Mülheim. Am Freitag soll Mülheims Stadtrat den städtebaulichen Wettbewerb zur Nachnutzung des Flughafen-Areals freigeben. Es gibt bereits erste Proteste.
Ohne Vorberatung im Planungsausschuss soll Mülheims Stadtrat an diesem Freitag den Weg freimachen für einen Planer-Wettbewerb zur Nachnutzung des 140 Hektar großen Flughafen-Areals. Dass eine Option zum Weiterbetrieb des Flughafens dabei gar keine Rolle spielt, provoziert bereits ersten Protest.
Maximal sieben Planungsbüros sollen an dem Wettbewerb teilnehmen können, der zum Auftrag hat, „ein neues innovatives Stadtquartier für rund 6000 Bewohner und 2000 Beschäftigte bei konsequentem Arten- und Freiraumschutz“ zu entwerfen. Höchste Ansprüche an Qualität und Nachhaltigkeit sollen dabei Maßstab sein. Das Stadtquartier soll Strahlkraft entfachen auf der Städteachse der A 52 von Düsseldorf über Mülheim nach Essen. Dafür sei „eine gewisse Größenordnung“ Voraussetzung, heißt es.
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Dabei orientiert sich der Auslobungstext an den gültigen politischen Beschlüssen, den „unwirtschaftlichen“ Flugbetrieb auf der Raadter Höhe 2034 einzustellen. Entworfen werden soll eine „durchgrünte“ Neubebauung mit einer Mischung aus Wohnangeboten sowie einem damit eng verwobenen, klimaneutralen Misch- und Gewerbegebiet für kleine und mittelständische Unternehmen, auch aus Zukunftsbranchen. Ausdrücklich sollen keine Logistikfirmen Platz finden. Der Neubau einer Luftschiff-Eventhalle ist ja bereits in Planung, ebenso der Neubau der Pitstop-Zentrale an der Brunshofstraße.
Neues Stadtquartier mit U- und Straßenbahnanschluss – und gar einer Seilbahn
Zur Wohnbebauung heißt es, dass neben Ein- und Zweifamilienhäusern im Schwerpunkt Geschosswohnungsbau (mit bis zu fünf Geschossen) anzustreben sei, mit Optionen etwa für Mehrgenerationenwohnen oder sozialen Wohnraum, auch für Baugruppen. Drei Zufahrten soll es geben: über die Zeppelinstraße, die Raadter Straße und die Straße „Am Treppchen“ (Höhe Messe-Parkplatz).
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Gefordert sind auch Entwürfe für eine starke ÖPNV-Anbindung. In den Planungsempfehlungen zum Wettbewerb heißt es dazu, dass das neue Stadtquartier von Mülheim aus über die Straßenbahn 112, von Essen aus über eine Verlängerung der U11 (Gruga) und/oder der U17 (Margarethenhöhe) und vom S-Bahnhof Kettwig aus gar über eine Seilbahn erschlossen werden könnte. Eine Schnellbuslinie nach Düsseldorf ist ins Spiel gebracht, dazu „Radpremiumrouten“ in die Stadtzentren von Essen, Mülheim und Düsseldorf (entlang der A 52). In seinen Wohnbereichen soll das neue Quartier Fahrradstraßen bekommen.
Planer sollen aufzeigen, dass urbane Entwicklung kein Widerspruch zu Ökologieschutz ist
Vier Gutachten fließen in den Wettbewerb ein: zur Entwässerung, zum Stadtklima, zur Mobilität und zur Wirtschaft. Insbesondere das von der Stadt Essen eingeholte Klimagutachten hatten für eine Überraschung gesorgt, sieht es im Gegensatz zu einem Gutachten von Bochumer Wissenschaftlern keine wesentlichen Negativwirkungen einer üppigen Bebauung auf dem Flughafen-Areal für die Kaltluftentstehung und die Frischluftzufuhr in das Rumbachtal und weiter in Randbereiche von Mülheims Innenstadt.
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Die teilnehmenden Planerbüros sollen nicht nur aufzeigen, dass „eine urbane Entwicklung der Fläche nicht zwangsläufig im Widerspruch zu einem klaren Landschaftsbekenntnis stehen muss“, in der auch ein Habitat etwa für Feldlerchen noch Raum hat und die angrenzenden Naturschutzgebiete Rumbach-, Forstbach- und Rossenbecktal nicht negativ beeinflusst werden.
Flughafen-Initiative befürchtet Zementierung des Ausstiegsbeschlusses
Um die Auswirkungen aufs Stadtklima möglichst gering zu halten, sollen die Planer auch eine Bebauung aufzeigen, die grüne Schneisen von mindestens 25 bis 50 Meter Breite beinhaltet, die nach den Hauptwindrichtungen ausgerichtet sind. Bauten sollen so angeordnet werden, dass es zu ausreichend Durchlüftung kommt. So soll die Lilienthalstraße an ihren Rändern unbebaut bleiben, um die Kaltluftentstehung dort zu sichern.
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Kritik am Entwurf zur Wettbewerbsauslobung äußert bereits die neu gegründete Bürgerinitiative „Wir bleiben Flughafen“. Sie stößt sich daran, dass der Wettbewerb nur Entwürfe einfordert für das Szenario, dass der Flughafenbetrieb 2034 komplett eingestellt wird. BI-Sprecher Christian Schäfer kritisiert auch, dass die entsprechende Verwaltungsvorlage nur kurz vor der Sitzung des Hauptausschusses am Freitag das Licht der Öffentlichkeit erreicht hat. „Durch die Kurzfristigkeit wird jede öffentliche Diskussion im Keim erstickt“, so Schäfer, der befürchtet, dass die Politik mit einer Zustimmung auch das Aus für den Flughafen endgültig besiegeln würde.
Mülheims Planungsamtschef: Wettbewerb ist keine Präjudiz gegen den Flugbetrieb
Bürgerforen im April und Juni geplant
Mit einer Landesförderung finanzieren die Städte Essen und Mülheim den Wettbewerb, der Ende März ausgelobt werden soll, um schon am 9. Juni einen Wettbewerbssieger zu küren.
Während des Wettbewerbs, aber auch direkt im Anschluss sind Bürgerforen geplant, die wegen Corona wohl digital daherkommen werden (14. April, 10. Juni).
Ende des Jahres sollen die Stadträte in Essen und Mülheim in die Lage versetzt sein, einen Masterplan zur künftigen Nutzung des Flughafen-Areals beschließen zu können.
Dem sei nicht so, entgegnet Mülheims Planungsamtschef Felix Blasch auf Anfrage dieser Redaktion. Für den Wettbewerb sei eine klare Aufgabe zu formulieren gewesen, um nachher auch einen Siegerentwurf küren zu können. „Das kann man nicht vermischen.“ Mit dem Wettbewerb sei indes noch keine Präjudiz gegeben für eine Aufgabe des Flughafens.
Die Ergebnisse des Wettbewerbs könne die Politik ebenso verwerfen wie sie den Ausstiegsbeschluss zum Flughafen wieder rückgängig machen könne. Wiederholt hatte sich zuletzt auch OB Marc Buchholz (CDU) dafür ausgesprochen, Perspektiven für ein Drehkreuz für Drohnen und Flugtaxis auf der Raadter Höhe im Blick zu halten.