Mülheim. Das Mülheimer Tersteegenhaus wird gerade entkernt, die Balken werden saniert. Im Herbst soll das Gerüst verschwinden. Ein Besuch vor Ort.
Von außen tut sich seit vier Jahren scheinbar nichts, im Innern wird das Tersteegenhaus auf dem Kirchhügel derzeit entkernt: Eine Baufirma legt die Balken des fast 500 Jahre alten Fachwerkhauses frei, denn zuallererst muss das innere Stützgerüst restauriert werden, bevor an einen Wiederaufbau des ehemaligen Heimatmuseums gedacht werden kann, welches das Tersteegenhaus ja wieder werden soll. Vom Schwamm befallene Balken werden nach und nach ersetzt, bis endlich das Stützgerüst an der Teinerstraße abgebaut werden kann.
Das Mülheimer Tersteegenhaus wird im Erdgeschoss nur noch zwei Zimmer haben
Beim Ortstermin auf der Baustelle kann man derzeit vom Boden bis unter das Dach gucken: Die Bauarbeiter haben in den vergangenen vier Wochen die Decken entfernt und den Großteil der Wände, die Treppen sind abgebaut. Das Dach hält Regen und Schnee ab, der sonst auf Schutthaufen und Gebälk fallen würde. Manche Balken enden in der Luft, hier ist noch viel zu tun. Doch Markus Püll und Hansgeorg Schiemer vom Vorstand des Freundes- und Förderkreises Heimatmuseum Tersteegenhaus können die Zukunft schon sehen. „Das Haus wird wie zu seiner Erbauung im Erdgeschoss nur noch zwei Zimmer haben“, erklärt Markus Püll. „Es wird nach dem historischen Muster von 1530 wieder aufgebaut.“ Mit Zugeständnissen an 2021: „Es wird einen behindertengerechten Aufgang von außen geben.“
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Wer das Heimatmuseum noch von vor gut vier Jahren kennt, erinnert sich vielleicht noch an den kleinteiligen Aufbau mit der Mineraliensammlung und dem geschichtlichen Ausstellungsraum im Erdgeschoss. Oben fanden sich dann die kleinen Ausstellungsräume für den pietistischen Prediger und Kirchenlieder-Dichter Gerhard Tersteegen (1697 – 1769) sowie den Arzt und Schriftsteller Dr. C. A. Kortum (1745 – 1824). Und nicht zu vergessen die Exponate, die an die Industriellen Mathias Stinnes und August Thyssen erinnern sowie ein Raum bestückt mit Gegenständen, die die „Bürgergesellschaft Mausefalle” zusammengetragen hat – im Himmelbettzimmer.
Alle Ausstellungsstücke aus dem Heimatmuseum lagern im Stadtarchiv
All diese Ausstellungstücke sind eingelagert im Stadtarchiv. Wie die Ausstellung im fertiggestellten Tersteegenhaus einmal aussehen wird, darüber will sich der Förderverein künftig mit dem Leiter des Mülheimer Stadtarchivs, Dr. Stefan Pätzold, austauschen. Ein Konzept dafür wird erstellt werden. Als Mülheimer Heimatmuseum soll das Haus nach Vorstellung des Fördervereins wieder erstehen. „Aber mit modernen Medien“, betont Markus Püll. „Wir haben hier ja nicht so viel Platz.“ Rund 68 Quadratmeter Fläche hat das Jahrhunderte alte Häuschen insgesamt bis zum Spitzboden. Doch einen Ausstellungsraum; eingerichtet wie zu der Zeit, als Gerhard Tersteegen in Mülheim lebte und wirkte, den hätten sie schon gern.
Mülheimer Heimatforscher wird gewürdigt
Der Mülheimer Heimatforscher Heinz Hohensee hat sich nicht nur mit Tersteegen und Kortum beschäftigt, war aktiv im Geschichtsverein und in der Bürgergesellschaft, sondern engagierte sich sehr bei den Führungen durch das Tersteegenhaus.
Heinz Hohensee ist im März 2017 mit 75 Jahren gestorben. Ihm zu Ehren soll ein Raum im neuen Tersteegenhaus später seinen Namen tragen, sagte Markus Püll vom Vorstand des Freundes- und Förderkreises Heimatmuseum Tersteegenhaus.
Hohensee hat 345 Gesangbücher aus aller Welt mit Texten von Gerhard Tersteegen besessen. Die Bücher befinden sich heute im Landeskirchenamt Düsseldorf. Zudem hat er „Blutbriefe“ Tersteegens gesammelt, sie lagern im Mülheimer Stadtarchiv.
Passanten und die Nachbarschaft registrieren, dass im Tersteegenhaus etwas passiert: „Endlich tut sich da mal was“, das hört Markus Püll jetzt oft. Denn schon vier Jahre ist es nun her, dass das alte Fachwerkhaus aufwendig gestützt werden muss, weil es als akut einsturzgefährdet galt. „Im Herbst soll endlich das Gerüst weg sein“, sagt Hansgeorg Schiemer, der als Schatzmeister des Fördervereins auch im Kopf hat „das Gerüst kostet jeden Tag viel Geld.“
Das Fachwerkhaus wurde um 1530 erbaut und ist seit 1935 im Besitz der Stadt
Dass es nun vorangeht, macht auch den Mitgliedern des Freundes- und Förderkreises wieder neuen Mut. Der Verein wurde vor zehn Jahren gegründet, als im Rahmen von Sparmaßnahmen erwogen wurde, das Tersteegenhaus zu schließen, was die Stadt 1935 aus Privatbesitz gekauft hatte.
1950 wurden die Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg beseitigt und das Tersteegenhaus als kleines Mülheimer Heimatmuseum eingerichtet. Übrigens: Die neueren Balken aus der Nachkriegszeit haben sich laut Markus Püll nicht so langlebig erwiesen wie einige aus dem Baujahr, um 1530.