Mülheim. Die Kitas bleiben geöffnet - als Notlösung mit verkürzten Betreuungszeiten. Wie Mülheimer Eltern und Erzieherinnen die Situation meistern.

So leer und ruhig wie in diesem Januar war es selten in den Mülheimer Kitas: Die 37 städtischen Einrichtungen waren am Mittwoch nur zu knapp 20 Prozent gefüllt. Vier Fünftel der Familien haben die Betreuung anders geregelt. Wie auch immer.

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Ähnlich ist das Bild in den 15 katholischen Kindertagesstätten: "Sie sind sehr, sehr wenig belegt", berichtet Marina Kiworra, Gebietsleiterin beim Kita-Zweckverband. In dreigruppigen Einrichtungen mit 70 Plätzen rannten nur zehn bis 20 kleine Mädchen und Jungen herum.

Der Lockdown wirkt, wenngleich alle Kindertagesstätten geöffnet bleiben. Dies wird auch ab der nächsten Woche gelten, hat die NRW-Landesregierung am Mittwoch verkündet. Allerdings wird der Betreuungsumfang für jedes Kind um zehn Wochenstunden gekürzt. Weiter gilt auch der eindringliche Appell, den Kita-Besuch auf "unverzichtbare" Fälle zu beschränken. In einem Elternbrief von Familienminister Joachim Stamp, der am 11. Dezember herausgegangen ist, bittet dieser: "Bringen Sie Ihre Kinder nur dann in die Betreuung, wenn es unbedingt nötig ist." Mülheimer Eltern beherzigen das offensichtlich.

Jugendamtsleiterin: "Sehr unschöne Situationen" im Frühjahr

Die Leiterin des Mülheimer Jugendamtes, Lydia Schallwig, hält die aktuelle, auf Freiwilligkeit beruhende Regelung für besser als die im ersten Lockdown. Im Frühjahr hatten nur Angehörige systemrelevanter Berufe und arbeitende Alleinerziehende einen Anspruch auf Notbetreuung. "Diskussionen, wer systemrelevant ist und wer nicht, liefen dann zwischen Eltern und Kita-Leitungen" - Lydia Schallwig erinnert sich an "sehr unschöne Situationen".

Die Erfahrung des Frühjahrs zeige aber auch: Je länger der Lockdown dauert, desto schwerer erträglich ist er für die Familien. "Was es diesmal tatsächlich abfedert, ist die Entscheidung, dass jedes Elte nteil für zehn zusätzliche Tage Kinderkrankengeld bekommen kann", so Schallwig. Auch ohne Erkrankung, allein für die Betreuung zu Hause.

Stadtelternrat möchte bei der freiwilligen Lösung bleiben

Auch der Mülheimer Stadtelternrat ist mit der Regelung, wie sie seit Mitte Dezember praktiziert wird, zufrieden. Vorsitzende Daniela Heimann findet: "Freiwilligkeit bei der Notbetreuung ist eine bessere Lösung als der Zugang über Berufsgruppen, weil so die Kinder selber im Fokus stehen." Alle Kinder, die Betreuung wirklich brauchen, bekommen sie, unabhängig vom Arbeitsplatz der Eltern. Heimann denkt etwa an Kinder aus belastenden Familienverhältnissen oder mit speziellem Förderbedarf.

Einen dringenden Wunsch an die Verwaltung hat der Stadtelternrat allerdings: dass nämlich die Elternbeiträge und das Essensgeld erstattet werden, wenn die Betreuung nicht genutzt wird. "Das würde die Freiwilligkeit noch unterstützen." Amtsleiterin Lydia Schallwig äußert sich vorsichtig: Über eine Aussetzung der Elternbeiträge, wie im Frühjahr, könne die Stadt Mülheim als Stärkungspakt-Kommune nicht autonom entscheiden. Hier müsse das Land den ersten Schritt gehen. Der NRW-Familienminister hat bei der Pressekonferenz am Mittwoch versprochen: "Ich werde mich dafür einsetzen." Er will mit den kommunalen Spitzenverbänden über die Elternbeiträge beraten.

Erzieherinnen planen das neue Jahr - mit großen Fragezeichen

Eine Mini-Kita ist das Evangelische Familienzentrum "Unter dem Regenbogen" in Winkhausen: eine einzige Gruppe mit 22 Kindern, zwei Erzieherinnen - eine dritte Kraft arbeitet derzeit nicht, weil sie zu einer Risikogruppe gehört. Nach zwei Wochen Weihnachtsferien ist es hier gerade wieder losgegangen: Bei einem Klausurtag im kleinsten Kreis sitzen Kita-Leiterin Heike Angenendt und eine Kollegin beisammen und planen das neue Jahr: Termine, Feiern... "Was davon letztlich stattfinden kann, wissen wir natürlich nicht", sagt Heike Angenendt.

Kritik an "schwammiger Formulierung" des Ministeriums

Vor den Ferien, Mitte Dezember, hätten sie "die Hütte noch sehr voll" gehabt, mit 16 anwesenden Kindern, obwohl auch da schon reine Notbetreuung galt. Dann blieben immer mehr Kinder zu Hause. Die Kita-Leiterin wünscht sich klarere Vorgaben der Landesregierung, fand den Dezember-Brief von Familienminister Joachim Stamp "schwammig formuliert". Weil nicht deutlich wurde: "Was bedeutet ,unbedingt nötige' Betreuung? Gehört schon ein Arztbesuch dazu? Mit so undeutlichen Vorhaben kommen wir als Kita schlecht klar."

Heike Angenendt und ihre Kollegin werden jedenfalls die Stellung halten, ob für zwei Kinder oder für 22, allerdings mit gemischten Gefühlen. "So langsam wird es einem mulmig", sagt die Erzieherin. "Privat darf man jetzt nur noch mit einer Person zusammenkommen, aber wir haben ganz engen Kontakt zu den Kindern."

Motto einer Mutter: "Bespaßen und überleben"

Schutz und Entlastung der Erzieherinnen ist durchaus etwas, dass auch viele Eltern im Hinterkopf haben. So erlebt es Daniela Heimann vom Stadtelternrat und ebenso Franziska Krumwiede-Steiner, von Beruf Lehrerin, im Ehrenamt Ratsfrau der Grünen und privat Mutter von zwei kleinen Mädchen. Die Sechsjährige und die Anderthalbjährige besuchen unterschiedliche Tageseinrichtungen - eigentlich. Momentan hat Krumwiede-Steiner noch Ferien und behält die Kinder zu Hause.

Wie sie es in der nächsten Woche handhabt, weiß sie noch nicht: "Ich möchte meine Kinder nicht unbedingt in die Kita bringen, wegen der Infektionslage." Die Größere musste schon zwei Mal in Quarantäne, und damit de facto die ganze Familie. Das Motto, nach dem Franziska Krumwiede-Steiner momentan verfährt, dürfte damit noch länger gelten: "Bespaßen und überleben."