hat sich diese Hilfe auch wirklich bei den Händlern und Gastronomen bemerkbar gemacht – oder war das nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

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Buchhandlung „Bücherträume“ in Mülheim-Broich kommt gut durch die Krise

„Uns ist es gelungen, den Kontakt zu den Kunden zu halten, unser Umsatz ist während des Lockdowns nicht weniger geworden“, sagt Petra Büse-Leringer von der Broicher Buchhandlung „Bücherträume“. Über die sozialen Medien Instagram und Facebook, aber auch über den Nachrichtendienst WhatsApp hat das Team der Bücherträume den Austausch mit seiner Kundschaft gepflegt, hat etwa Buchvorstellungen präsentiert und Lesetipps geliefert.

In der Mülheimer Buchhandlung „Bücherträume“ hat Inhaberin Petra Büse-Leringer die Zeit des Lockdowns überbrückt, in dem sie mit ihrem Team Bestellungen aufgenommen hat, die Kunden dann abholen konnten.
In der Mülheimer Buchhandlung „Bücherträume“ hat Inhaberin Petra Büse-Leringer die Zeit des Lockdowns überbrückt, in dem sie mit ihrem Team Bestellungen aufgenommen hat, die Kunden dann abholen konnten. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Die Leute sollten das Gefühl haben, dass sie trotzdem bei uns stöbern können“, sagt Bücherträume-Chefin Büse-Leringer. Darüber seien auch einige neue, junge Familien auf die Broicher Buchhandlung aufmerksam geworden. „Die haben wir als Kunden hinzugewonnen“, beschreibt die Buchhändlerin einen positiven Effekt der Lockdown-Regelungen.

Solch eine positive Bilanz können allerdings die wenigsten Händler nach der Zeit der Ladenschließungen ziehen. „Mit Click & Collect konnten die meisten Händler nicht kostendeckend arbeiten“, sagt Marc Heistermann, Geschäftsführer des Handelsverbandes Ruhr, gleichwohl habe er auch Rückmeldungen aus dem Handelsverband bekommen von Gewerbetreibenden, die dankbar sind für den Lokalpatriotismus, den mancher Kunde mit Blick aufs Einkaufen während der Pandemie entwickelt hat. Das zeige, sagt Heistermann, dass die Menschen das Bedürfnis haben, vor der Haustür einzukaufen, dass der stationäre Handel somit eine Zukunft habe.

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Das Problem ist: „Die Förderungen, die gezahlt wurden, gelten als Erlöse“

Etwas skeptischer schaut Margit Schettler in die Zukunft. „So, wie die Geschäfte über den Lockdown aufrecht erhalten wurden, rechnet sich das nicht“, sagt die Geschäftsführerin der Werbegemeinschaft Saarn. „Die staatlichen Förderungen, die gezahlt wurden, gelten als Erlöse. Wer die in Anspruch genommen hat, könnte rückwirkend noch von der Steuer erschlagen werden.“ Auch wer den letzten, langen Lockdown über Abhol- oder Liefersysteme durchgehalten habe, sei davor nicht gefeit, meint Schettler, auch wenn die Saarner Kundschaft im Großen und Ganzen treu sei.

Monate lang durchgehalten über die trostlosen Zeiten der Lockdowns hat auch Sergiy Sirik mit seinem Team vom Restaurant Walkmühle. „Als es im vergangenen Jahr hieß, dass wir schließen müssen, hat uns das so getroffen“, sagt der Gastwirt rückblickend. „Aber wir haben direkt überlegt, wie wir es organisieren können, trotzdem weiterzumachen. Wir haben in die Zukunft geschaut.“ Vergleichen könne man aber weder das tägliche Geschäft, noch den Umsatz, sagt Sirik.

„Ein normaler Restaurantbetrieb funktioniert anders. Und es macht einen riesigen Unterschied, ob ein Stammkunde regelmäßig seine große Familie zu uns einlädt mit zehn oder 20 Personen, oder ob er mal Essen zum Abholen für zwei bestellt.“ Zudem seien etwa Firmen-Meetings, Weihnachtsessen oder Hochzeitsgesellschaften weggefallen. Die normalen Kosten – die Miete sowie das Gehalt für die Mitarbeiter – aber liefen weiter, schildert Sirik. In die Zukunft zu gucken, daran will der Gastronom festhalten: „Jetzt geht es zumindest auf der Terrasse wieder los.“

Ergebnisse des Corona-Checks

An unserer großen Leser-Umfrage im Frühjahr haben sich insgesamt 15.304 Menschen aus dem gesamten Ruhrgebiet beteiligt, darunter 912 aus Mülheim. Sie ist nicht repräsentativ, zeichnet aber ein Stimmungsbild.

Unter anderem wurde nach der finanziellen Situation gefragt: Hat sie sich 1 (verbessert) bis 5 (verschlechtert)? Die Durchschnittsnote liegt bei 3,14.

Jüngere Befragte unter 40 Jahren geben im Schnitt eine 3,27, Menschen über 60 eine 2,97. Auch die Bewertung von Frauen (3,21) und Männern (3,04) unterscheidet sich deutlich.

Ebenso bei der Frage nach Veränderungen der beruflichen Lage: Hier geben Frauen im Schnitt eine 3,38, Männer 3,13.

Nicht mal ein Fünftel des normalen Einkommens während des Lockdowns verdient

Zuversichtlich blickt nun auch Sinan Bozkurt vom Restaurant Ronja im Ringlokschuppen in die Zukunft. Wenn der Gastronom allerdings die vergangenen Monate Revue passieren lässt, sagt er: „Wir hatten schwer zu kämpfen.“ Er habe viele nette Gesten von den Kunden erfahren – „das hat uns Kraft gegeben." Gleichwohl sagt Bozkurt auch: „Wir haben nicht einmal 20 Prozent von dem eingenommen, was wir normalerweise verdient hätten.“