Mülheim. . Stadtdirektor Frank Steinfort ist zum Mülheimer Gesicht der Corona-Krise geworden. Er leitet den Krisenstab und vertrat einen unpräsenten OB.
Frank Steinfort ist gerade in Thailand, als das Coronavirus zum ersten Mal in seinem Leben auftaucht. Auf dem Hotelzimmer liegt ein Zettel: Man solle sich Masken besorgen, das neuartige Sars-Cov-2 breite sich aus. In den Geschäften ist schon kein Mund-Nasen-Schutz mehr zu bekommen, auf dem Rückweg am Flughafen tragen die meisten Passagiere Masken. "Da dachte ich noch, das bleibt alles in Asien", sagt der Stadtdirektor. Doch nur wenige Wochen später kommt das Virus in Deutschland an - und Frank Steinfort beruft den Krisenstab ein.
Ischgl, Heinsberg, die ersten Infektionen in Mülheim Mitte März - plötzlich wird Covid-19 auch im Ruhrgebiet zum alles beherrschenden Thema und führt zu einer Krise, wie es sie in diesem Ausmaß in der Nachkriegszeit nicht gegeben hat. "Wir haben Krisensituationen geübt, Wasserverseuchung, Stromausfall, und haben uns gefragt, was passiert, wenn eine Krise mal zwei oder drei Wochen andauert", sagt Frank Steinfort. "Und nun läuft sie seit neun Monaten." Und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.
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Mülheimer Stadtdirektor Steinfort: Der dienstälteste Dezernent
Frank Steinfort ist der dienstälteste Dezernent der Stadt. 1999 ist er das erste Mal gewählt worden zum Stadtdirektor und Beigeordneten für Recht, öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie Personal. "Fast die Hälfte der Mülheimer Bevölkerung kennt gar keinen anderen Stadtdirektor", sagt er zu seiner über zwei Jahrzehnte andauernden Amtszeit. Er ist der einzige Mülheimer Dezernent mit einer eigenen Wikipedia-Seite - Marc Buchholz' Eintrag wurde erst wenige Tage vor seiner Wahl zum Oberbürgermeister erstellt. Bis zum Sommer 2023 ist Steinfort gewählt. Nach 24 Jahren als Beigeordneter will sich der 63-Jährige anschließend zur Ruhe setzen.
Steinfort, promovierter Jurist, ist für seine ruhige, unaufgeregte Art bekannt. In Ausschuss- und Ratssitzungen wirkt der CDU-Dezernent oft als vermittelnde Instanz auch über Parteigrenzen hinweg. "Ich hoffe, dass meine Autorität auf meiner Arbeit und nicht auf meinem Alter basiert", sagt er und fügt mit einem Lächeln hinzu: "Ich glaube schon, dass ich gut arbeite."
Ex-Oberbürgermeister Ulrich Scholten war in der Corona-Krise nicht präsent
Er habe keine Leichen im Keller, schätze die Menschen nach Charakter, nicht nach Hierarchie. So sei es auch im Krisenstab, zu dem neben dem Oberbürgermeister auch Vertreter von Gesundheitsamt, Feuerwehr, Ärzteschaft und Krankenhaus gehören. Auch Marc Buchholz unterwerfe sich "dem Reglement des Krisenstabs". In diesem Zirkel wüssten alle, dass sie geachtet werden und "dass ich ein anständiger Kerl bin".
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Als sich im März der Krisenstab bildet, fehlt ein wesentliches Mitglied: der Oberbürgermeister. Ulrich Scholten ist seit Oktober 2019 krankgeschrieben, nach einer Operation im Januar übernimmt er keine Termine mehr, taucht nicht mehr auf im Stadtgeschehen. Bei der Antwort auf die Frage, ob es die Arbeit erleichtert oder erschwert habe, dass es zu Beginn der Krise kein präsentes Stadtoberhaupt gab, zögert Frank Steinfort.
"Er hat sich immer nur für zwei Wochen krankschreiben lassen", schildert der Stadtdirektor die fehlende Planbarkeit. Während in den Nachbarstädten Oberbürgermeister und Gesundheitsdezernenten sich regelmäßig in Videos an die Bürger wenden, fehlt es in den ersten Wochen der Krise an Kommunikation nach außen. "Irgendwann haben wir gemerkt, er kommt nicht wieder", sagt Steinfort zu Scholten. "Dann verändert man seine Arbeit und es macht die Dinge einfacher."
Mülheimer Krisenstab: Arbeitsbelastung in einer kaum dagewesenen Qualität
Plötzlich hatte er eine zentrale Rolle, mit der er nicht gerechnet habe. Irgendwann hieß es: "Die Stadt müsse sich mit einem Gesicht und nicht nur mit Worten an die Bevölkerung wenden." Ende März veröffentlicht die Stadt erstmals ein Video mit dem Leiter des Krisenstabs. Eigentlich dränge er sich nicht in die erste Reihe. "Ich bin da eher defensiv, wollte nicht eitel sein", sagt er. "Aber man ist auf mich zugekommen und es hat mir eingeleuchtet, warum ich das machen soll."
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Bis heute ist er es, der sich neben dem im September gewählten Oberbürgermeister Buchholz regelmäßig mit Videobotschaften zur Corona-Krise zu Wort meldet, an die Bürger appelliert, sich an Regeln zu halten, aber auch durchzuhalten in dieser schwierigen Phase. Auch für die Mitglieder des Krisenstabs heißt es immer wieder: Durchhalten! Denn die Arbeitsbelastung hat eine kaum dagewesene Qualität. "Im öffentlichen Dienst hat man eine Arbeitsplatzgarantie. Wer nicht will, meldet sich krank. Aber hier meldet sich keiner krank", lobt Steinfort das Engagement seiner Kollegen. Und auch er selbst arbeite durch, oft sieben Tage die Woche. "Das ist grenzwertig für die Familie. Meine Frau hat mich nicht geheiratet, damit ich immer weg bin."
Steinfort: "Nach der ersten Januarhälfte wird es langsam besser"
Doch der Vater von zwei erwachsenen Söhnen blickt zuversichtlich in die Zukunft. "Wir haben die schlechteste Zeit hinter uns." Die Strukturen stehen, die Arbeitsabläufe sind eingespielt, nur bei den Impfungen ruckele es noch etwas. "Wir müssen die erste Januarhälfte überstehen, dann wird es langsam wieder besser." Vielleicht schafft es Steinfort dann auch wieder, mehr zu fechten. 2019 gehörte der passionierte Florettfechter zu den vier Deutschen in seiner Altersklasse, die zur Veteranen-Weltmeisterschaft nach Kairo fahren durften. Er erreichte den 20. Platz. "Immerhin, wenn man bedenkt, dass ich nur einmal die Woche trainieren kann", sagt er schmunzelnd.