Mülheim. Dönnebrinks Konzept soll Lösungen zum Gewerbeflächenbedarf aufzeigen. Einige Vorschläge könnten zu hitzigen Diskussionen in der Politik führen.
Erst Dönnebrinks Donnerhall mit dem Appell, den Flughafen-Betrieb fortzuführen und ringsum (auch flugaffines) Gewerbe anzusiedeln, jetzt legt Mülheims Wirtschatfsförderer ein Papier vor, das die Gewerbeflächenpolitik der Stadt auf den Kopf stellen würde: Die acht vorgeschlagenen Flächen messen zusammengefasst über 200 Hektar.
56 Seiten stark ist das Wirtschaftsflächenkonzept, dessen Inhalt Hendrik Dönnebrink dem Vernehmen nach Anfang dieser Woche dem Aufsichtsrat von Mülheim & Business sowie den Fraktionsvorsitzenden des Stadtrates präsentiert hat. Es liegt dieser Zeitung vor – und dürfte für heiße politische Debatten sorgen. Denn Dönnebrink hat einen radikalen Schnitt gemacht. Er hat sich vom Kleinklein der politischen Debatten vergangener Monate emanzipiert und geht in die Vollen.
Neun Flächen auf eingehend ihr Potenzial geprüft
Mit einem Schlag will er aufzeigen, dass Mülheim in der Lage wäre, jene 88 Hektar Gewerbepotenzialfläche auszuweisen, die die Regionalplanung des RVR als Bedarf ermittelt hatte, im Entwurf des Regionalplans aber nicht ansatzweise von der politischen Stadtplanung ins Spiel gebracht worden war. Neun Flächen hat Dönnebrink auf ihr Potenzial durchleuchten lassen, bis auf eine Waldfläche östlich der A3 (links und rechts der Großenbaumer Straße) sind für ihn alle übrigen tauglich, um in den verzögerten Prozess der Regionalplanung noch reinzurutschen.
Zunächst mal zu den relativ kleinen Flächen, auf denen Dönnebrink Gewerbeansiedlungen kurzfristig für möglich erachtet. Das gilt etwa für die städtischen 3,7 Hektar an der Oberheidstraße in Dümpten – am ehemaligen Sportplatz, auf dem aktuell noch Flüchtlingsunterkünfte stehen. Ein Bebauungsplanverfahren ist gestartet. Dönnebrink fordert, dass ausschließlich Gewerbe dort Platz findet, aber mit Rücksicht auf die nahe Wohnbebauung. Zuletzt gab es Pläne, Flüchtlingsunterkünfte an der Oberheidstraße zu einer Kita umzufunktionieren.
Einige Flächen-Vorschläge bergen politischen Sprengstoff
Des Weiteren sind zwei Hektar an der Blücherstraße in Heißen gelistet, in Nähe der U-Bahn-Station Eichbaum. Auf der Privatfläche, wo Anfang des Jahrzehnts Pläne für eine Wohnbebauung geplatzt sind, könnten ebenfalls kurzfristig Gewerbeansiedlungen (nutzungsbeschränkt) möglich werden, sagt Dönnebrink.
So weit noch wenig überraschend, waren beide vorgenannten Flächen schon in der politischen Diskussion. Weitere Flächen-Vorschläge bergen indes politischen Sprengstoff. So konkretisiert Dönnebrink seine Vision für das Flughafen-Gelände: Nördlich einer weiter bestehenden Start- und Landebahn skizziert er ein 14 Hektar großes Gewerbegebiet, südlich davon ab dem Jahr 2034 eine 38 Hektar große Fläche für Gewerbe und sogar Industrie. Entsprechend will er die Fläche im Regionalplan ausgewiesen sehen.
Bürgerinitiativen setzen sich für den Erhalt von Freiflächen ein
Auch auf der Heimaterde dürfte Bürgerprotest zu erwarten sein, zeigt die Politik Wohlwollen für Dönnebrinks Konzept. 24 plus vier weitere Hektar als Option soll ein Gewerbegebiet „Fulerumer Feld“ im Süden der ohnehin viel befahrenen Velauer Straße messen. Der private Eigentümer des Ackerlandes sei verkaufsbereit, heißt es. Aber: Die Landschaftsschutzgebiete Oppspring und Rumbachtal sind tangiert. Und im angrenzenden Essen-Haarzopf machte unlängst schon eine Bürgerinitiative mobil für den Erhalt von Freiflächen und gegen neue Bebauung.
Mitstreiter der Bürgerinitiative „Hände weg vom Auberg“, die einst rege für den Erhalt der Natur- und Freiflächen im Süden der Stadt aktiv waren, sind in die Jahre gekommen, aber auch sie dürften wieder auf den Plan gerufen sein. In Erweiterung der Gewerbeflächen an der Solinger Straße in Saarn schlägt Dönnebrink eine Ausweitung um zehn Hektar gen Osten vor (rund um den Aubergweg). Kleinteiliges Gewerbe könne dort Platz finden, heißt es im Flächenkonzept des Wirtschaftsförderers.
Einige Kommunen könnten die möglichen Standorte ablehnen
Vorgenannte Flächen summieren sich auf 86 Hektar brutto (abzuziehen wären Abstands- und Erschließungsflächen). Damit aber nicht genug. Dönnebrink bringt noch zwei weitere Großflächen ins Spiel, um möglicherweise noch in die Kategorie „Regionale Kooparetionsstandorte“ des Regionalplans reinzurutschen. Als jene Flächen sind solche benannt, die Unternehmensansiedlungen ab einer Fläche von acht Hektar aufwärts ermöglichen.
Im Regionalplan-Entwurf wurden für das Ruhrgebiet bereits 23 Flächen in einer Gesamtgrößenordnung von 1260 Hektar ausgewählt. „Es zeichnet sich aber ab, dass einige Kommunen die möglichen Standorte auf ihrem Gebiet ablehnen und daher neue Standorte in die Diskussion kommen können“, heißt es im Dönnebrink-Papier. „Hier bietet sich eine Chance für Mülheim, zumal sich bisher nur ein Kooperationsstandort im Kernraum der Metropole Ruhr befindet.“
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Dönnebrink rechnet mit mit 8000 neuen Arbeitsplätzen
Als eine jener langfristig zu entwickelnden Großflächen im Visier sind 46 Hektar Acker- und Grünflächen nordöstlich der A40 in Winkhausen (begrenzt im Norden von der Aktienstraße und im Süden von der Bahntrasse). Das Areal grenzt an das Naturschutzgebiet Winkhauser Bachtal an. Bei der zweiten Fläche handelt es sich um 70 Hektar in Selbeck. Begrenzt sein soll die Fläche grob von der Straße Heidendoren im Nordosten, von der A52 im Osten sowie vom Hantenweg und der Stooter Straße im Westen.
Bei der Ausweisung dieser acht Flächen für Gewerbe (und Industrie) rechnet Dönnebrink mit einem Potenzial von 8000 neuen Arbeitsplätzen und 16 Millionen Euro zusätzlichen Gewerbesteuereinnahmen. Kämmerer Frank Mendack hatte zuletzt bei der Präsentation des Haushalts angekündigt, in den nächsten Jahren eine halbe Million Euro jährlich für eine entsprechende Planung zur Verfügung stellen zu wollen.
„Gesamtaufschlag zur Lösung des Gewerbeflächenbedarf“
Auf Nachfrage nennt Dönnebrink sein Papier als „Gesamtaufschlag zur Lösung des Gewerbeflächenbedarf und zur wirtschaftlichen Entwicklung von Mülheim“. Die Politik müsse endlich erkennen, dass sie die Einnahmensituation verbessern müsse, um der fortgesetzten Haushaltskrise zu entfliehen und den zuletzt schwächelnden Wirtschaftsstandort zu stärken.
Geringes Wirtschaftswachstum
In einer langen Einführung zeigt das Wirtschaftsflächenkonzept auf, dass die wirtschaftliche Entwicklung Mülheims weit weniger gut war als in vergleichbaren Städten. Ein Gegensteuern hatte bereits vor Monaten die IHK vehement eingefordert.
Mülheim legte zuletzt im Wirtschaftswachstum und bei der Bruttowertschöpfung weit weniger zu als Vergleichsstädte, auch sanken die Gewerbesteuereinnahmen und die Steuerkraft insgesamt. Zuletzt sank auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Überdurchschnittlich angestiegen seien im Städtevergleich die Sozialleistungen der Mindestsicherung in Mülheim, heißt es.