Mülheim. Eine Untersuchung ergab, dass das Tersteegenhaus in der Mülheimer Altstadt viel älter ist als angenommen. Das macht es historisch wertvoller.
Das Tersteegenhaus in der Altstadt bietet einen traurigen Anblick: Es gilt als einsturzgefährdet und ist seit Anfang 2018 komplett eingerüstet. Eine aktuelle Untersuchung hat nun ergeben, dass das kleine Fachwerkhaus auf dem Kirchenhügel nachweislich viel älter ist, als stets angenommen wurde.
Es ist wohl eins der ältesten Gebäude Mülheims, das noch steht. Das macht das Denkmal historisch deutlich wertvoller, und es lässt vor allem hoffen, dass eine Sanierung mit Fördermitteln gestemmt werden kann.
So sah das Tersteegenhaus 1951 und 2016 aus
Für die Sanierung des Tersteegenhauses, nicht nur Wirkstätte des pietistischen Laientheologen Gerhard Tersteegen (1697 – 1769), sondern auch das kleine Heimatmuseum der Stadt, wurde Ende 2018 eine halbe Million Euro aus einem Denkmalschutzsonderprogramm des Bundes zugesagt. Eine stolze Summe, die aber bei weitem nicht ausreichen dürfte.
Altersbestimmung der Holzbalken
Um das Geld abrufen zu können, muss ein Sanierungskonzept vorgelegt und die Historie des Hauses einbezogen werden, berichtet Frank Buchwald, Leiter des Immobilienservice der Stadt. Eine Altersbestimmung der tragenden Holzbalken habe nun ergeben, dass das Holz in den Jahren 1529 und 1530 verbaut worden ist. Zuvor hieß es stets, das unter Denkmalschutz stehende Gebäude sei „Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts“ gebaut worden.
Bei der speziellen Altersbestimmung werden die Jahresringe untersucht und mit Vergleichsbalken aus Gebäuden, deren Bauzeit dokumentiert ist, abgeglichen. Buchwald: „Das ist wie der Fingerabdruck eines Holzbalkens.“ Man sei, so Buchwald, davon ausgegangen, dass das Tersteegenhaus „250 Jahre plus X“ alt ist. „In Wirklichkeit“, so Buchwald: „ist das Haus aber über 200 Jahre älter“.
Ursprüngliche Funktion des Tersteegenhauses ist unklar
Die Untersuchung des Tersteegenhauses habe ergeben, so Frank Buchwald, dass das Haus ursprünglich gar nicht so kleinteilig aufgeteilt war, wie es heute ist, dass die Räume größer waren und sich die Treppe ursprünglich auch anderswo befunden haben muss.
Doch ob das Haus damals als Wohnhaus oder für einen anderen Zweck errichtet worden ist, stehe noch nicht fest.
Umbauarbeiten nach dem Krieg
Wie es ausgesehen haben mag, als Tersteegen dort lebte und wirkte, wird man nicht mehr rekonstruieren können, so Buchwald. Fakt ist, dass das Haus, das nach dem Krieg ziemlich zerstört war, seit den Jahren 1948/1949 aus- und umgebaut wurde – natürlich nicht denkmalgerecht. Was von der ursprünglichen Altsubstanz noch vorhanden ist, wird aktuell untersucht. „Derzeit überlegen wir mit den Denkmalbehörden, wie das Sanierungskonzept am Ende aussehen soll“, sagt Buchwald. Auch, ob die Umbauten der 1950er Jahre zurückgebaut werden, ist noch nicht entschieden. „Wir müssen hier ganz neu denken und schreiben die Geschichte der Mülheimer Altstadt neu.“ Denn durch das höhere Alter des Gebäudes sei es nun historisch bedeutsamer als andere und stehe auf einer Stufe mit dem Kloster Saarn und den Schlössern in Styrum und Broich.
Wände wurden geöffnet und Balken freigelegt
Für die fachliche Untersuchung des Tersteegenhauses wurden Wände geöffnet und Holzbalken freigelegt. Schäden, wie etwa der Holzschwamm, wurde zutage gefördert, aber auch, dass die alte Substanz so schlecht gar nicht ist: „Man wird große Teile des Hauses erhalten und ersetzen können“, ist Frank Buchwald zuversichtlich. „Wir können“, so Buchwald, „das Gebäude so darstellen, wie es im 16. Jahrhundert erstellt worden ist.“ Es gibt bereits eine 3D-Animation dazu, die bei der Rekonstruktion helfen kann. Einfach sei das alles nicht: „Das ist eine Sisyphus-Arbeit, wie ein Puzzle mit 10.000 Teilen. Ich hoffe, dass wir Ende des Jahres schon mehr sagen können.“
Der Freundes- und Förderkreis des Tersteegenhaus sieht Licht am Ende des Tunnels, vor allem auch für mögliche neue Fördergelder: „Mich stimmt dies nach einigen Nackenschlägen wieder zuversichtlicher, dass wir zu einem positiven Abschluss kommen“, sagt der Ratsherr Markus Püll, der dem Verein vorsteht. Über die Kosten kann Frank Buchwald allerdings nur spekulieren. „Wer werden mit Sicherheit einen siebenstelligen Betrag benötigen. Günstig wird das nicht.“