Mülheim. Am Donnerstagabend hat Mülheims Stadtrat mit Stimmen von SPD, CDU und Grünen den Etat 2020 beschlossen. Wir dokumentieren hier die Etatreden.
Mülheims Stadtrat hat am Donnerstagabend mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen den Haushalt für das Jahr 2020 verabschiedet. Hier dokumentieren wir die die Etatreden der Fraktionschefs und des fraktionslosen Cevat Bicici (Wir aus Mülheim).
>>> Dieter Spliethoff, Fraktionsvorsitzender der SPD
„Normalerweise dient eine Etatrede auch dazu, mit einem Blick zurück das abgelaufene Jahr Revue passieren zu lassen und eine Wertung der wichtigsten politischen Ereignisse in unserer Stadt vorzunehmen. Dazu gäbe es angesichts der nach wie vor desaströsen Lage der Kommunalfinanzen auch reichlich Anlass. Fehlt doch vielen hier im Rat bis heute der Mut, unangenehme, aber unabdingbare Entscheidungen zu treffen und sie in der Öffentlichkeit zu vertreten. Als Beispiel sei hier die Diskussion um die Erhöhung der Grundsteuer B genannt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, erwarten Sie von mir dennoch an dieser Stelle keinen umfangreichen Rückblick auf das Geschehene, dazu fühlen sich andere in diesem Hause ja regelmäßig berufen. Sie lassen dabei allerdings ebenso regelmäßig eigene umsetzungsfähige Vorschläge zur Konsolidierung des Haushaltes vermissen.
„Lassen Sie uns daher besser den Blick nach vorn richten“
Ich stelle fest, dass die Ausgabenseite des Haushaltes nach jahrelangen Kürzungsrunden kaum noch Handlungsspielräume bietet. Das führt oftmals zum Streit um Kleinbeträge, die zwar den Haushalt nicht retten, jedoch bei allen Beteiligten erheblichen Frust aufkommen lässt. Lassen Sie uns daher besser den Blick nach vorn richten und unsere Anstrengungen auf Maßnahmen fokussieren, die die Einnahmeseite des Haushaltes stärken. Und zwar ohne weiter an der Steuerschraube zu drehen.
Auch interessant
Sehr geehrte Damen und Herren, niemand in diesem Haus wird bestreiten, dass Mülheim einen erheblichen Bedarf an Flächen für Wohnen und Gewerbe hat. Es ist daher von höchster Bedeutung für die Zukunft unserer Stadt, Grundstücke vor allem für die Ansiedlung von Unternehmen zu identifizieren und zu entwickeln.
Spliethoff mahnt Ausweisung von Gewerbeflächen an
Das aktuelle, von M&B beauftragte Gutachten zum Wirtschaftsflächenkonzept weist für Mülheim eines der niedrigsten Gewerbeflächenpotenziale im Ruhrgebietsvergleich auf. Der RVR hat jedoch einen Bedarf an Industrie- und Gewerbeflächen von rd. 88 ha festgestellt. Die Gutachter kommen zu dem Schluss, dass unsere Stadt vor dem Hintergrund der anhaltend hohe Nachfrage von ansiedlungs- oder expansionswilligen Unternehmen „praktisch nicht handlungsfähig“ ist.
Das hat zur Folge, dass sich Mülheim in den letzten Jahren von der wirtschaftlichen Dynamik vergleichbarer Städte in NRW quasi abgekoppelt hat. Dies ist ein wesentlicher Grund nicht nur für das unterproportionale Gewerbesteueraufkommen, sondern führte auch im Städtevergleich zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Transferleistungsempfängern.
Mülheim habe es sich in der Vergangenheit „scheinbar zu bequem gemacht“
Es scheint so, dass es sich Mülheim in den letzten Jahren im scheinbar kuscheligen Nest niedriger Arbeitslosenzahlen und hoher Wirtschaftsdynamik allzu bequem gemacht hat. Heute erkennen wir die Folgen dieser Haltung. Umso begrüßenswerter ist die Initiative des Wirtschaftsförderers Dr. Hendrik Dönnebrink und des Kämmerers Frank Mendack, die – zugegebenermaßen in robuster Tonlage – dafür gesorgt haben, dass die Stadtgesellschaft mehr und mehr aus ihrem Dämmerzustand erwacht. Und wir alle sollten wissen: Jeder Hektar zusätzlicher Gewerbefläche spült ca. 1 Mio. Euro zusätzlicher Gewerbesteuer in unsere klammen Kassen.
Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Erkenntnis müssen nun auch Taten folgen. Anhand folgender Beispiele zeige ich Ihnen auf, wo wir etwas in die richtige Richtung bewegen können:
• Kölner Straße/Selbeck – hier lassen sich bereits vorhandene Gewerbeflächen sinnvoll durch die Erschließung von 70 ha arrondieren
• Winkhausen/A 40 – 46 ha mit bester Anbindung an die Autobahn59
• Flughafen – das Wirtschaftsflächenkonzept weist insgesamt 52 ha Gewerbeflächenpotenzial aus.
Ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, insbesondere bei der Entwicklung des Geländes in Winkhausen über ihren Schatten zu springen und ihre im letzten Jahr ausgesprochene Weigerung, diese Fläche einer weiter Prüfung zu unterziehen, aufzugeben.
„Flughafenareal bietet große Chancen für einen Nutzungsmix“
Das Flughafenareal bietet große Chancen für einen Nutzungsmix, der auch für gering qualifizierte Menschen Arbeitsplätze schaffen kann. Eine Fokussierung auf die Logistikbranche kommt für uns jedoch nicht in Frage, denn sie ist bei ausgeprägtem Flächenbedarf in hohem Maße arbeitsplatzextensiv. Durch sinnvolle Architektur und städtebauliche Konzeption lassen sich ökologische Aspekte wie Kaltluftentstehung und -abfluss angemessen berücksichtigen.
Auch interessant
Auch für die Fortführung des Flugbetriebes und die Zukunft der Flugschulen sehen wir durchaus Perspektiven, wenn dadurch eine intensivere wirtschaftliche Nutzung des Geländes nicht beeinträchtigt wird. Grundsätzlich ist in diesem Fall die Anzahl der Starts und Landungen dauerhaft auf dem jetzigen Niveau zu deckeln. Auch ist zu diskutieren, ob die heutigen Nutzer die Betreibung des Flughafens und damit das wirtschaftliche Risiko vollständig übernehmen.
Spliethoff: Luftschiff „Theo“ ist identitätsstiftend und zu erhalten
Sehr geehrte Damen und Herren, bei allen Überlegungen zum Flugbetrieb will ich jedoch eines betonen: Einen Regionalflughafen Essen-Mülheim oder einen Flugbetrieb mit größeren Flugzeugmustern wird es mit uns nicht geben. Wir gehen davon aus, dass im Zuge des technischen Fortschritts der Flugbetrieb insgesamt deutlich leiser wird. Ignoriert werden darf aber auch nicht, welche Folgen eine vollständige Einstellung des Flugbetriebs auf die Anflugrouten des Großflughafens Düsseldorf haben könnte.
Ganz unabhängig von diesen Überlegungen sprechen wir uns an dieser Stelle für eine Zukunft des Luftschiffes „Theo“ aus. Es ist nicht nur wünschenswert, sondern auch möglich, dass diese für Mülheim identitätsstiftende und emotional in der Bevölkerung verankerte „Luftzigarre“ auch weiterhin brummend seine Kreise über unseren Köpfen ziehen wird.
SPD will für bezahlbaren Wohnraum eintreten
Sehr geehrte Damen und Herren, die beharrlichen politischen Initiativen der SPD-Fraktion, u.a. mit sechs themenbezogenen Anträgen seit 2015, haben am 23. Oktober zur Gründung des „Bündnis für Wohnen in Mülheim an der Ruhr“ geführt. Ich danke allen beteiligten Institutionen für den einstimmigen Gründungsbeschluss und freue mich über die Bereitschaft, aktiv an dem weiteren Prozess mitzuwirken.
Mein besonderer Respekt gilt dem Planungsdezernenten Peter Vermeulen dafür, dass er seine Einstellung gegenüber der Notwendigkeit zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums in unserer Stadt überdacht und geändert hat. Ich danke aber auch dem Beigeordneten Marc Buchholz für seine Unterstützung des Gründungsprozesses und seine Einschätzung, dass es sich hierbei um eine „historische Stunde für Mülheim“ handele.
Quotierung für sozialen Wohnungsbau verankern
Die Gründungsveranstaltung war ein gutes Zeichen für unsere Stadt. Unser Ziel muss sein, den öffentlich geförderten Wohnungsbau im gesamten Stadtgebiet zu stärken. Die von uns geforderte Quotierung von Sozialwohnungen bei größeren Bauprojekten ist dabei ein wichtiges Instrument, um Segregationstendenzen in einigen Stadtteilen entgegen zu wirken.
Bereits heute leistet der SWB hier Vorbildliches, wenn man auf die aktuellen Quartiersentwicklungsprojekte in Dümpten schaut. Auch der MWB hat angekündigt, bezahlbaren Wohnraum auf dem Lindgens-Gelände zu schaffen. Vom Planungsdezernenten erwarten wir jetzt, dass er – wie angekündigt – einen „rechtskonformen“ Vorschlag zur Umsetzung der Quotierung macht.
SPD will Trend zur wachsenden Kinderarmut bekämpfen
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ebenfalls angestoßen durch die SPD-Fraktion und unterstützt von einem breiten politischen Bündnis hat der Rat am 10. Oktober das „Handlungskonzept gegen die Folgen der Kinderarmut in Mülheim an der Ruhr“ beschlossen. An dieser Stelle danke ich allen an der Konzeption und Vorbereitung Beteiligten aus Politik und Verbänden. Mein Dank geht aber auch an die Kolleginnen und Kollegen des Rates, die dieses Konzept durch einen einstimmigen Beschluss auf den Weg gebracht haben.
Ich zitiere aus dem Beschlussvorschlag des interfraktionellen Antrags der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, CDU und SPD:
• Unabhängig von der sozialen und kulturellen Herkunft sollen allen Kindern und Jugendlichen positive Zukunftschancen eröffnet werden.
• Bildung und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sollen von Geburt bis zur Ausbildung gefördert werden – die dafür notwendigen Maßnahmen sollen bereitgestellt werden.
Spliethoff: Soziale Herkunft darf nicht Lebensweg vorherbestimmen
Die Erreichung dieser Ziele sollte in einer wohlhabenden Gesellschaft wie der unsrigen eine Selbstverständlichkeit sein. Allein – das zeigen diesbezügliche statistische Analysen – steigt das Armutsrisiko für die Kinder unserer Stadt mit überdurchschnittlicher Dynamik und damit einhergehend sinken die Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe.
Es darf nicht länger sein, dass die soziale Herkunft den Schulabschluss bestimmt und den angeborenen Platz in der Gesellschaft zementiert. Ich hoffe sehr, dass dem auf breiter Basis aufgestellten Start nunmehr ein kontinuierliches Handeln folgt, um das weitere Auseinanderklaffen der sozialen Schere zu stoppen und umzukehren.
OGS: Nachbesserungen beim Bildungsdezernenten eingefordert
Sehr geehrte Damen und Herren, wenn ich eingangs davon sprach, dass die Einsparmöglichkeiten im städtischen Haushalt nahezu ausgeschöpft sind, so gilt das im Grunde auch für die schulischen Betreuungsangebote im Rahmen der OGS. Die SPD-Fraktion bekennt sich weiterhin zu einer Sicherung der Betreuungsqualität. Für den andauernden Zielkonflikt zwischen Kostenoptimierung, steigenden pädagogischen Anforderungen und Mehrbelastungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen muss eine Lösung gefunden werden.
Wir erwarten hier vom Bildungsdezernenten einen höheren Grad an Substanz als den, der aus seiner Vorlage hervorgeht. Diese weist in ihrer jetzigen Form noch offene Fragen auf. Es ist zwar löblich, dass sich die Träger zu einem weiteren Konsolidierungsbeitrag bereit erklärt haben, aber wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass dieser nicht ohne Qualitätseinbußen zu bekommen ist.
Angebot an Ganztagsschulen soll gestärkt werden
Wenn ich jedoch an die soziale Schere denke, die ich soeben erwähnt habe, gibt es für mich keinen Zweifel an der Berechtigung des hohen Aufwandes, den wir uns trotz knapper Kassen leisten. Der positiven Wirkung gerade auch auf die Kinder, die wir mit dem Handlungskonzept Kinderarmut erreichen wollen, bin ich mir gewiss. Perspektivisch muss diese Maßnahme der Elementarbildung flankiert werden durch eine Stärkung und Ausweitung des Angebotes an Ganztagsschulen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der dickste Brocken für die Reduzierung der Aufwandsseite unseres Haushaltes ist der Öffentliche Personennahverkehr. Um es deutlich zu sagen: Die SPD-Fraktion bekennt sich zum bereits vom Rat beschlossenen Einsparungsziel von 7 Mio. Euro. Genauso deutlich betone ich hier aber auch, dass damit keine weiteren Qualitätseinbußen einhergehen dürfen. Ebenso fordere ich Verwaltung und Ruhrbahn dazu auf, endlich ein bedarfsgerechtes Leistungsangebot für die Nutzer zu schaffen, das deutlichere Anreize zum Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn bietet.
Effizienz in der Ruhrbahn-Verwaltung steigern
Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass dieses Angebot auch bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung in der Verwaltung unseres Nahverkehrsunternehmens zu erreichen ist. Das gemeinsame nahverkehrspolitische Grundsatzpapier von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen, welches Ihnen heute zur Beschlussfassung vorliegt, bietet eine sehr gute Grundlage, die oben genannten Ziele zu erreichen. Ich danke daher den Nahverkehrspolitikern der beteiligten Fraktionen, die es trotz teilweise massiver Kritik oder gar Anfeindungen aus Teilen der Öffentlichkeit in intensiven Beratungen geschafft haben, den „gordischen Knoten“ durchzuschlagen. Damit ist ein entscheidender Schritt für die Genehmigungsfähigkeit des Haushaltes 2020 getan.
Sehr geehrte Damen und Herren, zu Beginn meiner Rede habe ich darauf hingewiesen, dass uns der Blick zurück bei der Bewältigung der gewaltigen Herausforderungen, die noch bei der Konsolidierung der städtischen Finanzen vor uns liegen, nicht hilft. Dennoch komme ich nicht umhin, kurz auf den Bürgerentscheid zur VHS zurückzublicken.
VHS: Andere Fraktionen sollen Farbe bekennen
Die Fragestellung lautete: „Sollen VHS-Grundstück und -Gebäude in der Müga im Eigentum und Besitz der Stadt Mülheim an der Ruhr bleiben und der VHS-Betrieb dort wieder aufgenommen werden?“ Welcher Mülheimer Bürger, welche Mülheimer Bürgerin, so frage ich Sie, sollte ohne tiefere Kenntnis von Hintergründen und Konsequenzen hier nicht mit Überzeugung zustimmen können? Oder – um es anders zu formulieren – hier fehlte schlicht der im Arzneimittelgesetz geforderte Hinweis auf Risiken und Nebenwirkungen.
Auch interessant
Der Fall ist jedoch entschieden und die SPD akzeptiert selbstverständlich den Ausgang der Entscheidung. Ich fordere jedoch auch die „Pro-Bürgerentscheid-Koalition“ hier im Rat auf, bei der anstehenden Entscheidung über den Haushalt Farbe zu bekennen. Mit der Zustimmung zum Haushalt und zum Investitionsprogramm schaffen Sie letztendlich die finanziellen Voraussetzungen für die Sanierung des VHS-Gebäudes an der Bergstraße. Das sollten Sie bedenken, bevor Sie sich möglicherweise wie üblich in die Büsche schlagen wollen.
SPD will innovatives Nutzungskonzept für das VHS-Gebäude
Ich habe jedoch versprochen, meine Damen und Herren, den Blick nach vorne zu richten. Daher appelliere ich an beide Lager, nach der „argumentativen Verharkung“ der letzten Monate jetzt in der Causa „VHS“ das Beste für die Stadt anzustreben.
Der Bürgerentscheid ist 1:1 umzusetzen. Die SPD-Fraktion schlägt vor, zur Erarbeitung von Ideen für ein innovatives Nutzungskonzept auf den restlichen Gebäudeflächen von rd. 500-800 qm, die für die Wiederaufnahmen des VHS-Betriebes nicht mehr benötigt werden, die Expertise unabhängiger Fachleute einzuholen. Dieses kann im Rahmen von Workshops, Ideenwerkstätten oder ähnlicher geeigneter Formate erfolgen. Ich lade daher diejenigen in unserer Stadt, die hierzu einen Beitrag leisten wollen und über entsprechende Qualifikationen verfügen, dazu ein, sich aktiv in den Prozess einzumischen!
Haushalt: „Ein Silberstreif und kein Wetterleuchten“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluss meiner Rede danke ich allen Beteiligten für den konstruktiven Diskussionsprozess im Arbeitskreis Haushalt. Wir waren zwar nicht immer einer Meinung, der Umgang miteinander war jedoch immer von Fairness geprägt. Meine besonderer Dank gilt den Mitgliedern jener Fraktionen, die in Verantwortung für das Wohl der Stadt den Haushalt mittragen.
Nicht zuletzt bedanke ich mich bei unserem Kämmerer Frank Mendack und seinem gesamten Team für das hohe Engagement bei der Erstellung des Haushaltsplanentwurfes. Auch wenn wir finanziell noch längst nicht über den Berg sind, hast Du, lieber Frank, mit Deiner Beharrlichkeit und Deinem Verhandlungsgeschick entscheidend dazu beigetragen, dass das Licht am Haushaltshorizont ein Silberstreif und kein Wetterleuchten ist.
Es wird Sie daher wenig überraschen, wenn ich zum Schluss meiner Rede ankündige: Die SPD-Fraktion wird dem Haushalt 2020 zustimmen! Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit! Glück auf!“
>>> Christina Küsters, Fraktionsvorsitzende der CDU
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor gut zwei Monaten ist durch den Kämmerer der Haushaltsentwurf 2020 in den Rat der Stadt eingebracht worden. Dieser enthält, wenig überraschend, eine Gewerbesteuererhöhung. Dass wir vor einer Steuererhöhung - oder einer anderen, im Prinzip undenkbaren Maßnahme - stehen, passiert nicht zum ersten Mal. Oft genug sind in der Vergangenheit mit verschiedenen Mehrheiten kurzfristig alternative Austauschmaßnahmen zur Vermeidung von Erhöhungen oder Maßnahmen auf den Tisch gekommen.
Einiges ist nun aber anders: Mülheim an der Ruhr ist Stärkungspaktkommune und muss sich angesichts der dramatischen Verschuldung mit über 2 Milliarden Euro seiner Rolle im Stärkungspakt immer wieder bewusst werden. Schließlich bekommt die Stadt seit 2018 nur unter strengsten Auflagen und Bedingungen Entschuldungshilfen vom Land Nordrhein-Westfalen in Höhe von insgesamt 160 Millionen Euro. Als solche sind wir an das Stärkungspaktgesetz gebunden, nach welchem klar geregelt ist, dass einmal in den Haushaltssicherungsplan aufgenommene Maßnahmen auch umzusetzen sind!
Küsters: Alternativen zur Steuererhöhung nicht vorhanden
Über gegebenenfalls auftretende zusätzliche Einsparungen oder Mehreinnahmen freut sich die Bezirksregierung, eine Nichtumsetzung der ursprünglich geplanten Maßnahmen ist aber dennoch nicht möglich. Insoweit sind wir als Stadt Mülheim an der Ruhr grundsätzlich verpflichtet,alle im aufgestellten Haushaltssicherungsplan einmal angedachten Maßnahmen auch zu erfüllen. Zur Ehrlichkeit hinzu kommt allerdings auch, dass Alternativen, welche ad-hoc die in Rede stehende Summe in die Kasse spülen würden, derzeit auch nicht vorhanden sind.
Einige Überlegungen, Maßnahmen und Prüfaufträge sind auf dem Weg oder werden auf den Weg gegeben, aber ein kurzfristiger anderer Ausgleich für die fehlende Summe bei Streichung der Hebesatzanpassung ist derzeit nicht greifbar. Anders ist insoweit in diesem Jahr auch, dass es vor diesem Hintergrund keine Etatverhandlungen im eigentlichen Sinne gegeben hat.
Personal und ÖPNV: Küsters sieht zukunftsweisende Anstrengungen
Aber noch einiges ist anders als noch vor einigen Jahren: Wir sind den in den letzten beiden Jahren begonnenen Weg zur Abkehr der dramatischen Haushaltsverhältnisse ein ganzes Stück weitergegangen. Zur Umsetzung der im letzten Jahr angestoßenen, angedachten Personalkostenersparnis attestiert uns die Bezirksregierung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Hier wurde und wird sehr ernsthaft daran gearbeitet, die gesteckten Ziele zu erreichen.
Mit dem interfraktionellen Begleitantrag zum Thema ÖPNV zeigen die drei antragstellenden Fraktionen, dass sie sehr wohl gewillt sind, die hierangedachten Einsparungen und eingesetzten Summen auch zu verwirklichen. Sie haben aber auch gezeigt, dass sie den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt dabei nicht ein einseitig zulasten der Kundinnen und Kunden lediglich ein auf Angebotsreduzierungen setzendes Konzept zumuten wollen. Das jetzt vorliegende Papier ist mit viel Arbeit in mehreren Runden in einer guten und konstruktiven Atmosphäre zustande gekommen. Hierfür möchten wir uns sehr herzlich bedanken.
Küsters hofft auf Einsparmöglichkeiten im Sozialetat
Die von der Kommunalaufsicht in der letzten Genehmigungsverfügung für den Etat 2018 im Dezember 2018 gestellten Bedingungen werden mit dem heutigen Etat zusammen mit dem ÖPNV-Haushaltsbegleitantrag erfüllt. Wichtig ist allerdings, dass als Grundlage für eine solide Entscheidung über zukünftige Ausgestaltungen des ÖPNV zwingend aktuelle Fahrgastzahlen – und zwar umfassend und vollständig - vorliegen müssen. Diese haben wir in der Vergangenheit bereits häufig bei der Ruhrbahn angemahnt und diese sollten Grundlage aller weiteren Überlegungen und Entscheidungen sein.
Neu ist auch, dass darüber hinaus einige Bereiche und Fragestellungen aktuell der Prüfung - auch durch die GPA - unterliegen. Insbesondere werfe ich hier den Blick auf den Sozialetat unter unserem neuen Dezernenten Marc Buchholz. Auch aus diesen Prüfungen werden wir hoffentlich noch weitere Erkenntnisse und Einsparmöglichkeiten erhalten.
Küsters: Eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera
Eine neue, gute Nachricht ist zudem, dass ab 2020 die bisherigen jährlichen Solidarpakt-Zahlungen Mülheims, die noch für die Jahre 2017und 2018 eine Abführung von 4,1 Millionen Euro beziehungsweise 4,8 Millionen Euro sowie einen Etat-Ansatz 2019 in Höhe von 5,8 Millionen Euro zur Folge hatten, entfallen. Hier haben Bund und Land Wort gehalten und die zuletzt sehr umstrittenen Transferzahlungen der finanziell notleidenden NRW-Kommunen für den Solidarpakt Ost beendet. Hierdurch werden wir deutlich entlastet.
Einiges hat sich allerdings auch nicht geändert: Gleich bleibt, dass - wie auch im letzten Jahr - die heutige Entscheidung eine sprichwörtliche zwischen Pest und Cholera ist. Gleich bleibt, dass die Handlungsfreiheit, die wir bewahren, sich auf winzige Spielräume erstreckt und es schwer fällt, auch kleinste Summen zur Finanzierung guter Ideen bereitzustellen.
CDU beklagt Abstinenz des OB bei der Haushaltssanierung
Gleich bleibt, dass der Oberbürgermeister in den Haushaltsüberlegungen vor Ort nicht auftaucht und Gespräche mit der Bezirksregierung in Düsseldorf andere für ihn führen müssen. Gleich bleibt auch, dass uns als CDU-Fraktion nach wie vor Vieles viel zu langsam und schleppend geht, dass wir glauben, dass da noch viel „mehr“ drin sein muss und mehr als einmal sehr dicke Bretter in der Verwaltung zu bohren sind oder sich Fachbereiche scheinbar gegenseitig bei konsequenten und zügigen Umsetzungen behindern. Gleich bleibt, dass die Potenziale, wie etwa die Digitalisierung, noch vielmehr genutzt werden könnten und für uns trotz richtiger Erkenntnisse diesbezüglich dann die tatsächliche Umsetzung oftmals langsam und zögerlich erscheint.
Ebenso gleich bleibt, dass längst nicht alle unsere Probleme hausgemacht sind, sondern dass uns nach wie vor Aufgaben übertragen sind, die der Bund und das Land nicht im Rahmen der verfassungsrechtlich verankerten Konnexität komplett der Kommune erstatten. Weitere Entlastungsmaßnahmen müssen bundes- und landesseitig folgen. Dieses gilt insbesondere und nach wie vor bei den Kosten der Flüchtlingsunterkunft - dass wir hier auf immensen Kosten sitzen bleiben, wissen wir alle - aber auch zum Beispiel im Zuge der Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes oder beim neuerlichen Angehörigen-Entlastungsgesetz, beides inhaltlich voll zu begrüßen, bleiben leider Kosten bei der Kommune hängen. Und leider auch gleich bleibt, dass Düsseldorf ganz genau und mit einer aus länger vergangenen Entscheidungen resultierenden Skepsis ein Auge auf Mülheim an der Ruhr und die Mülheimer Kommunalpolitik wirft.
Schwarze Null macht der CDU Hoffnung
Neu ist, das wir zwar erstmals die Hoffnung haben, nach Jahren voller Defizite mit einem Plus abzuschließen - doch zur Wahrheit gehört auch,dass dieses nur mit Steuererhöhungen möglich war. Angesichts dieser Ausführungen könnte man es sich vielleicht auch leicht machen und den Haushalt mit brummendem Verweis auf die Dinge, die einem nicht 100-prozentig gefallen, einfach ablehnen. Dies gilt für meine Fraktion umso mehr, als dass die damalige Entscheidung für den Stärkungspakt und damit die Übertragung des bis dahin geltenden Haushaltssicherungskonzepts in einen nach Stärkungspakt verpflichtend umzusetzenden Haushaltssicherungsplan 2016 nicht mit unseren Stimmen zu Stande kam.
Fakt ist allerdings auch die Alternative, vor der wir stehen: Hier muss ich mich in großen Teilen im Hinblick auf meine Haushaltsrede aus dem vergangenen Jahr wiederholen - doch jeder Kollegin und jedem Kollege hier im Rat scheint diese noch immer nicht klar geworden zu sein. Eine Ablehnung der Hebesatzung und eine Ablehnung des Etats insgesamt würden dazu führen, dass kein Haushalt 2020 zu Stande käme.„Dann ist das eben so“, wird der eine oder andere sagen. Was dieses aber wirklich bedeutet, das will ich noch einmal sehr deutlichmachen:
„Ohne den Etat 2020 droht absoluter Stillstand“
- Die Verabschiedung des städtischen Etats 2020 ist die Voraussetzung für die immer noch ausstehende Genehmigung des Etats 2019 durch die Bezirksregierung Düsseldorf als Kommunalaufsicht.
- Der Haushalt ist grundlegende Voraussetzung für die Auszahlung der jährlichen Stärkungspaktmittel in Höhe von 31,7 Millionen Euro.
- Der beschlossene städtische Etat 2020 ermöglicht es überhaupt, parallel zu den Bemühungen zur Reduzierung des Schuldenberges Sanierungsmaßnahmen - vor allem auch im Bildungsbereich - im Rahmen der Investitionsplanung in einem Korridor von über 15 Millionen Euro durchzuführen. Ohne den Etat 2020 droht absoluter Stillstand!
- Ein Beschluss des Etats 2020 erhöht die Kreditwürdigkeit und Bonität dieser Stadt. Das hat bei den damit wesentlich besseren Zinskonditionen auch in der Niedrigzinsphase eine große Bedeutung. Zinsersparnisse in Millionenhöhe werden damit möglich.
- Er erhöht auch die Glaubwürdigkeit der Kommune vor der Kommunalaufsicht, die uns an der einen oder anderen Stelle entgegenkommen will und die Vertrauen in die hier handelnden Personen erst wieder zurückgewinnen muss; die mit einer „Lex Mülheim“ uns als Stärkungspaktkommune exklusiv gestattet, die seinerzeitige Grundsteuererhöhung wieder in Teilen zurücknehmen zu dürfen, wenn anderweitig Überschüsse erwirtschaftet werden.
Warnung vor dem Sparkommissar des Landes
Zu allererst aber: Ja, zu allererst aber würde dann, wenn der Haushalt nicht verabschiedet wird, durch die Landesregierung ein Beauftragter für den Haushalt in Mülheim an der Ruhr eingesetzt werden. Dieser wäre bekanntlich nicht beauftragt, dem Rat weitere Sparvorschläge zu unterbreiten und auch nicht beauftragt, sich Gedanken über weitere Sparvorschläge zu machen. Er würde anstelle des Rates Konsolidierungsmaßnahmen durchführen. Und dieses bedeutet, dies haben wir spätestens in der Diskussion im Rahmen der Haushaltsberatungen im vergangenen Jahr doch deutlich aus Düsseldorf gehört, nur eins: Steuererhöhungen!
Insoweit steht fest: Wenn der Rat der Stadt die Hebesatzung nicht entsprechend anpasst, dann wird es ein anderer für ihn tun! Ob dieses dann aber im heute vorgesehenen Rahmen erfolgt oder aber darüber hinaus ging, ist völlig ungewiss. Absolut vorstellbar ist womöglich auch, dass auch eine weitere Erhöhung der Grundsteuer B durch diesen - gegebenenfalls sogar zusätzlich -erfolgen würde, um etwa die Erreichung der letztjährig in der Maßnahme 144 eingesetzten Beträge vorsorglich noch einmal abzusichern. Noch im Oktober hat man entsprechende Vorschläge aus Düsseldorf gehört !Insoweit kann man sich theoretisch zurücklehnen und sagen „Dann ist das eben so“, „Dann haben nicht wir die Steuern erhöht, das war ja dann dieser Beauftragte“ oder auch „Die Arbeit können mal schön die anderen Fraktionen machen.“
Appell: Nicht auf der Besuchertribüne Platz nehmen und zusehen
Mit verantwortungsvoller Politik, liebe Kollegen und Kolleginnen, hat das allerdings rein gar nichts zu tun. Verantwortungsvoll handelt, wer sich mit viel Zeit und Mühe hinsetzt, Kompromisse beim ÖPNV erringt, Zeichen setzt, an die Bürgerschaft, an die Bezirksregierung, dass er es ernst meint, dass er mit an den drängenden Haushaltsfragen arbeiten möchte, dass WIR gemeinsam die finanzielle Lage Mülheims wieder auf den richtigen Weg bringen. Wir sind nicht dafür gewählt worden, um auf der Besuchertribüne Platz zu nehmen und zuzusehen, wie ein Fremder über unsere Stadt und das Leben der Bürger in unserer Stadt bestimmt. Dieses habe ich in meiner letzten Etatrede bereits deutlich gemacht, und es gilt auch in diesem Jahr.
Wir sind gewählt worden, um Verantwortung zu übernehmen, um Entscheidungen zu treffen! Wer aber Verantwortung übernehmen will, der muss manchmal wirklich schwer schleppen. Dieses tun die haushaltstragenden Fraktionen heute abermals. Und auch hier muss ich mich mit Blick auf die letztjährige Debatte wiederholen: Wer sich heute hier entscheidet, dass er den Haushalt 2020 nicht mittragen kann, der trifft damit auch eine Entscheidung. Er trifft die Entscheidung für die Einsetzung eines Beauftragten der Landesregierung! Er trifft damit die Entscheidung, unsere letzten Handlungsfreiheiten, unsere kommunale Selbstverwaltung aufzugeben!
Massive Kritik an Fraktionen, die den Etat nicht mittragen
Er trifft die Entscheidung, Steuererhöhungen zuzulassen und deren Art und Höhe in die Hände eines Anderen zu geben! Er trifft die Entscheidung, der Stadt den Weg zu Fördermöglichkeiten zu verbauen! Er verhindert die Auszahlung der Stärkungspaktmittel in Höhe von knapp 32 Millionen Euro per anno! Er verschlechtert massiv die Kreditwürdigkeit und Bonität dieser Stadt und verursacht damit erhebliche Mehrausgaben!Er erkennt die Bemühungen, die Arbeit und Ideen des interfraktionellen Arbeitskreises Haushalt, der Gemeindeprüfungsanstalt und auch der Bürgerschaft nicht an! Und er verhindert Sanierungsmaßnahmen und Investitionsplanung! Er sorgt für Stillstand! Ein beschlossener und genehmigter Haushalt ist Grundvoraussetzung für städtisches Handeln.
Und so kann ich die Fraktionen, die Ratsmitglieder nicht verstehen, die Jahr für Jahr andere diese Voraussetzungen für sich schaffen lassen. Natürlich muss man hierbei nicht alles mittragen. Aber wer Jahr für Jahr zeigt, dass er aus grundsätzlichen Erwägungen nicht gewillt ist, Verantwortung zu übernehmen und die Voraussetzungen für alle weiteren Entscheidungen in einem Haushaltsjahr zu übernehmen, der macht es sich verdammt leicht. Manchmal muss es jemanden geben, der auch unbequeme Entscheidungen trifft, der auswählt zwischen Pest und Cholera, der „verdammt schwer“ schleppen muss.
Küsters: Sich der Verantwortung als gewählte Ratsmitglieder stellen
Wer sich nur die „Kirschen“ heraussucht und den Bürgerinnen und Bürgern Versprechen macht, für die andere die Grundlagen legen sollen, der sollte sein Handeln ernsthaft überdenken. Wir alle wollen investieren, in Bildung, Sport, Kultur. Wir sollten uns dafür einsetzen, dass Mülheim an der Ruhr eine Stadt ist, in der man gerne lebt. Uns ist es in den vergangenen Jahren noch gelungen, trotz der verheerenden Haushaltslage, Investitionen zu tätigen. Wer nach Mülheim an der Ruhr kommt, der sieht spürbar noch einen Unterschied zu anderen Stärkungspaktkommunen. Und auch, wer das Votum des letzten Bürgerentscheides zum VHS-Standort ernst nimmt, dem müsste alles daran liegen, richtig und ehrlich mitzuarbeiten und einen Haushaltsbeschluss herbeizuführen.
Und so möchte ich noch einmal ausdrücklich appellieren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich der Verantwortung als gewählte Ratsmitglieder dieser Stadt zu stellen. Wir als CDU-Fraktion werden dieses tun und dem Haushalt zustimmen. Wir tun dieses, wieder, nicht nur mit zusammengebissenen Zähnen, sondern auch unter Zurückstellung unserer allergrößter Bedenken. Weil wir den Kopf irgendwie über Wasser halten wollen, weil wir handlungsfähig bleiben wollen, weil wir der Kommunalaufsicht zeigen wollen, dass wir Verantwortung übernehmen, dass man sich auf die Politik in dieser Stadt vielleicht doch verlassen kann und kein anderer für uns Entscheidungen treffen muss, der dann rein finanzielle Interessen als Priorität setzt und sonst nichts mehr.
Küsters: Erhöhung der Gewerbesteuer ist eine unserer roten Linien
Uns fällt dieses als CDU-Fraktion extrem schwer. Eine Erhöhung der Gewerbesteuer ist klar eine unserer roten Linien. Diese überschreiten wir heute, weil eine ebenso hohe oder höhere Anpassung der Hebesatzung nicht durch uns, sondern den Beauftragten der Landesregierung, der Wirtschaft ebenso wenig nützt. Gleiches gilt für eine Stadt, die völlig handlungsunfähig ist und in der Investitionen in Infrastrukturen nicht mehr möglich sind, in der kein Geld da ist, um Digitalisierung voranzutreiben und in der man sich über Flächenverbräuche überhaupt nicht mehr zu streiten braucht, weil sowieso kein Geld für Prüfungen oder Umsetzungen da wäre.
Dennoch bleibt es noch ein sehr weiter Weg, bis die katastrophale finanzielle Lage der Stadt vielleicht einmal überwunden ist. Unwägbarkeiten bleiben. Wie schnell durch Entscheidungen von außenoder Entwicklungen Löcher in dem mühsam zusammengestopften Haushalt entstehen können, haben wir alle in der Vergangenheit gesehen. Mit Blick auf die bereits angesprochene Niedrigzinsphase können wir alle für den Haushalt nur hoffen, dass diese weiter anhält. Denn bis wir tatsächlich bei echtem „Sparen“ angekommen sind, wir also von Vorhandenem einen Teil beiseite legen können, bis wir uns zu einem großen Teil entschuldet haben, wird noch viel Zeit vergehen
CDU will „echtes Umsteuern“ erreichen
Klar ist, dass wir weiter auf ein echtes Umsteuern und die weitere Einsparung von Kosten setzen. Die Bürgerinnen und Bürger nur immer weiter zu belasten, das wird es mit der CDU-Fraktion nicht geben. Das sage ich, wo wir gerade beim weiten Blick in die Zukunft sind, etwa hinsichtlich der Verabschiedung der Grundsteuerreform und der in den nächsten Jahren anstehenden konkreten Umsetzung.
Abschließend möchte ich mich bedanken: Ich bedanke mich im Namen der CDU-Fraktion bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung, die zum Haushaltsentwurf 2020 beigetragen haben und die uns für Fragen und Diskussionen zur Verfügung standen. Weiter bedanken möchten wir uns bei unserem Kämmerer, Frank Mendack.
Ausdrücklicher Dank für das Wirken des GPA-Präsidenten
Ebenso bedanken wir uns beim Präsidenten der Gemeindeprüfungsanstalt, Heinrich Böckelühr, der sich nun seit weit mehr als einem Jahr mit aller Kraft für unsere Stadt einsetzt, obwohl er es für Mülheim an der Ruhr nicht müsste. Dafür, dass er noch immer nicht die Lust an uns verloren hat und noch nicht nach der einen oder anderen Diskussion Reißaus genommen hat, sondern nicht nur an den Sitzungen des Arbeitskreises Haushalt teilnimmt, sondern auch weiter vielfältig in Gesprächen mit der Bezirksregierung ein gutes Wort für uns eingelegt und für uns und unsere Anliegen geworben hat. Er begleitet als verständnisvoller und fairer Partner der Stärkungspaktkommune Mülheim an der Ruhr den Konsolidierungskurs, weil er an eine verantwortungsvolle Politik in dieser Stadt glaubt.
Dieses gilt ebenso für Herrn Dirk Glasen, dem Teamleiter der Task Force Stärkungspakt und Organisationsberatung, der, nicht nur unsere Sitzungen, ebenfalls von Seiten der Gemeindeprüfungsanstalt begleitet hat. Nicht zuletzt möchten wir uns bei den Fraktionen bedanken, die den Haushalt 2020 heute mittragen und eine Verabschiedung damit möglich machen - Dafür, dass wir abermals gemeinsam Verantwortung für diese Stadt und die Bürger, die in ihr leben, übernehmen und dieses offen und konstruktiv tun.
Es erwarten uns - und den in einem Jahr zu wählenden Rat - weitere schwierige Diskussionen und noch ein sehr weiter Weg hin zu einer verbesserten Haushaltssituation insgesamt. Doch es lohnt sich! Für unsere wunderschöne und lebens– und liebenswerte Stadt Mülheim an der Ruhr. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“
>>> Jochen Hartmann, Fraktionsvorsitzender des BAMH
„Die Etatdebatte ist der politische Höhepunkt eines Jahres im Stadtrat. Was ist im abgelaufenen Jahr schlecht gelaufen, was war gut? Was muss sich ändern? Wie stehen OB und Verwaltungsvorstand da?
An der „Scholten-Affäre“ können wir nicht vorbeigehen. Diese Affäre legt sich wie Mehltau auf die Stadt. Ihren vorläufigen Höhepunkt fand sie im lobenswerten Versuch des SPD-Fraktionsvorsitzenden, den eigenen OB abzuwählen. Hier hätte meine Fraktion aus Verantwortung für unsere Stadt bereitgestanden. CDU, FDP und Grüne haben sich diesem notwendigen Akt der politischen Hygiene aus allein parteitaktischen Erwägungen verweigert. Selbst die ehemalige Ministerpräsidentin von NRW, Hannelore Kraft, hat doch laut Presse erkannt: „Politisch ist das alles nicht korrekt gewesen. Du hättest zurücktreten müssen.“
Hartmann: OB-Affäre bremst die Entwicklung der Stadt
Das alles bremst die Entwicklung unserer Stadt. Der Fairness halber aber muss man sagen: Scholten ist eine bedeutende, aber nicht die alleinige Ursache. Wie ist die Lage? Im Vergleich mit 71 Großstädte 2018 belegt Mülheim leider nahezu ausschließlich hintere und schlechte Plätze.
• Platz 57 für die Dynamik;
• Platz 68 bei der Entwicklung der Beschäftigung;
• Platz 70 bei der Arbeitsplatzversorgung;
• Platz 69 bei der Gewerbesteuer, die in diesem Etat noch einmal erhöht werden soll;
• Platz 70 bei der Grundsteuer B, die die Steuerhöhungsfraktionen aus SPD, CDU und Grünen nochmals auf unglaubliche 890 Punkte erhöht haben.
• Die pro Kopf-Verschuldung liegt deutlich über 10.000 Euro, der Durchschnitt in NRW bei nur rund 3.400,00 Euro, d.h. die Pro-Kopf-Verschuldung in Mülheim ist dreimal so hoch wie im Landesdurchschnitt.
In vielen Statistiken belege Mülheim nur die hinteren Plätze
Das ZDF hatte eine Deutschland-Studie mit 401 Kreisen und kreisfreien Städten durchgeführt. Auch dort belegt Mülheim mit Rang 369 einen hinteren Platz. Das muss uns doch allen zu denken geben. Stattdessen Stillstand und Leerlauf. Natürlich gibt es auch bundes – und landespolitische Entwicklungen. Aber da stehen CDU und SPD doch auch in Verantwortung. Das Konnexitätsprinzip steht oft genug nur auf dem Papier. Aber: Es ist die Aufgabe des OB, des Verwaltungsvorstandes und des Rates, zunächst einmal vor der eigenen Haustüre zu kehren.
Überall brummte bisher die Konjunktur. Selbst im Revier profitierten die Kommunen. Nur für Mülheim gilt das nicht. Mülheim ist auch hier das Schlusslicht im Ruhrgebiet. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wir müssen handeln. Das haben Dr. Dönnebrink und die Gutachter doch eindrucksvoll in der Stadthallen-Veranstaltung unter Beweis gestellt. Wir brauchen den finanzpolitischen Dreiklang: konsolidieren, modernisieren, investieren.
Nicht weiter nur „vertagen, schieben, Gutachten einholen“
Der Mülheimer Dreiklang von Rat und Verwaltungsvorstand lautet regelmäßig: vertagen, schieben, Gutachten einholen. Eines der größten Probleme in Mülheim sind die fehlenden Gewerbeflächen. Mit Ausnahme des Planungsdezernenten beeilen sich alle, dies zu bejahen. Aber sobald es ins Konkrete geht, greift bei den meisten Fraktionen Klientelinteresse um sich. Die BAMH-Fraktion dagegen hat allen Vorschlägen der Verwaltung – zum Teil mit Bauchgrimmen – zugestimmt, weil wir die Notwendigkeit sehen, Mülheim voranzubringen.
Mülheim braucht endlich zukunftsfähige Entfaltungsmöglichkeiten für unsere Wirtschaft. Wir brauchen ein wirtschafts – und investitionsfreundliches Klima in Mülheim. Nicht Fridays for future, sondern Everyday for economy! Nicht, weil wir uns als bloße Handlanger der Wirtschaft verstehen, sondern aus ureigenem Interesse für unsere Stadt und unsere Bürger. Unsere bilanziell überschuldete Stadt braucht dringend höhere Gewerbesteuereinnahmen – durch Innovation und nicht durch platte Steuererhöhung!
„Flughafen ist für Mülheim ein zukunftsstarkes Alleinstellungsmerkmal in der Region“
Dazu passt das Thema Mülheimer Flughafen: Wir haben hier die politische Initiative ergriffen. Dabei geht es nicht nur um „Theo“, der praktisch allen Mülheimern ans Herz gewachsen ist. Der Flughafen ist für Mülheim ein zukunftsstarkes Alleinstellungsmerkmal in der Region. Verkehrsmäßig gut erschlossen. Das Areal muss aus dem Dornröschenschlaf erlöst werden. Und das wollen wir mit unserer Initiative erreichen.
Dabei wollen wir Ökonomie und Ökologie versöhnen. Klar ist: Die wichtige Kaltluftschneise kann und muss erhalten bleiben. Aber im randständigen Bereich sind Entwicklungen möglich und notwendig. Dann hat der Flughafen die echte Chance, aus der Verlustzone zu kommen. Jedenfalls ist die Fläche viel zu schade für bloßen Wohnungsbau. Bisher hat Vermeulen hier nur den Muff der letzten Jahrzehnte perpetuiert. Wir brauchen aber frischen Wind für den Flughafen. Deshalb wollen wir, dass der Chef der Wirtschaftsförderung Dr. Dönnebrink uns ein nach vorne gerichtetes innovatives Konzept für den Flughafen vorstellt und nicht der Zukunftsvereiteler Vermeulen.
„Wo war der OB, als es um eine mögliche Olympiabeteiligung Mülheims ging?“
In diesem Zusammenhang: Wo war der OB, als es um eine mögliche Olympiabeteiligung Mülheims ging? Jedenfalls nicht zu sehen. 14 Städte wollen mitmachen. Mülheim ist nicht dabei. Schon vor zwei Jahren haben wir das Thema gebracht. Aktueller denn je könnte das Olympiamedienzentrum auf dem Flughafengelände sein. Verbunden wäre dies mit besten Kommunikationsanbindungen, auch für das sich dort entwickelnde Gewerbegebiet und den Flughafen.
Weiter: Ich erinnere nur daran, dass und wie alle Fraktionen Vermeulen den Masterplan „Gewerbe und Industrie“ um die Ohren geschlagen haben. Mit Vermeulen hat Mülheim keine Zukunft. Das zeigt auch das weitere wichtige Thema, nämlich die Stadtentwicklungsgesellschaft. Auch hier hat Vermeulen versagt. Wir warten bis heute darauf. Die Stadtentwicklungsgesellschaft mit Bürgerbeteiligung war auch ein Vorschlag der BAMH-Fraktion, der sich große Teile des Rates angeschlossen haben.
Hartmann: Innenstadt entwickelt sich weiter desaströs
Die Innenstadt entwickelt sich weiter desaströs. Nur ein Beispiel: Unabhängig davon, was man vom Stadtquartier hält. Das Gegenüber an der zentralen Straßenbahnhaltestelle macht nicht nur optisch einen entsetzlichen Eindruck. Es entwickelt sich vor allem in den Abendstunden zu einem Dreck – und Angstraum. Lesen Sie doch einfach mal die Beschwerden aus der Bürgerschaft! Von einer zukunftsweisenden Entwicklung an der unteren Schloßstraße ist wenig erkennbar. Und das Forum als weiterer Ankerpunkt hat auch mit erheblichen Leerständen zu kämpfen.
Die Wirtschaft will, aber man muss sie auch lassen. Im Kleinen und im Großen wird Sand gestreut. Beispiel: der Schweinebetrieb, der nachhaltige Viehwirtschaft betreiben wollte. Wir wollen doch alle gesunde Nahrungsmittel. Die Stadt aber sieht nur Probleme. Der richtige Ansatzpunkt wäre doch: Jetzt setzen wir uns mal zusammen und gucken, wie wir die Sache wuppen können. In weiten Teilen ist diese Verwaltung aber eine Verhinderungsverwaltung. Und das liegt vor allem an der Verwaltungsspitze und nicht an den Mitarbeitern.
Tengelmann: Hartmann sieht Versagen des OB
Ein weiteres Beispiel: Wie oft hat mein Fraktionskollege Frank Wagner im Rat gefragt, ob der OB schon mit Tengelmann gesprochen habe. Zuletzt hieß es dann: Vermeulen sei beauftragt, ein Gespräch mit Haub vorzubereiten. Auch hier liegt das Versagen des OB. So eine Sache kann und darf man nicht delegieren. Da muss der Chef ran. Es mag ja sein, dass auch Schranz und Kufen letztlich nichts erreicht hätten. Aber die beiden hätten jeden Abend bei Tengelmann auf der Matte gestanden. Unser OB aber badet, in Anlehnung an Herbert Wehner, gerne lau.
Gleiches gilt für den Teilweggang von Aldi-Süd nach Salzburg. Ein zugegebenermaßen kleiner Teil, aber mit großer Wirkung. In Oberhausen will sich der große Sportartikelhändler Decathlon niederlassen. Mehrere Städte haben Bedenken geäußert und sogar Klage erhoben. Ich habe im letzten Rat nachgefragt. Vermeulens Antwort: Man hat bei uns nicht nachgefragt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die Nachbarstadt Mülheim wurde nicht nachgefragt. Mülheim scheint in der Region mittlerweile ein Nullum zu sein. Auch dies eine klares Zeichen der mangelnden Akzeptanz des OB in der Region.
„Wir brauchen einen OB, der anpackt und nicht nur einsackt“
Und unabhängig davon stünde es dem obersten Wirtschaftsförderer der Stadt Scholten gut zu Gesicht, mal über den Tellerrand zu sehen und Entwicklungen in Nachbarstädten zu beobachten, insbesondere wenn sie – wie hier – für Teile der heimischen Wirtschaft zum Problem werden können. Wir brauchen einen OB, der anpackt und nicht nur einsackt, um das leidige Thema Nebentätigkeitseinnahmen wenigstens mit einem Satz zu erwähnen. Jeder kleine Beamte hätte ein Disziplinarverfahren bekommen. An „Teflon-Uli“ perlt alles ab.
Zum Schluss: Wenn die Lage ist wie beschrieben und ein finanzieller Spielraum nicht vorhanden ist, dann muss sich die Stadt folglich auf das Wesentliche beschränken. Dazu gehört das Theater an der Ruhr halt nicht. Ein Theater kann man sich leisten, wenn mal es sich leisten kann. Mülheim kann es nicht. Erst kommt die Pflicht und dann die Kür. Überall sitzt der Rotstift locker, wenn es zum Nachteil der Bürger ist. Nur das Theater scheint sakrosankt für die übergroße Kulturkoalition in Mülheim. In einer in Milliardenhöhe verschuldeten Stadt muss aber auch die Kultur ihren Sparbeitrag leisten.
Theater-Subvention „nicht verantwortbar“
Andere Städte machen es doch vor. In Hagen wurde der Zuschuss für das Theater um 1,5 Mio. Euro gekürzt. Nur in Mülheim ist das Theater scheinbar heilig, obwohl es ein elitäres Nischentheater ist. Die Zuschauerzahlen sowohl für Mülheim als auch für Gastspiele sind erheblich gefallen. Das muss doch auch dem letzten Stadtverordneten zu denken geben. Jedenfalls sind fast 3,5 Mio. Euro Subventionen nicht verantwortbar.
Ein anderes wichtiges Thema, die Digitalisierung der Verwaltung. Hier steht Mülheim ganz am Anfang, aber am Ende der Rankingliste. Beim aktuellen Smart City Ranking des Branchenverbandes Bitkom belegt Mülheim Platz 72 von 81. Mülheim erreicht nur 31 von 100 Punkten. Wir haben gefragt, ob es nicht Synergieeffekte mit anderen Städten geben könne – ein RuhrDigital-Plan etwa. Das wurde von der Verwaltung zurückgewiesen. Jeder sein eigenes Süppchen. Daran geht das Ruhrgebiet kaputt. Vom Online-Zugangs-Konzept und einer gemeinsamen Plattform hat man hier wohl noch nichts gehört. Überhaupt die IT. Hier ließe sich eine Menge sparen. Fragen Sie mal meinen Fraktionskollegen Dr. Fritz.
Hartmann: Kein zukunftsfähiges ÖPNV-System in Sicht
Weiter geht’s: Sie sind ja mit dem letzten Haushalt noch nicht klar. Der ÖPNV-Platzhalter ist immer noch nicht besetzt. Sie streiten sich um einzelne Haltestellen, statt ein zukunftsfähiges ÖPNV-System zu schaffen. Der ÖPNV muss kein Zuschussgeschäft sein, so eine Studie. Dazu muss auch der Wasserkopf Verwaltung verkleinert werden. Ein weiteres Stichwort wäre ÖPNV on demand. Aber auch hier gilt: Mutlosigkeit und laissez faire.
Und schließlich mit einem Wort: Das Desaster um die Holzhäuser für Flüchtlinge darf sich niemals wiederholen. Daher heißt es jetzt: Weg mit Schreck und vor allem weniger Plätze für die Zukunft vorhalten. Auch wenn im nächsten Jahr gewählt wird. Mülheim hat keine Zeit mehr zum Schieben. In Teilen ist es bereits 5 nach 12. Eigentlich darf es nur noch ein Motto geben: Aufräumen, zupacken, gestalten! Wir sind dazu bereit.“
>>> Tim Giesbert, Fraktionssprecher Bündnis’90/Die Grünen
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein zartes Pflänzchen bahnt sich vorsichtig der Sonne entgegen seinen Weg durch den grauen Asphalt. Noch ist es höchst gefährdet, ist wechselnden Einflüssen von außen ausgesetzt, kann jeden Moment zertreten werden. Aber es ist da und macht in der Einöde Hoffnung. Dieses Bild steht für die aktuelle Entwicklung im Mülheimer Haushalt.
Erstmals seit vielen, vielen Jahren keimt Zuversicht auf, in diesem Jahr die Stadt sowie ihre Bürgerinnen und Bürger nicht mit weiteren Schuldenaufnahmen belasten zu müssen. Während Mülheim 2014 noch ein Defizit von rund 113 Millionen Euro zu tragen hatte, 2016 85 Millionen, im Vorjahr noch 62 Millionen, sind wir diesjährig, so sieht es zumindest gerade aus, aus den roten Zahlen heraus, mit ein wenig Glück sogar im Plus.
Giesbert: Konstruktive Verantwortungs-Mehrheit in diesem Haus
Was sind nun die Ursachen dieser vorsichtig positiven Entwicklung. Die Antwort reduziert sich vor allem auf zwei Begründungen: Zum einen die trotz aller Anfeindungen aus den Populisten-Ecken des Ratssaales solide Haushaltspolitik der konstruktiven Verantwortungs-Mehrheit in diesem Haus. Dazu die allmählichen, aber steten Auswirkungen der Beteiligung Mülheims am Gemeindestärkungspakt NRW.
Wohlgemerkt: Ohne die vom Rat neu ausgewiesenen neuen HSP-Maßnahmen wären wir weiter im trostlosen Defizit. Überraschen kann das nicht, haben doch viele bereits vor uns an den ersten beiden Runden des Stärkungspaktes beteiligte Städte und Gemeinden in NRW gezeigt, dass es funktioniert. Dass besagtes Pflänzchen gefährdet ist und vielleicht doch nicht überlebt, liegt an den vielen Unwägbarkeiten, denen der kommunale Haushalt ausgesetzt ist.
Verletzung des Konnexitätsprinzips sei kein Kavaliersdeliktes
Zum einen die Berliner Ebene mit ihrem Hang, die Kommunen mit von ihnen nicht bestellten Wohltaten zu belasten, ohne sie durch eigene Finanzmittel komplett gegen zu finanzieren. Das reißt stets neue Lücken in den Gemeindehaushalten. Die jedes Jahr aufs Neue beklagte Verletzung des Konnexitätsprinzips scheint in Berlin den Status eines Kavaliersdeliktes zu haben. So sind die originären Belastungen des Mülheimer Haushalts durch die gemäß SGB VIII zur Verfügung zu stellenden Hilfen zur Erziehung seit 2014 um 50 Prozent gestiegen. Bedingt ist dies durch die zunehmende Verarmung und soziale Entwurzelung weiter Bevölkerungsschichten, die ausschließlich durch Maßnahmen des Bundes, aber keinesfalls der Kommunen bekämpft werden kann.
Ein weiteres Beispiel ist das Angehörigen-Entlastungsgesetz. Von seiner Intention her sicherlich zu begrüßen, wird es nur zu einem Teil von Berlin finanziert, den Rest haben die Kommunen zu tragen. Ein weiteres negatives Beispiel ist die Integrationspauschale. Fließen in diesem Jahr noch insgesamt 432 Millionen Euro nach NRW, werden es 2020 nur noch 151 Millionen sein. Die Landesregierung ihrerseits scheint nicht mehr gewillt, diese Mittel nach unten weiterzuleiten – die Städte und Gemeinden werden mit der Riesenaufgabe der Integration Geflüchteter alleine gelassen.
Giesbert mahnt auskömmliche Finanzierung der Kommunen an
Weiterhin fehlt eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen für die Unterbringung und Versorgung Geflüchteter im Verfahren und für Geduldete. Der NRW-Städtetag beklagt zu Recht, dass gerade einmal 30 Prozent der Kosten für den Lebensunterhalt der Flüchtlinge vom Land finanziert werden. Letztlich ähnelt kommunale Finanzpolitik von ihren Rahmenbedingungen her gesehen einer Nussschale, die auf offenem Meer treibt und die der Unbill des jeweiligen Wetters ausgesetzt ist.
Das sind auf der Einnahmeseite Faktoren wie die Konjunkturentwicklung, deren Abschwung mittelfristig bei Gewerbe, Einkommens- und Umsatzsteuer über Direkteinnahmen und Schlüsselzuweisungen empfindliche Lücken in die städtischen Haushalte reißen kann. Auf der Ausgabenseite ist etwa die Tarifentwicklung bei den städtischen Beschäftigten eine nie genau vorher einzukalkulierende Variable. Letztlich kommt die allgemeine Zinsentwicklung hinzu. Alle Anwesenden in diesem Saal sollten inständig hoffen, dass die neue Chefin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde die Niedrigzinspolitik ihres Vorgängers Mario Draghi fortsetzt, auch wenn es im privaten Bereich als Sparerin oder Sparer noch so schwerfällt. Angesicht des Mülheimer Schuldenstandes wäre alles andere eine Katastrophe.
Grüne hoffen auf einen Altschuldenfonds
Doch selbst wenn dieses Horrorszenario vorerst nicht eintreten sollte, lasten die enorm hohen Schulden wie ein Damoklesschwert auf den Finanzen der Stadt. Ein Ausweg wäre ein Altschuldenfonds, der den Kommunen sowohl Zinssicherheit gewährleistet als auch über 30 Jahre eine dauerhafte Tilgung der sogenannten unechten kommunalen Liquiditätskredite vorsieht. Der kommunale Anteil wäre dabei auf die jeweilige Zins-Ersparnis beschränkt. Der Fonds böte eine langfristige Entschuldungsperspektive.
Leider wurde ein entsprechender Antrag der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen durch die schwarzgelbe Mehrheit ausgebremst. Dass Oberbürgermeister Ulrich Scholten und Kämmerer Frank Mendack eher auf eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft setzen, weil damit auf Dauer höhere finanzielle Spielräume der Stadt einhergehen, sei ihnen unbenommen. Für uns als Mülheimer Grüne wäre eine weitgehende Entschuldung wegen der Gefahren der Zinsentwicklung mindestens ebenso wichtig. Letztlich aber bleibt festzustellen, dass die Wünsche der Herren Scholten, Mendack, Giesbert und anderer in Berlin wenig gelten und wir aus Mülheimer Sicht froh über eine Entlastung jedweder Art wären.
Giesbert fordert „Solidarfonds kommunale Finanznot“
Erwähnung finden soll auch das – Verzeihung – erfreuliche Ableben des Solidarfonds Ost, in den die Stadt Mülheim in den vergangenen 27 Jahren die stolze Summe von 181 Millionen Euro einzahlte. Besser noch wäre seine Auferstehung als „Solidarfonds kommunale Finanznot“ mit Ausrichtung auf Bedürftigkeit statt nach Himmelsrichtung.
Zurück zur aktuellen Situation in Mülheim. Wir standen vor der Herausforderung, einen Millionenbetrag bei der Mülheimer Ruhrbahn einzusparen, um die Beteiligung der Stadt am Stärkungspakt NRW weiter möglich zu machen. Dies unter der Vorgabe, die Effizienz der eingesetzten Gelder zu steigern, nicht der Qualität des Angebotes förderliche Ausgaben zu vermeiden und intelligente als auch innovative Neuansätze zu entwickeln. Das war das von Ruhrbahn entwickelte Konzept Netz 23 sicherlich nicht, verharrte es doch auf überholtem Denken und setzte nahezu ausschließlich auf platte Angebotsreduzierungen.
„Der Mülheimer ÖPNV muss effizienter und intelligenter werden“
Auch wenn die vereinigte Populisten-Gemeinde aus BAMH, MBI und den Splittern auf der Linken aus durchsichtigen Interessen heraus dies anders behauptete: Es war ein Papier der Ruhrbahn und keines von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU. Demzufolge war die Rückgabe der schlecht gelösten Aufgabe an die Autorin eine höchst logische Folgerung. Weil wir uns nicht noch einmal einzig auf die Ruhrbahn verlassen wollten, setzten sich die ÖPNV-Experten aus SPD, CDU und Grünen zusammen. Das sehr vorzeigbare Ergebnis ihrer Arbeit liegt nun in Form des hier eingebrachten gemeinsamen Antrags zur weiteren Prüfung durch die Ruhrbahn vor.
Die Vorgaben wie Entflechtung von Parallelverkehren, Busse als Zubringer zu Straßenbahnen, die nachfrageorientierte Überprüfung der Linienführungen und Endhaltepunkte, Mehreinnahmen durch Angebots-Attraktivierung und die Reduzierung zu hoher Verwaltungskosten weisen in eine gute Richtung. Der Mülheimer ÖPNV muss effizienter und intelligenter werden, um die eingesetzten öffentlichen Gelder zu rechtfertigen.
Grüne: Ruhrbahn muss jetzt liefern
Was uns als Grüne freut, ist das Bekenntnis zu Straßenbahnen als Beförderungsmittel auf den zentralen Achsen. Der von den Herren Dönnebrink und Bonan entfachte Spuk einer vollständigen Abschaffung der Trams ist damit vom Tisch. Um dies alles machbar zu machen, bedarf es solider Daten und Zahlengerüste – bisher bei der Ruhrbahn leider die Ausnahme. Deshalb umfasst der Antrag die Erhebung aktueller und linienscharfer Fahrgastzahlen. Im Zeitalter heraufziehender künstlicher Intelligenz sollte das der Ruhrbahn doch möglich sein.
Abgerundet wird die Antragsinitiative durch Vorgaben wie die Einbeziehung aller relevanten Akteure bei der Angebotsplanung wie etwa Fahrgastverbände und Nachbarstädte, die Erreichbarkeit des Stadtzentrums möglichst binnen 20 Minuten für alle als auch die Forderung nach pünktlichen Ankunftszeiten, unvermüllten Fahrzeugen und persönlicher Sicherheit für die Fahrgäste. Weil die konkrete Umsetzung erst im Jahre 2021 erfolgen muss, bleibt genug Zeit zum Prüfen und zum Drehen an den Stellschrauben. An dieser Stelle herzlichen Dank an alle Beteiligten, die in ehrenamtlicher Funktion dieses gelungene Gemeinschaftswerk entwarfen. Ich darf hier noch einmal versichern, dass wir Grüne einen effizienteren ÖPNV wollen, aber einem Kahlschlag im Angebot niemals zustimmen werden.
Giesbert: Hohe Gewerbesteuer schreckt Investoren nicht ab
Komplementär zur ÖPNV-Debatte galt es, die 2013 von SPD und CDU für den Etat 2020 beschlossene Erhöhung der Gewerbesteuer von 550 % auf 580 % umzusetzen. Für die mit der Bezirksregierung vereinbarte Entspannung der Finanzsituation ist das eine unverzichtbare Voraussetzung. Wie bei der Grundsteuer macht das niemand gerne, doch wir kommen leider nicht daran vorbei. Die Mär allerdings, dass ein hoher Gewerbesteuersatz Unternehmen davon abschreckt, sich in Mülheim anzusiedeln, ist schon mehrfach widerlegt.
Hat nicht in der Debatte um Gewerbeflächen unser ehemaliger Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier ein ums andere Mal wiederholt, dass es nicht an Interessenten, sondern an Gewerbearealen mangelt? Noch ein Wort zum viel beschworenen Gewerbesteuer-Paradies Monheim. Dieses Steuer-Dumping kann nur so lange erfolgreich sein, bis andere nachziehen. Würden sich alle anderen Kommunen den niedrigen Steuersätzen dieser Kleinstadt anpassen, wäre es mit der Monheimer Herrlichkeit schnell vorbei, aber die Ebbe in den Kassen aller Beteiligten umso dramatischer.
Kritik an „Großangriff auf das Mülheimer Grün“
Einen anderen Ansatz pflegt der kommissarische Wirtschaftsförderer Dr. Dönnebrink. Um die Einnahmen durch Gewerbesteuern zu erhöhen, legte er mit seinem Wirtschaftsflächen-Konzept einen Entwurf vor, der bei aller Notwendigkeit von Gewerbeflächen einen Großangriff auf das Mülheimer Grün und daraus resultierend das Stadtklima ist. Intendiert ist die Versiegelung stadtklimatisch bedeutender Grünareale wie am Auberg, in Winkhausen, in Fulerum und in Selbeck. Auch für das jetzige Flugplatz-Areal weist Herr Dönnebrink Gewerbeflächen aus und kommt sich dabei selbst ins Gehege, will er doch andererseits eine Fortführung des dortigen Flugbetriebs über 2020 hinaus.
Um diese Eingriffe zu rechtfertigen, entwirft das Konzept ein Schreckensszenario die wirtschaftlichen Rahmendaten der Stadt betreffend, das einer realen Überprüfung nicht im Entferntesten standhält. Da wird im Vergleich der Jahre 2016 und 2018 ein Gewerbesteuereinbruch beklagt, der in erster Linie auf die mit der Aldi-Erweiterung verbundenen Mindereinnahmen zurückzuführen ist. Wenn Mülheim bei der Ist-Analyse hinsichtlich der Empfänger von sozialen Mindestleistungen mit Potsdam und Kassel statt mit Bochum oder Gelsenkirchen verglichen wird, ergibt dies naturgemäß ein schiefes Bild. Faktoren wie der hohe Altersdurchschnitt in Mülheim hinsichtlich der Zahl der Erwerbstätigen und die Bodenbevorratungspolitik manch heimischen Unternehmens – Stichwort Nutzung von Bodenflächen – werden bewusst oder unbewusst außen vor gelassen.
Grüne wollen „schwerwiegende Eingriffe im Außenbereich“ nicht mittragen
Dass Mülheim im Vergleich zu Landkreisen wie Wesel oder Unna beziehungsweise Großstädten wie Dortmund oder Duisburg bei den in Hektar angegebenen verfügbaren Gewerbeflächenpotenzialen nicht mithalten kann, ist eine Allerweltsweisheit, derer es dieses Konzept nicht bedarf. Gipfelpunkt ist, dass jene Areale, die der Rat im Juli 2018 zur Gewerbeflächennutzung freigab, gar nicht erst einberechnet werden.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal klarstellen, dass Bündnis 90/Die Grünen dieses Zurück in die Sechziger- und Siebziger-Jahre angesichts der sich zusehends stärker bemerkbar machenden Klimakatastrophe keinesfalls mitmachen werden. Solange in Mülheim in hohem Maße Gewerbeflächen brachliegen, kann sich Herr Dönnebrink unseres vehementen Widerstandes gegen solch schwerwiegende Eingriffe im Außenbereich sicher sein.
Giesbert: Einsparungen im Personalhaushalt der Not geschuldet
Lassen Sie mich noch ein Wort zu den ab 2022 geplanten Einsparungen im Personalbereich in Höhe von sechs Millionen Euro sagen. Auch dies ist der finanziellen Notsituation geschuldet. Das ist nichts Gutes und trifft nicht nur die von Arbeitsverdichtung betroffen städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern letztlich auch die Bürgerinnen und Bürger, lässt doch die Intensität des städtischen Serviceangebotes daraus resultieren nach.
Unser Dank gilt dem städtischen Personalrat, der konstruktiv und realitätsbezogen das Ohr nahe an den Kolleginnen und Kollegen gemeinsam mit der Personalverwaltung an sozialverträglichen Lösungen arbeitet. Danken wollen wir auch den vielen städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die engagiert und zielstrebig ihrer Arbeit nachgehen.
Im Sozialbereich keine Geldverschwendung tolerieren
Bezogen auf den Sozialetat sind wir gespannt auf die Ergebnisse, die dessen Überprüfung durch den Beigeordneten Marc Buchholz erbringen. Maxime muss sein, auch in diesem sensiblen Bereich keine Geldverschwendung zu tolerieren und stattdessen die Gelder zielgerichtet und effektiv einzusetzen. Gerade angesichts durch die Zahl von 30 Prozent aller Kinder im Transferbezug dokumentierter großer sozialer Not ist das umso wichtiger.
Nicht angetastet werden darf nach unserer Ansicht die gewachsene Sozialstruktur in unserer Stadt. Gleiches gilt für den Bildungsbereich, womit wir beim Thema VHS sind. Wegen des Ergebnisses beim VHS-Entscheid muss nun das Bergstraßen-Gebäude um jeden Preis saniert werden. Die Folge ist, dass dringliche Sanierungsprojekte in Sachen Schulen und Schwimmbäder auf die lange Bank geschoben werden müssen. Darunter leiden werden Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und all jene Kinder, die Schwimmen lernen wollen und müssen. Welche das sind, wird noch zu klären sein.
VHS: Verantwortung liege bei anderen Fraktionen
Auch wenn wir das Ergebnis des Bürgerentscheides respektieren, liegt es doch an Gruppierungen wie MBI, BAMH, WIR und BfB, nun Farbe zu bekennen und deutlich zu machen, an welcher Stelle Maßnahmen zu Gunsten der Bergstraße verschoben werden. Nach allen Erfahrungen wird es aber nicht dazu kommen. Auch wenn Populisten von rechts wie die BAMH und jene von links wie WIR und BfB als auch jene um des Populismus selbst Willen existierenden MBI manches trennt, sind sie sich doch in einem einig. Wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen, sind diese Formationen – wie die vorgeblich bürgernahen BAMH und BfB durch keinerlei Wählervotum legitimiert - schneller auf den Bäumen als jedes Eichhörnchen.
Ich kann Ihnen aber versichern, Herr Reinhardt, Herr Hartmann und Herr Zimmermann, dass wir Sie zum Schwur treiben werden. Wenn Sie ernsthaft daran interessiert wären, die VHS zu sanieren, würden Sie heute einen Haushalt verabschieden, denn ohne ihn ist eine Sanierung der VHS unmöglich.
Lob für die Fleißarbeit der „Sparfüchse“
Was die Sparvorschläge der sich so nennenden Sparfüchse angeht, hat sich gezeigt, dass nur ein verschwindend kleiner Teil davon letztlich realitätstauglich ist. Es wäre auch erstaunlich, wenn statt der sich über Jahre hinweg mit der Materie intensiv befassenden Politik, Kommunalwissenschaft und Verwaltung einige wenige Neulinge im Thema den Stein der Weisen entdecken würden. Wenn auch in den Einzelforderungen bisweilen höchst unglücklich formuliert, erkennen wir dies als Fleißarbeit an. Immerhin haben die Aktivisten sich mit der Thematik befasst und Vorschläge gemacht.
Dies kann man von MBI, BAMH, WIR und BfB wahrlich nicht behaupten. Von ihnen kamen wie gewohnt keinerlei Impulse. Erst heute wachen sie auf und tönen lauthals, welch große Fehler die konstruktive Seite des Hauses doch mache.
„Müllheim ist noch lange nicht über den Berg“
Fazit: Müllheim ist noch lange nicht über den Berg. Die immensen Schulden samt der damit verbunden Zinszahlungen belasten weiterhin den Haushalt. Ohne zielgerichtete Hilfe von außen gemäß des Mottos „Nicht kleckern, sondern klotzen“ wird das nichts.
Letztlich bleibt mir noch ein Dank an jene Fraktionen, die aus Verantwortungsbewusstsein diesen Haushalt, dem Bündnis 90/Die Grünen zustimmen werden, mittragen. Ebenso gilt unser Dank Herrn Kämmerer Frank Mendack sowie seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns eine stete und immer wieder ansprechbare Hilfe waren.
Einen dramatischen Appell, den vorliegenden Haushalt mitzutragen, erspare ich mir. Von SPD und CDU wissen wir um deren Zustimmung. Bei MBI, BAMH und Co. ist hingegen schon lange vor Einbringung des Haushalts klar, dass sie ihn – wie immer er auch aussehen mag - ablehnen, welche Argumente auch immer kommen. Uns allen noch einen guten weiteren Verlauf der Debatte.“
>>> Birgit Felderhoff und Hasan Tuncer, Bündnis für Bildung
Eine Bemerkung vorweg: Der Ältestenrat - also die Vertreter aller hier vertretenden Fraktionen - hat gestern beschlossen, dass wir von unserem Recht, als Fraktion mit einer Redezeit von 10 Minuten und einem Sprecher, kein Gebrauch machen dürfen. Uns vier Stadtverordneten - mir, Andreas Marquardt, Hasan Tuncer und Lutz Zimmermann - wurde eine Redezeit von je 5 Minuten zugestanden. Also 20 Minuten insgesamt.
Dies stößt bei uns auf völliges Unverständnis. Wir vier arbeiten nun fast ein Jahr zusammen und haben die Fraktion „Bündnis für Bildung - interkulturell sozial fair -“ gegründet und auf die Hälfte unserer zugedachten Redezeit verzichtet, um auch in dieser Ratssitzung zügig zu Ergebnissen zu kommen. Gut, wir werden die Redezeit von fünf Minuten für jeden Sprecher respektieren. Aber: Haben wir hier nichts Besseres zu tun, als uns gegenseitig „Beinchen“ zu stellen? Ich dachte, aus dem Alter sind wir raus!
Kritik am deutschen Steuersystem
Wo wir hier in Mülheim noch sparen können oder müssen, werden die anderen Redner hinreichend erklären. Wir möchten mehr den Blick darauf richten, wie wir Mülheimer die uns durch Landes- und Bundesgesetze aufgebürdeten Aufgaben durch mehr Landes- und Bundesmittel bewältigen können. Es bringt die überschuldeten Kommunen kein Stück weiter, wenn CDU, SPD, Grüne und FDP im Bund und Land Gesetze beschließen, ohne die entsprechenden Gelder den Kommunen zur Verfügung zu stellen oder auf Landesebene hier in NRW Bundesmittel einfach nicht an die Kommunen weiterleiten.
Wir wollen einmal auf grundsätzliche Unterschiede eingehen, um aufzuzeigen, dass Bund und Länder bei Gleichbehandlung der Bürger wesentlich mehr finanzielle Mittel zur Verteilung an die Kommunen hätten, als sie es jetzt haben. Nehmen wir die Steuer auf Einkommen: Bei Einkommen aus Arbeit nennt man sie Einkommensteuer, bei Einkommen aus Kapitalvermögen - Zinsen, auch aus Dividenden oder stillen Beteiligungen - nennt man sie Abgeltungssteuer oder auch Kapitalertragssteuer. Der Unterschied ist nur, dass ein Lediger über einem Jahresarbeitseinkommen von 55.000 Euro gleich 42 Prozent Steuern zahlt, bei Einkommen aus Kapitalvermögen, also auch Zinsen, bei 25 Prozent Schluss ist. Warum werden nicht alle Einkommensarten - die aus Beschäftigungsverhältnissen und aus Kapitalvermögen - gleich behandelt?
Bündnis fordert, Steuerschlupflöcher zu beseitigen
Der Bund hätte bei Gleichbehandlung mehr Verteilungsmasse - auch an die Kommunen - zur Verfügung. Kaufe ich als Privatperson eine Immobilie, werden Grunderwerbssteuern fällig. Das sind je nach Bundesland zwischen 3,5 Prozent - zum Beispiel Bayern - und 6,5 Prozent - wie hier in NRW. Bei einer Immobilie von 1 Mio Euro werden in Bayern 35.000 Euro fällig, in NRW 65.000 Euro. Und an dieser Steuer partizipieren über ein Umlageverfahren die Kommunen. Je höher das Aufkommen, umso besser für die Kommunen.
Nun gibt es aber einen ganz legalen Trick, andere nennen es Steuerschlupfloch, diese Steuer zu umgehen. Investoren kaufen nicht das Grundstück mit Gebäude, sondern die Anteilsmehrheit, nicht aber mehr als 94,9 Prozent der Gesellschaft, der das Grundstück mit Gebäude gehört. Diese Gesellschaft wird oft erst eigens für den Kauf einer solchen Immobilie gegründet. Kein Wunder, dass den hessische Finanzminister Thomas Schäfer - CDU - dieses Steuerschlupfloch wegen der Wolkenkratzer in Frankfurt ärgert. Ihm zufolge entgehen dem Fiskus jährlich 1 Milliarde Euro. Auch daran wären die Kommunen beteiligt! Berlin - Stadt und Land zugleich - musste auf 396.000 Euro beim Verkauf des Sony-Centers am Potsdamer Platz für 66 Millionen Euro an einen kanadischen Fonds verzichten.
Zahlen Innenstadt-Investoren keine Grunderwerbssteuer?
Sie erinnern sich noch an die Paradise-Papers? Den Veröffentlichungen aus 2017 zu Steuerhinterziehungen, Steuervermeidung und Briefkastengesellschaften? Da war doch auch von den Share-Deal-Aktivitäten insbesondere in Berlin die Rede. Und war es nicht Norbert Walter-Borjans, der die Steuer-CD’s kaufte, um die Steuerhinterzieher zur Kasse zu bitten? Warum hat sich der NRW-Finanzminister und SPD-Politiker nicht für das Schließen des Steuerschlupfloches stark gemacht? Er möchte ja nun SPD-Vorsitzender werden. Aber warum schließt die GroKo in Berlin dieses Schlupfloch, das den Kommunen schadet, nicht?
Als ich hier in Mülheim nachfragte, ob die Innenstadtinvestoren Grunderwerbsteuern gezahlt hätten, verwies man auf das Steuergeheimnis. Nun, Herr Mendack, Sie hätten, wenn auch nichtöffentlich, ja darüber Auskunft geben können, ob Privatpersonen oder Gesellschaften die Handelnden laut Grundbuch waren.
Bündnis beklagt Schröpfen heimischer Betriebe und von Bürgern
Ach, noch so etwas. Sie kennen das, oder haben schon einmal davon gehört: Als Einzelunternehmer oder Geschäftsführer einer GmbH zahlen sie für sich oder der Gesellschaft Steuern, wenn sie Gewinne machen. Sie alle kennen Möbelhäuser oder Cafés hier in Mülheim. Sie alle müssen ihre Gewinne hier versteuern. Das tut Mülheim gut! Nicht so Starbucks, die amerikanische Coffee-Shop-Kette, das „schwedische Möbelhaus“ Ikea und andere bekannte Firmen. Weisen sie Gewinne aus, werden diese ganz legal zu den ausländischen Muttergesellschaften verschoben. Warum werden Firmengewinne nicht hier in Deutschland versteuert? Auch zugunsten der Kommunen? Quellensteuer nach Schweizer-Modell nennt man dieses Instrument! Wie gesagt, es sind nicht nur Starbucks und Ikea!
Es gibt aber auch andere Methoden, einseitig einer bestimmten Gruppe Gelder abzuknöpfen: Seit 2004 müssen Empfänger von Betriebsrenten oder Direktversicherungen doppelte Krankenversicherungsbeiträge zahlen! „Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ heißt die Grundlage, wonach bis zu 20 Prozent des Auszahlungsbetrags an die Krankenversicherung abgeführt werden müssen. So bleiben aus einer betrieblichen Altersversorgung von 50.000 Euro nur etwas mehr als 40.000 Euro übrig. Nicht nur, dass die Empfänger „ihren“ Beitrag zahlen müssen, sondern auch noch den Arbeitgeberanteil. Und das auch noch, wenn für ihre Eigenleistung während der Beitragszahlung bereits Krankenversicherungsbeiträge angefallen sind. Der „Verein Direktversicherungsgeschädigte“ spricht von 15 Millionen Betriebsrenten. Nach Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit sind es seit 2004 rund 40 Milliarden Euro. So viel würde auch eine Rückabwicklung des Gesetzes kosten. Beiträge, die einfach mal so per Gesetz von den Beziehern einbehalten wurden. Gesundheitsminister Jens Spahn wollte ab 2020 die Beiträge halbieren, doch Bundeskanzlerin Angela Merkel bremste. Sie wird mit dem Satz zitiert, die Entlastung sei kostspielig und habe keine Priorität.
„Den überschuldeten Städten die Last der Altschulden nehmen“
Es gibt aber auch Methoden, einseitig einer bestimmten Gruppe steuerliche Vorteile einzuräumen. Können Sie sich noch an die Bundestagswahl 2009 erinnern? Auf Drängen der FDP beschloss das neue Bundeskabinett den Weg für eine milliardenschwere Steuerentlastung des Hotelgewerbes ab Januar 2010 freizumachen. Der Mehrwertsteuersatz für Übernachtungen sank von 19 auf 7 Prozent. Später ruderte der damalige FDP-Generalsekretär Christian Lindner, den kennen Sie sicherlich noch, zurück. Im Rahmen einer Mehrwertsteuerreform, so Lindner, sollte die beschlossene Begünstigung wieder abgeschafft werden. Sie wissen: Die Sektsteuer wurde zu Finanzierung der kaiserlichen Flotte eingeführt. Auch die Sektsteuer gibt es noch heute.
Es ist bei den zahlreichen Steuerschlupflöchern und Ausnahmen in Deutschland nur konsequent, den überschuldeten Städten die Last der Altschulden zu nehmen. Unser Oberbürgermeister ist Sprecher des Aktionsbündnis: Raus aus den Schulden - Für die Würde unserer Städte. Er und wir hoffen, dass nach den letzten Signalen aus Berlin jetzt eine Lösung kommt und dass das nicht nur Versprechen im Vorfeld der Kommunalwahl 2020 hier in NRW war. Und, Herr Scholten, sollten Sie nach Finanzierungsmöglichkeiten gefragt werden: Sie wissen, wo Sie diese Rede finden.
Tuncer: Ein Etat, bei dem die Bürger nicht mitgenommen werden
Zum Schluss doch noch ein Wort zum Etat: So wie hier in Mülheim mit den Bürgern umgegangen wird - nicht mitgenommen, nicht eingebunden werden - darf man nicht mehr umgehen. Jüngste Beispiele,
- wie zur VHS-Problematik, wo Schulen, Sport- und Freizeiteinrichtung gegen das Gebäude in der Müga positioniert wurden,
- wie zum Friedhofsentwicklungskonzept, wo einfach die bürgerschaftsfreundlichen Konzepte anderer Städte erst überhaupt keine Rolle spielten, dann doch übernommen wurden, aber zwischenzeitlich verärgerte Bürger alleine ließ,
- wie zum ÖPNV-Plan, der Millionen-Einsparungen erbringen sollte, der aber so desaströs kommuniziert wurde, dass die Verfasser nach massiven Protesten ihn selbst wieder kassierten.
Die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden. Nein, einem so aufgestellten Etat können wir unsere Zustimmung nicht geben. Wir, das „Bündnis für Bildung - interkulturell sozial fair -“ sagen zu diesem Etat: Nein!
Noch eine Anmerkung zum Schluss: Wir haben unsere Redezeit von 10 Minuten eingehalten. Mein Fraktionskollege Lutz Zimmermann kann von seinem Rederecht kein Gebrauch machen, da er sich wegen einer Knieoperation, die nicht ganz so planmäßig verlief, noch in Thüringen aufhält. Aber er, unser Fraktionsvorsitzender Lutz Zimmermann, hat diese Rede für uns geschrieben.“
>>> Lothar Reinhard, Fraktionssprecher der MBI
„Leider notwendiges Vorwort: Wieder nur per Tischvorlage soll der Rat heute einen zentralen Punkt des letzten, logischerweise nicht genehmigten Etats für 2019 konkretisieren, nämlich ein ÖPNV-Netz auf Grundlage des Kenia-Beschlusses von Dezember 18, jährlich 7 Mio. beim ÖPNV einzusparen. Eine Zumutung und zudem völlig unseriös und perspektivlos.
Der Antrag von SPD/CDU/Grünen „Vorlage V 19/0809-01 – hier: Haushaltssanierungsplan 2020ff.“ ging bei mir heute Morgen um 7.56 Uhr als Mail in meinem privaten Mail-Konto ein. Er enthält auf vier Seiten nichts Substanzielles außer einer Fülle allgemeinem Wischi-Waschi oder unausgegorenen Absichtserklärungen als Prüfaufträge an die Verwaltung. Das gipfelt im letzten Satz der „Allgemeinen Vorgaben“, wo steht: „In der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Mobilität am 19. November 2019 legt die Verwaltung einen Zeitplan vor, bis wann die folgenden Prüfaufträge abgearbeitet und der Politik zur weiteren Beratung vorgelegt sein werden.“
ÖPNV: Kritik an den „Kenia-Koalitionären“
Warum die Vorberatung im Ausschuss nun nachgelagert wird, ist bereits bedenklich, von der fehlenden Bürgerbeteiligung ganz zu schweigen. Die Kenia-Koalitionäre hatten seit Juni Zeit, als der erste Versuch einer ÖPNV-Schrumpfkur kläglich scheitern musste, noch bevor darüber beraten werden konnte. Und nun legten sie außer der wenig sinnvollen Abkappung der Linie 901 an der Hochschule und einer teuren und sehr schwierigen Verlängerung der U 18 bis dorthin, nichts, aber auch gar nichts vor, was seit 2011 nicht bereits in den bisherigen fünf Millionen Euro teuren Gutachten schon alles bereits in epischer Prosa lang und breit vorgelegen hätte, um danach in den Ablagen zu verschwinden.
Auch die um 10.30 Uhr dazu eingebrachten BAMH-Vorschläge gehören in den Mobilitätsausschuss. Kurzum: Da der ÖPNV-Punkt zentral für den Etat ist, kann auf diesen Grundlagen heute der Gesamtetat nicht wirklich verabschiedet werden, will man das Ganze nicht zur völligen Farce werden lassen.
Reinhard: Mülheim braucht eine Katastrophenhilfe
Mülheim ist ein Notfall und bezüglich der heillosen Überschuldung muss eine Art „Katastrophenhilfe“ her. Mittel- und längerfristig aber hilft nur der Abbau der Kirchturmspolitik zur nachhaltigeren Sanierung! Frage ist wie jedes Jahr, ob mit einer Etatverabschiedung heute wirklich ein auf Dauer ausgeglichener Haushalt bewirkt werden kann. Unabhängig von den indiskutablen und finanziell kontraproduktiven Absichten, Straßen- und U-Bahnnetz in Zeiten überfälliger Verkehrswende noch weiter zu verstümmeln, können wir erneut nicht erkennen, dass bei diesem Etat nachhaltig in die Sanierung des vor die Wand gefahrenen Mülheimer Haushalts eingestiegen werden wird, egal was die bisher häufig nur wegschauende Finanzaufsicht dazu sagt.
Bei der Haushaltsmisere unserer Stadt ist es bildlich gesprochen bereits „5 nach 12“ und da ist es logischerweise nicht wirklich möglich, Vorschläge zu machen, wie man kurzfristig wieder zumindest auf „5 vor 12“ kommt. Über viele Jahre haben die MBI auf Fehlentwicklungen und deren Ursachen hingewiesen und eindringlich vor dem absehbaren Absturz gewarnt. Die MBI trafen aber nur auf taube Ohren in Mülheim und zugedrückte Augen in Düsseldorf. Kein Mülheimer Kämmerer, keine Finanz“aufsicht“ beim RP hat bisher aus der unerlaubten sogar bilanziellen Überschuldung die dringend erforderlichen strukturellen Änderungen auch nur angedacht. Bisher höchstens sinnlose, aus der Zeit gefallene Kürzungsarien auch noch in Konfrontation mit den Nachbarstädten wie beim ÖPNV oder aber „kreative“ Buchführung auf dem Papier, um den RP zur Genehmigung zu bekommen, was anscheinend bisher immer ausreichte.
MBI: Land muss deutlich aktiver in Mülheim eingreifen
Auch deshalb steht das Land NRW, das bekanntlich für seine Kommunen haftet, für die MBI genauso als Verursacher des Desasters fest und muss dementsprechend auch bedeutend aktiver eingreifen. Ob dies besser über einen Sparkommissar geschieht oder durch andere Maßnahmen, sei erst einmal dahingestellt. Unsere eigentlich reiche Stadt hat neben der bilanziellen Überschuldung in Zukunft noch viele Fehlentwicklungen der Vergangenheit abzuzahlen wie die irrwitzig hohen Vorleistungen für Ruhrbania und die hohen Folgekosten für die PPP-Abenteuer. Zusätzlich hat Mülheim viel zu viele ausgegliederte und teilprivatisierte Gesellschaften, vornehmlich der Daseinsvorsorge, die außerhalb des Kernhaushalts agieren, hat, ist, hat, ist, hat, ist, hat…
Die Mülheimer Ratsmehrheit hat letztes Jahr eine völlig unverhältnismäßige Grundsteuererhöhung beschlossen, fantasie- und perspektivlos sowie höchst unsozial. Dieses Jahr wird nun auch die Gewerbesteuer erhöht, in Zeiten aufkeimender Wirtschaftsflaute das Gegenteil von antizyklisch und gefährliches Gift für Wirtschaft und Stadt. Doch, wie steht auf S. 33 des Vorberichts zum Etatentwurf 2020: „Eine hohe Steuerquote spricht für eine größere Unabhängigkeit von staatlichen Transferleistungen im Wege des Finanzausgleichs und ist insofern positiv zu werten“. Na denn, da freut sich aber der durchschnittliche Mülheimer Bürger über eine solch „positive“ Nachricht bei 890 % Hebesatz Grundsteuer und 580 % Gewerbesteuer, oder?
MBI werfen Kämmerer unseriöse Planung vor
Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit waren früher die obersten Maximen für seriöse Etatplanung öffentlicher Finanzen. Doch Haushaltswahrheit scheint in Mülheim aus der Mode gekommen? Für 2018 hatte der Kämmerer z.B. noch über 124 Mio. Euro Gewerbesteuer eingeplant, wovon 45,5 Mio. aber nicht eingingen, also 36,6 % weniger – und das, obwohl bereits 2017 von den geplanten 115 Mio. Gewerbesteuereinnahmen nur 93 Mio. real erzielt werden konnten. Warum dennoch auch ohne Erhöhung des Hebesatzes für 2018 sogar noch eine um 10 Mio. erhöhte Einnahme im Etat 2018 eingeplant worden war, hat mit Seriösität wenig zu tun.
Ungeachtet all dessen wurde für 2019 wieder mit 110 Mio. geplant, so dass der Kämmerer schon wieder einen Einnahmeeinbruch beklagt, der aber nur darauf beruht, dass fiktiv überhöhte Planwerte angesetzt wurden, nur damit das „Gesamtkunstwerk“ Etat auf dem Papier und für den RP besser aussah. Für 2020 werden nun wieder 109 Mio. Gewerbesteuereinnahmen erwartet, was sich danach jährlich steigern soll bis auf 130 Mio. in 2023.
Zweifel an der Gewerbeflächen-Rechnung des Wirtschaftsförderers
Wenn nun Kämmerer und BHM-Chef vorgeben, mit der Ausweisung neuer Gewerbeflächen würde das große Delta zwischen Wunsch und Wirklichkeit sich irgendwann in Luft auflösen, so ist das bewusste Irreführung und egal, wie sinnvoll neue Flächenausweisungen sein mögen oder nicht, das darf kein Mittel sein, um ansonsten unseriöse Haushaltsplanung zu rechtfertigen. Bereits in 2008, 2009 und 2010 hatten die MBI diese unseriöse Trickserei des Kämmerer-Vorgängers mit fiktiv überhöhten Gewerbesteuereinnahmen heftig kritisiert, hat damals aber niemanden interessiert, auch nicht die Finanzaufsicht!
Und so wurde Mülheim laut Bertelsmann-Studie die Großstadt mit dem höchsten Verschuldungstempo in ganz Deutschland, eben auch wegen der überaus „kreativen“ Buchführung. Wir stehen heute vor dem gleichen Dilemma wie letztes Jahr und wie im Jahr davor, dass eigentlich bis Ende November ein genehmigungsfähiger Etat beschlossen werden müsste, damit die über 30 Mio. aus dem Stärkungspakt vom Land überhaupt an die Stadt gezahlt werden dürften.
MBI erneuern ihre heftige Kritik an der Finanzaufsicht
Vor zwei Jahren begründete der RP seine nachträgliche Genehmigung als Quasi-Weihnachtsgeschenk damit, dass der im Dezember beschlossene Etat 2018 Sanierungsperspektiven eröffnet hätte. War trotz 31 Mio. Stärkungspakt nur eine Luftnummer, weil dennoch wieder ein Haushaltsloch von 62 Mio. produziert wurde, satte 40 Mio. mehr als vorgesehen. Dennoch genehmigte der RP wieder als Weihnachtsgeschenk nachträglich und wieder mit der Begründung, dass der ebenfalls erst im Dezember beschlossene Etat 2019 auf dem Papier einen kleinen Überschuss von 6 Mio. aufwies, so dass mit den 31 Mio. Stärkungspakt kein neues Loch entstünde. Ferner sollten bekanntlich 7 Mio. Kürzung jährlich beim ÖPNV und 6 Mio. beim Personal den Mülheimer Haushalt auf Dauer ausgeglichen machen, selbst wenn die Stärkungspaktmittel nicht mehr fließen würden. Wirklich geklärt sind diese Positionen beileibe nicht und der Etat 2019 könnte ungenehmigt bleiben, 32 Mio. Landesgelder dürften zumindest vorerst nicht ausgezahlt werden.
Und dann: Sparkommissar und Hängen im Schacht? Die MBI fordern, dass das Land als Mitverursacher des Schlamassels anders als bisher einspringen und zu strukturelleren Lösungen beitragen muss. Ob nun mit oder ohne Sparkommissar: Der lange überfällige Einstieg auch in Mülheim in ernsthaftere Befassung mit Möglichkeiten für mittel- und längerfristige Strategien von Haushaltskonsolidierung müsste endlich beginnen. Kurzfristig ist schon lange alles verbaut. Reine Kahlschlag-Sparorgien sind indiskutabel, weil kontraproduktiv wie eine Erhöhung von Kita-Gebühren oder die angedachte vollends konzeptlose Schrumpfkur für den ÖPNV in Zeiten von Klimakrise und überfälliger Verkehrswende.
MBI fordern Ende verschwenderischer Kirchturmpolitik
Dennoch oder gerade deshalb fordern die MBI: Schluss mit Prestigeprojekten, Umwegfinanzierung, „kreativer Buchführung” und verschwenderischer Kirchturmspolitik!
• Gutachteritis, Luftschlösser, Prestigeprojekte u.ä. schnellstens zu beenden bzw. zu begrenzen, ob weitere Ruhrbania-Baufelder, Abriss Hochstraße Tourainer Ring, VHS-Verlagerung uswusf.
• Verkauf oder besser Tausch der RWE-Aktien gegen Medl- oder RWW-Anteile
• unverzüglich die Stadtpolitik konsequent in Richtung Ruhrstadt oder Teilmetropole Ruhr-West umzuorientieren, d.h. auch Verschmelzung ganzer Teilbereiche mit Nachbarstädten und Abgabe von Entscheidungskompetenzen, u.a. alsbaldiger gemeinsamer ÖPNV mit fusionierter Verkehrsgesellschaft auch mit DU, OB etc., dazu eine einheitliche Gewerbesteuer, koordinierte Baulandausweisung mit zuvor festgelegten Tabuzonen, Zusammenlegung und Arbeitsteilung von Behörden sowie Gesellschaften mit den Nachbarstädten
• Sukzessive Auflösung aller Ausgliederungen wie JSG, MST, M&B usw. und Rücküberführung in den Kernhaushalt bzw. in gemeinsame Bereiche mit Nachbarstädten
• Den Immobilienservice (IS) auf gänzlich andere Füße stellen, das Rathaus schnellstmöglich zurückkaufen
• eine offenere, tabulose Bürgerbeteiligung vor den Entscheidungen, nicht wie auch dieses Jahr wieder in geheimen Mauschelrunden.
Reinhard: Etat ist „unseriös und perspektivlos“
Von alledem ist im vorliegenden Haushalt erneut wenig bis nichts zu finden, weshalb die MBI den Etat 2020 ablehnen werden, weil erneut unseriös und perspektivlos. Natürlich sind auch die MBI dafür, dass der hoffnungslos überschuldeten Stadt Mülheim geholfen werden muss, u.a. mit dem Stärkungspakt und noch mehr mit einer Art Schuldenerlass. Dies aber wird wirkungslos verpuffen und alle Hilfen in einem inzwischen riesigen Fass ohne Boden verschwinden, wenn „Weitermachen wie gehabt“ vor Ort praktiziert wird, was das haftende Land auf Dauer sicher nicht zulassen kann.
Ob mit oder ohne Sparkommissar: Der lange überfällige Einstieg auch in Mülheim in ernsthaftere Befassung mit Möglichkeiten für mittel- und längerfristige Strategien von Haushaltskonsolidierung muss beginnen. Und dabei muss ein Hauptschwerpunkt liegen in„Radikaler Abbau der verschwenderischen, ineffizienten Kirchturmspolitik“. Wirtschaftsboom, Niedrigstzinsen und sprudelnde Steuereinnahmen hatten in den letzten Jahren auch den meisten deutschen Städten Überschüsse beschert. Doch diese Periode geht absehbar ihrem Ende entgegen, im Ruhrgebiet sogar schneller und einschneidender durch die rasanten Änderungen u.a. im Energie- und Stahlsektor.
Sich abzeichnende Wirtschaftskrise erfordere beherztes Handeln
Dieses absehbare Ende der Boomphase wird das gesamte Ruhrgebiet empfindlich treffen und die Konkurrenz zwischen den Kirchtürmen (real nur Stadtteile der Metropole) noch stärker befeuern als bisher schon, ob um Firmenansiedlungen, Zuzug finanzkräftiger Bewohner, Ausweisung von Grünflächen für Eigenheimsiedlungen, Einkaufs- und Freizeitanlagen, Landes- oder Bundeszuschüsse, Lehrer, Erzieherinnen, Altenpfleger u.v.v.m.
In der bevorstehenden Krise des gesamten Wirtschaftsstandorts Deutschland würde die Kannibalisierung der Ruhrstädte untereinander fast das gesamte bereits strukturschwache Revier richtig in Schwierigkeiten bringen, wenn nicht bald eine andere Politik einsetzt. Mit immer mehr sogenannten abgehängten Stadtteilen im größten deutschen Ballungsraum kommt dann folgerichtig auch das gesamte Bundesland in Schieflage. Auch deshalb muss die Landesregierung, egal welcher Couleur, mit den Alibi-Kampagnen wie der lächerlichen Ruhrkonferenz aufhören und aktiv das Heft in die Hand nehmen, um die eigenbrötlerischen Teilstädte zu Arbeitsteilung und Fusionierung von Teilbereichen zu zwingen. Nur darin wird bereits mittelfristig die einzig wirkliche Möglichkeit bestehen, dass auch das abgewirtschaftete Mülheim wieder Perspektive bekommt, wenn auch nicht mehr als vollständig autonom handelnder Kirchturm.
MBI fordern Verschmelzen der ÖPNV-Gesellschaften im Ruhrgebiet
Beim ÖPNV pfeifen es die Spatzen bereits von allen Dächern, dass der sehr teure und ineffiziente Nahverkehr nur noch über gemeinsame Verkehrsgesellschaften und einen gemeinsamen Nahverkehrsplan entwickelt und als Standortnachteil verbessert werden kann. „Natürlich“ kann auch beim Personal nicht wirklich in größerem Maße gekürzt werden, wenn man nicht vorher die zukünftigen Aufgabenbereiche definiert. Und hier gilt genau wie beim ÖPNV, dass nur der schnellstmögliche Umstieg auf städteübergreifende Arbeitsteilung innerhalb der Metropole Ruhr auch finanziell erfolgversprechend sein wird.
Dass die sprichwörtliche Filz-, Vettern- und Cousinenwirtschaft in der einstigen Herzkammer der SPD bei der Gelegenheit genauso reduziert werden könnte wie die unüberschaubar vielen Ausgliederungen und GmbHs aller Kirchtürme mit all ihren teuren Wasserköpfen, Aufsichtsräten, Beratern usw., was auch in Mülheim dringend notwendig wäre, angefangen nicht zuletzt bei Wirtschaftsförderung, Veranstaltungsmanagement uswusf.. Doch wie gesagt: Wenn auch diese Landesregierung sich nicht traut, in der Richtung aktiver zu werden, wird sich das Ruhrgebiet in weiten Teilen zum Riesenproblem entwickeln.
„Mülheim hat ein Ausgabenproblem“
Und Mülheim ist wie so oft Vorreiterstadt. Schon heute hat Mülheim kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem. Reale Ausgabenkürzung in großem Maße, wie die Haushaltslage es erfordern würde, ist aber auf der bisherigen Basis nicht wirklich möglich und noch weniger sinnvoll, will man das städtische Leben nicht ganz abmurksen. Weitere zusätzliche Einnahmensteigerungen über Grund-, Gewerbesteuer, Gebühren und Abgaben wird nur noch wenig einbringen, aber auf Dauer kontraproduktiv das Gegenteil bewirken.
Dass bisher kaum jemand in Verwaltung und Mehrheit der Politik etwas anderes als „Weiter wie gehabt“ im Sinn hat, zeigt nicht nur der vorliegende Haushaltsentwurf, sondern auch die gesamte Entwicklung der letzten zwei Jahre bis hin zum letzten Finanzabenteuer, der skandalös eingestielten VHS-Verlagerung, die per Bürgerentscheid angehalten werden musste. Rein „zufällig“ wurde nämlich kurz vor den chaotischen Etatberatungen 2017 die denkmalgeschützte VHS überfallartig geschlossen. Man wollte trotz des Etatdesasters damals wohl aktiv die lange geplante Verlagerung weg vom hochattraktiven Müga-Gelände betreiben. Also untersagte man jegliche Sanierung bei laufendem Betrieb, beschloss weitere überflüssige Gutachten und mietete schnell ein ziemlich untaugliches VHS-Ersatzgebäude an.
Reinhard beklagt Arroganz in der VHS-Frage
Da derart die Fakten zumindest erst einmal geschaffen waren, war es folgerichtig, das Bürgerbegehren trotz der erkennbar sehr hohen Resonanz arrogant für unzulässig zu erklären. Das wurde gerichtlich logischerweise korrigiert und es blieb nur noch das mutwillig verzögerte teure und überflüssige Gutachten zu angeblichen VHS-Alternativen. Dessen Fantasiewerte wirkten wenig überzeugend, so dass zum Bürgerentscheid auch noch Schulen und Schwimmbäder gegen eine VHS-Wiederinbetriebnahme gehetzt wurden. Auch das half nichts gegen das eindeutige Bürgervotum, weshalb nun anscheinend versucht werden soll, eine Wiedernutzung der VHS so lange wie möglich hinauszuschieben.
Dabei ist es recht einfach, wie das Ergebnis des Bürgerentscheids umgesetzt werden muss: Eine realistische Planung braucht für 2020 nur höchstens 2 Mio. zum notwendigen Brandschutz wie Schottung der Durchbrüche zu beinhalten, was bekanntlich schon 2012 in einem anderen teuren Gutachten als dringlich angegeben war und wofür seit 2008 bereits Jahr für Jahr ca. 2 Mio. im Haushalt standen, aber nie abgerufen wurden! Unabhängig davon wird der IS, am sinnvollsten unter der angebotenen Mithilfe von Herrn Teich, ein sinnvolles Sanierungs- und Renovierungskonzept für die VHS erarbeiten müssen, wobei abschnittsweise vorgegangen werden kann, auch bei bereits wieder laufenden Betrieb im Denkmal am MüGa-Rand. Die Gelder dafür können über mehrere Jahre gestreckt werden und es können dafür auch beträchtliche Zuschüsse u.a. aus diversen Denkmalschutztöpfen beantragt werden.
Reinhard sieht im „VHS-Abenteuer“ großen Gesamtschaden
Bereits bis jetzt ist auch der finanzielle Gesamtaufwand für das VHS-Abenteuer garantiert deutlich höher als selbst die luxuriöseste Sanierung der VHS in der Müga hätte werden können. Der Gesamtschaden aber ist bereits beträchtlich, nicht nur finanziell, sondern noch viel mehr für die Betroffenen und erst recht für das Gemeinwohl, am stärksten für die hochgradig wichtigen Aspekte Weiterbildung und Integration, also just auch noch die Bereiche, die insbesondere SPD und Grünen angeblich so wichtig sind. Doch scheinheilige Sonntagsreden hin und her, die Auseinandersetzungen um die beliebte und bewährte VHS in der Müga demonstrierten aufs Neue beispielhaft, warum auch der Haushalt der Stadt trotz eigentlich vorteilhafter Voraussetzungen an die Wand gefahren wurde und nicht besser werden kann, so lange alles weiter geht wie gehabt.
Verschuldung: MBI sehen viele hausgemachte Ursachen
Wie konnte es nur zu dem außerordentlichen Etatdesaster im eigentlich privilegierten Mülheim kommen?Der Kämmerer nannte bisher (neben dem Jammern über zu wenig Einnahmen durch Gewerbesteuer) zwei wichtige hausgemachte Gründe für das Finanzdesaster: 1.) der teure ÖPNV und 2.) die enormen Kosten für die vielen PPP-Projekte (eingedeutscht ÖPP = Öffentlich Private “Partner”schaften). „Natürlich” gibt es noch weitere wichtige hausgemachte Ursachen der Mülheimer Haushaltskatastrophe wie die gigantisch hohen städtischen Vorleistungen für das angebliche „Strategieprojekt“ Ruhrbania (real eher Stadtzerstörungsorgie), ein überverhältnismäßig aufgeblähter Personalbestand inkl. der aus dem Kernhaushalt ausgegliederten GmbHs, unverantwortliche Spekulationsgeschäfte wie Swaps und Währungswetten, wo man Beratern auf den Leim ging und mit 20 bis 30 Mio. € Minus abschloss uswusf…
Doch auch der nicht seltene, typisch Mölmsche Dilettantismus hat das Desaster verschlimmert. Da hatte der Kämmerer z.B. vollends richtig bemerkt, dass man 1 Mio. Euro jährlich sparen könnte, wenn man das Rathaus vom großteils stadteigenen SWB wieder auf die Stadt überschreiben würde. Doch, Überraschung: Dabei würden Millionen an Grunderwerbssteuer fällig, konnte man vorher nicht wissen, war bei der Überschreibung zum Preis von 0 Euro ja nicht der Fall gewesen, oder?
Reinhard: „Athen und/oder Rom lassen grüßen“
Noch gravierender war seinerzeit die Übertragung der vielen Mio. RWE-Aktien von den einstigen rein städtischen Betrieben in die ausgegliederte GmbH, wofür Frau Jasper Millionen Steuerersparnis versprochen hatte, was sich aber als Gegenteil herausstellte, da das Finanzamt Millionen nachforderte für die Umschreibung. Eine ähnlich enttäuschte Hoffnung war seinerzeit die ebenfalls von Frau Jasper empfohlene Überschreibung von 94 % MVG auf die Medl, dann noch die Fast-Endloskette von sauteuren „Anpassungen“ bei nahezu allen Ruhrbania-Teilprojekten oder die Zuschüsse für „Beschleunigung der Straßenbahnlinie 110“ bis hin zum Neubau der Thyssenbrücke, bei der sich nicht nur die Kosten mehr als verdoppelten, sondern auch noch anscheinend nicht festgelegt war, wer haftet, wenn die Brücke nicht auf den Pfeiler passt.
Seit mehreren Jahren waren/sind die verabschiedeten Haushalte der Stadt jeweils Makulatur, noch bevor sie beschlossen sind. Es kann erneut einiges hinten und vorne nicht ganz stimmen, was heute als Haushalt inkl. „Haushaltssanierungsplan“ für 2020 vorliegt. Selbst eine wohlgesonnene Finanzaufsicht in Düsseldorf kann auf Dauer aber für Mülheim die Grundregeln von Adam Riese nicht weiter außer Kraft setzen, sondern höchstens erneut noch einmal etwas Zeit schinden. Athen und/oder Rom lassen grüßen!“
>>> Peter Beitz, Fraktionsvorsitzender der FDP
„Am 6.12.2018 wurde hier an gleicher Stelle der Etat für 2019 gegen die Stimmen der FDP-Fraktion beschlossen. Es wurde ein Hebesatz von 890 % der Grundsteuer B beschlossen. Mit Stimmen von SPD, Grünen und Teilen der CDU. Diese Erhöhung war und ist ein Abzocken der Mülheimer Bevölkerung.
Neben diesem Raubritterzug durch die Mülheimer Landschaft wurde die Konkretisierung der HSP-Maßnahme 144 beschlossen. Der 144er wurde als Luftnummer im letzten Etat erfunden, um die nicht realisierten Einsparungen darzustellen. Sein Inhalt: warme Luft! Um am Stärkungspakt teilzunehmen, wurde von der Aufsicht verlangt, die warme Luft in Euros zu tauschen. Folgendes wurde konkretisiert:
- Einsparung von Personalaufwendungen in Höhe von 2.500.000 Euro im Jahr 2022 und 6.000.000 Euro p.a. ab dem Jahr 2023
- Einsparungen im Rahmen der ÖPNV-Optimierungen in Höhe von 2.000.000 € im Jahr 2021, 4.000.000 € im Jahr 2022 und 7.000.000 € p.a. ab dem Jahr 2023
- Rückkauf des Rathauses mit einhergehender Einsparung von Zinsbelastungen in Höhe von rd. 1.000.000 € p.a. ab dem Jahr 2023 unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten. Diese Maßnahme wird mit einer durch den Zinsmarkt anzupassenden Miete verglichen und in einer Vorlage gesondert zur Entscheidung gebracht
- Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes B ab dem Jahr 2019 auf 890 v. H.
Beitz: Kaum ein Haushaltsbeschluss der Vorjahre ist in der Umsetzung
Der Rückkauf des Rathauses ist der aktuellen Zinssituation geschuldet. Reduzierung der Personalaufwendungen ist mit Arbeit verbunden und geht sehr langsam voran. ÖPNV-Einsparungen mit bis zu 7 Mio. €! Da sieht es düster aus. Die einzige Maßnahme, die ohne Anstrengungen direkt eingeleitet werden konnte, war die Hebesatzerhöhung. Man musste nur eine Zahl einsetzen und es war erledigt. Ohne viel Arbeit oder Anstrengung. Ein Witz, das eine Einsparmaßnahme zu nennen! Dieser Wahnsinn, ich darf aus meiner Etatrede vom letzten Jahr erinnern: Ich zitierte Albert Einstein mit „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert“.
Dieser Wahnsinn aber dient dazu, die entsprechenden Mittel aus dem Stärkungspakt ausgezahlt zu bekommen. Was bis heute nicht passiert ist. Warum nicht? Trotz aller Aufrufe von SPD, CDU und Grünen, jetzt konsequent zu sparen, auch unter Verlust von Wählerstimmen, passiert nichts. Wenn es drauf ankommt, wird aufgrund von Einzelinteressen gegen Vorschläge zur Einsparung gestimmt. Z.B. der Plan, der Einsparungen im ÖPNV vorsah. Irgendwie müssen die Millionen ja dargestellt werden, die der 144er fordert. Im Mai 2019 hat die Verwaltung unter Federführung von Frank Mendack, Peter Vermeulen und Dr. Hendrik Dönnebrink ein Papier unter dem Titel „Netz 23“ eingebracht. Dieses Papier enthielt Vorschläge, die konsequentes Sparen beschrieben, auch unter Verlust von Wählerstimmen.
Kritik an Etat-Koalition: Immer nur Steuern erhöhen
Dieses Papier wurde am 18.06.2019 von den Verfassern zurückgezogen. Ohne Diskussion im Fachausschuss. Die gleichen drei Parteien, SPD, Grüne und Teile der CDU, die den 144er am 6.12.2018 verabschiedet haben mit den Anspruch, Maßnahmen durchzuführen, die auch Wählerstimmen kosten, lassen bei erstbester Gelegenheit ihre Maske fallen und kehren zurück in alte Verhaltensweisen. Sparen in Mülheim bedeutet Steuererhöhungen und niemals Einschränken.
Der Plan „Netz 23“ war anspruchsvoll, vor allem diskussionswürdig. Eine Diskussion in der Öffentlichkeit wurde von Grün, Rot und Schwarz verhindert. Die Verwaltung wurde unter Druck gesetzt, das Papier zurückzuziehen. Der Vorgang fasst ungewollt zusammen, wie die Realität weiterhin aussieht. Bei öffentlichen Reden wird Sparen gepredigt, im Handeln wird gebremst oder werden weiterhin Geschenke verteilt. An diesem Wahnsinn nimmt die FDP nicht teil.
FDP vermisst „Teamplay“ in der Verwaltungsspitze
Ein ganz wesentlicher Faktor des Mülheimer Siechtums am Tabellenende, egal welcher Tabellenart, ist auch das fehlende Teamplay der Verwaltungsspitze. Der Oberbürgermeister ist z.B. im Auftrag „Raus aus den Schulden – Für die Würde unserer Städte“ bundesweit unterwegs. Dieser Verein, 2014 gegründet, hat das Ziel, eine bessere Finanzausstattung und eine Entschuldung unterfinanzierter und überschuldeter Kommunen zu erreichen. Die jüngste Aktivität dieses Bündnisses war der Versand eines Bierdeckels mit dem Inhalt „Wer bestellt, bezahlt - Auch für die Politik gilt ein Reinheitsgebot“. Sehr starker Auftritt. Das treibt den Gegner vor einem her.
Ich bin der Meinung, wichtig ist auf´m Platz! Auf dem Platz finden regelmäßig Treffen des Arbeitskreis Finanzen statt. Geleitet vom Kämmerer Frank Mendack. Mitglieder sind die Fraktionsvorsitzenden und finanzpolitischen Sprecher. Diese finden nun seit ca. zwei Jahren statt. Man wird schneller informiert, aber es geht nichts schneller als vorher. Im AK ist noch alles ok, außerhalb wird schnell vergessen, was verabredet wurde.
Beitz: Etat-Entwurf ist rückwärtsgewandt
Der neue Sozialdezernent Marc Buchholz ist gut unterwegs. Erste Ergebnisse werden erkennbar. Finden die Veränderungen, die daraus abgeleitet werden, auch statt, Fragezeichen? Der Planungsdezernent Peter Vermeulen arbeitet sich an Gewerbeflächenausweitungen ab. Stadtdirektor Dr. Frank Steinfort sichert alles rechtlich ab. Leider gilt hier nicht die These von Aristoteles (384 – 322 v. Chr.): „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Diejenigen, die schon mal am Drachenbootrennen auf der Ruhr teilgenommen haben, wissen, dass es nichts bringt, wenn jeder für sich selbst paddelt. Wichtig ist es, gleichmäßig und in eine Richtung zu paddeln. Dieses gleichmäßig und in eine Richtung fehlt hier komplett. Es ist nicht erkennbar, wohin die Verwaltungsspitze will. In dieser Krise muss konsequent geführt werden und nicht klein-klein gespielt werden.
Zurück zum Etatentwurf. Der vorgelegte Entwurf ist rückwärtsgewandt, versucht nur, die Probleme zu überdecken, die 15 Jahre grün-rote und zuletzt grün-rot-schwarze Politik in unserer Stadt verursacht hat. Chancen werden als Probleme gesehen, Kritik als Nestbeschmutzung, Vorschläge als Kinderkram abgetan. Da ist Managementversagen. Dem Managementversagen folgt Organisationsversagen und dann der Konkurs. In Konkurs kann eine Stadt in Deutschland nicht gehen, aber die Folgen einer Überschuldung und die Liquiditätsschwäche sind die gleichen wie in der normalen Welt.
Verschuldung verhindere Vorankommen bei Zukunftsfragen
Z.B. können Zukunftsthemen wegen der Verschuldung nicht bearbeitet werden. Oft kann der Eigenanteil nicht dargestellt werden. Ich nenne exemplarisch ein paar Beispiele, die der FDP wichtig sind, um wieder wettbewerbsfähig zu werden: 1. Bildung, Qualifizierung, Wissenschaft. Es reicht nicht, sich darüber zu freuen, dass wir die HRW und mehrere Max-Planck-Institute plus IWW Zentrum Wasser in Mülheim haben. Der hervorragende Ruf, den die Institute weltweit haben, verklingt in Mülheim. Wissensstandort Mülheim ist das Stichwort; Ansiedlung junger Fachkräfte für die Forschung zieht junge Familien nach, die hochwertigen Wohnraum verlangen.
2. Gewerbeflächen, Unternehmensgründungen, Unternehmensförderung. Gewerbeflächen sind Mangelware in Mülheim. Das kann aber nicht das Ende dieser Diskussion sein. Gespräche mit ansässigen Unternehmen, die Flächen auf Vorrat oder aus anderen Gründen halten, müssen geführt werden und auch Angebote gemacht oder Perspektiven aufgezeigt werden. Gründungen aus der Hochschule heraus sind konsequent in Mülheim zu halten.
Beitz: Jahrzehntelang keine ÖPNV-Lösung kreiert
3. Verkehr, Infrastruktur. Die Verkehrsführung in Mülheim ist miserabel. Das Ziel vor Augen werden Ortsunkundige sicher und konsequent durch die Innenstadt wieder nach draußen geleitet. Über den ÖPNV finden noch Beratungen statt. Aber wer glaubt denn daran, dass wir gerade jetzt eine kluge, zukunftsweisende Lösung entwickeln? Hat doch jahrzehntelang nicht funktioniert. Immer nur Stückwerk. Die Fragestellung, welchen ÖPNV wir haben möchten, ein Antrag der FDP „Zukunft des ÖPNV in Mülheim an der Ruhr“ vom 27.6.2019, bleibt unbeantwortet.
4. Wohnen, Stadtentwicklung. Neue Flächen für Wohnraum erschließen. Mülheim hat attraktive Lagen, aber auch Einzelinteressen, die diese Lagen verhindern. Abwarten, was das Bündnis für Wohnen hier leistet. Zu diesen beispielhaften Zukunftsthemen findet die FDP-Fraktion im Etatentwurf keine Antworten bzw. Ansätze, die die FDP-Fraktion mittragen kann.
Beitz sieht unkontrolliertes Geldausgeben und überdimensionierte Strukturen
Weiter bescheinigen Gutachter, z.B. die GPA (Gemeinde Prüfungsanstalt), folgendes:
- Es wurde unkontrolliert Geld ausgegeben ohne entsprechende Kontrollmechanismen.
- Es wurden Strukturen aufgebaut, die deutlich überdimensioniert sind im Vergleich zu Vergleichskommunen.
- Es gibt ein hohes Beharrungsvermögen in Strukturen bzw. ein geringes Interesse, Dinge zu verändern.
Solange dies nicht geändert wird, übernimmt die FDP-Fraktion Verantwortung für unsere Stadt Mülheim an der Ruhr und übernimmt auch Verantwortung für die zukünftigen Generationen Mülheimer Bürger und lehnt den vorgelegten Entwurf ab. Ich bedanke mich bei den Mitarbeitern der Verwaltung, dem Kämmerer, ich bedanke mich bei meiner Fraktion für die Beratung und Zusammenarbeit.“
>>> Cevat Bicici, Wir aus Mülheim
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren! Wieder einmal stehen wir vor der Verabschiedung des kommunalen Haushalts. Was ist der Grund für die problematische Haushaltslage?Der Haushaltsansatz ist im Grunde derselbe wie letztes Jahr. Die Fehlentscheidungen des Jahrzehnts ziehen sich wie ein Rattenschwanz im Mülheimer Haushalt.
Die Ursache der finanziellen Misere ist auch zum Teil hausgemacht, weil die Mehrheit von Ihnen bei Swaps-Geschäften, Fehlspekulationen mit Zins- Währungswetten, diversen PPP-Projekten (Feuerwehr, Schulen, Rathaus, Medienhaus), wobei unser Tafelsilber an private Investoren verkauft und für teures Geld wieder zurückgemietet wurde. Privatisierung durch Grundstücksverkäufe, gleichzeitig steigende Ausgaben durch angemietete Gebäude (z.B. an der Aktienstraße für die VHS), das Auslagern der verschiedenen Aufgabenfelder in die GmbHs. Wobei die Geschäftsführer üppige Gehälter erhalten, und somit zusätzlich den Haushalt belasten. Sie gingen mit den Steuern der Bürgerinnen und Bürger nicht sorgsam um, dafür tragen Sie die Verantwortung.
Bicici sieht Hauptverantwortung bei Bund und Land
Doch dies ist nur eine Seite der Medaille. Es liegt auch daran, dass Bund und Land seit Jahrzehnten Aufgaben an die Kommune weitergeben, ohne für einen finanziellen Ausgleich zu sorgen. Zwar appellieren wir alle seit Jahren an den Bund und an das Land, Veränderungen herbeizuführen, getan hat sich aber nichts. Meine Damen und Herren, es sind ihre Parteien im Bund und Land, die für die entsprechenden Gesetze verantwortlich sind.
Die Hartz-IV-Gesetze haben dazu geführt, dass Menschen im Niedriglohnsektor trotz Arbeit auf staatliche Subventionen angewiesen sind und zusätzlich die kommunalen Kassen belasten. Das Vermögen der Reichen wächst genauso wie die Schulden der öffentlichen Hand. Systematisch wird seit Jahrzehnten durch die Politik zugelassen, dass sich die großen Konzerne und Banken der Finanzierung der gesellschaftlichen Aufgaben entziehen.
Bicici: Seit Jahren werden Krisenlasten auf Bürger abgewälzt
Liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen! Die Mehrheit von Ihnen versucht seit Jahren mit teuer bezahlten Gutachten, Kürzungen beim ÖPNV, in Bildung, Kultur, Sozialbereich, aber auch Investitionskürzungen für den Erhalt von Gebäuden ( z.B. das VHS-Gebäude), Erhöhung der Grundsteuer B um satte 39 % oder wieder die anvisierte Erhöhung der Gewerbesteuer, die dramatische Haushaltslage in den Griff zu bekommen.
Weder die Grundsteuererhöhung noch die Einsparung bei der OGS, beim ÖPNV und Stellenabbau wird das Haushalts-Defizit verringern. Mit Erhöhung der Steuern und Kürzungen in der Daseinsvorsorge wälzen Sie die Krisenlasten seit Jahren auf die Mülheimer Bürgerinnen und Bürger ab. Es wird von Ihnen behauptet, die Maßnahmen seien alternativlos, wenn wir es nicht umsetzen, uns der „Sparkommissar“ droht. Die Logik, die von diesem öffentlich immens verbreiteten Druck ausgeht, muss doch einmal hinterfragt werden: Warum hat die Bezirksregierung als „Aufsichtsbehörde“ nicht beachtet, dass die Kommunen eine ausreichende Finanzausstattung erhalten, wie es die Verfassung des Landes NRW vorsieht? Warum hat sie nicht dafür gesorgt, dass das Konnexitätsprinzip („wer beschließt muss auch bezahlen“) eingehalten wird?
Stärkungspakt bringe keine Kehrtwende
Seien wir doch ehrlich, auch mit dem Stärkungspakt des Landes wird es keine Trendwende in Sachen Schuldenabbau geben, so lange die Landes- und Bundesregierung keine Altschuldenregelung herbeiführt. Wie der ehemalige Kämmerer und jetzt üppig bezahlte Geschäftsführer von der Ruhrbahn GmbH, Herr Bonan, in der WAZ vor ca. drei Jahren sagte, Zitat: „Selbst, wenn wir jedes Jahr fünf Millionen Euro Gewinn machen würden, könnten wir dieses Defizit in den nächsten 200 Jahren nicht abbauen.“
Aus diesem Grund fordert WIR AUS Mülheim: Prüfung, Verhandlungsaufnahme und Forderung nach einem Zins- und Schuldenmoratorium für die Kommunen, sowie Altschuldenregelung des Landes! Reintegration der GmbHs in die Stadtverwaltung, Abbau der hochdekorierten Geschäftsführerposten, Auflösung der MST und der Mülheim & Business GmbH.
Bicici: Fortgesetzte Politik spaltet Gesellschaft und stärkt rassistische Parteien
Meine Damen und Herren, eine solche Politik, die zu Lasten unserer Bürgerinnen und Bürger geht, spaltet unsere Gesellschaft und stärkt rassistische Parteien. Positiv ist hier hervorzuheben dass die Bürgerinnen und Bürger in Mülheim, sich mit dieser Politik der Abwälzung der Krisenlasten nicht abfinden, sich organisieren und gemeinsam gegen die Kahlschlagpolitik mit Demonstrationen und Bürgerentscheide zu Wehr setzen. Diesen Bürgern fühle ich mich verpflichtet und lehne aus diesem Grund den vorgelegten Haushalt ab. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“