Mülheim. Der Mülheimer Haushalt für 2020 steht: SPD, Grüne und CDU setzten ihre Etat-Koalition fort – und übten harsche Kritik an den Verweigerern.
Der Stadtrat hat am Donnerstagabend mit Stimmen von SPD, CDU und Grünen den Haushalt für das Jahr 2020 beschlossen. Als letzte Fraktion hatte sich die CDU „mit Bauchschmerzen“ durchgerungen, weitere Steuererhöhungen mitzutragen.
Der Knackpunkt bis zuletzt: die erneute Anhebung des Gewerbesteuer-Hebesatzes von 550 auf 580 Punkte. Es sei für die CDU eine „Wahl zwischen Pest und Cholera“ gewesen, beschrieb CDU-Fraktionschefin Christina Küsters das Zaudern in ihren Reihen, das bis zum Mittwochabend bei einer letzten fraktionsinternen Etatdebatte angedauert hatte.
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Ein Haushaltsbeschluss war nötig, damit Stärkungspakt-Millionen fließen können
Letztlich entschied sich die CDU, die Steuererhöhung mitzutragen, weil ansonsten aus Sicht von Küsters die Handlungsfreiheit der Stadt hätte verloren gehen können. Alternativen zur millionenschweren Kompensation der Steuererhöhung habe man nicht entdecken können.
Mit dem Haushaltsbeschluss ist es möglich, dass auch der Etat 2019 noch von der Finanzaufsicht genehmigt wird und Stärkungspaktmittel des Landes in Höhe von jeweils 31,7 Millionen Euro für 2019 und 2020 nach Mülheim überwiesen werden. Kämmerer Mendack hatte auch gemahnt, dass Mülheim mit genehmigtem Haushalt bessere Zinskonditionen erhalte. Bei einer Verschuldung von mehr als zwei Milliarden Euro beachtenswert.
Etat-Koalition sieht keine Alternative zu erneuter Steuererhöhung
Auch die Fraktionschefs von SPD und Grünen, Dieter Spliethoff und Tim Giesbert, verteidigten den erneuten Dreh an der Steuerschraube als unausweichlich, um als Stärkungspaktkommune in die Spur zu kommen. Die Fraktionschefs der Etat-Koalition geißelten allesamt, dass andere Fraktionen sich gar nicht erst bereit erklärt hätten, in eine Diskussion einzusteigen, die kurzfristig einen genehmigungsfähigen Haushalt hervorbringen würde.
Ein Großteil der Etat-Opposition, insbesondere Bürgerlicher Aufbruch (BAMH), MBI und FDP, nutzten die Debatte zur Generalabrechnung. Mit der Politik der vergangenen Jahre, auch mit OB Scholten. Jochen Hartmann forderte „Innovationen statt platter Steuererhöhungen“, Peter Beitz (FDP) beklagte ein Managementversagen bei der Stadt, weil der Führungsriege im Rathaus und der politischen Mehrheit nichts anderes einfalle, als abermals die Steuern zu erhöhen. Lothar Reinhard (MBI) sieht nur einen Ausweg aus der finanziellen Misere: ein Zusammenwachsen der Städte der Metropole Ruhr, weniger Kirchturmpolitik.
BAMH scheitert mit Anträgen zu Kürzungen beim Theater und beim AZ
Auch über die 29 Konsolidierungsvorschläge der Bürgerinitiative „4330 Sparfüchse“ stimmte der Stadtrat im Eiltempo einzeln ab. Einige wenige gingen durch. Unter anderem soll geprüft werden, ob in Verwaltung und städtischen Gesellschaften durch die Einführung einheitlicher EDV Kosten, möglicherweise in Millionenhöhe, eingespart werden können.
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Ein von der BAMH eingebrachter Antrag, dem Autonomen Zentrum die jährlichen städtischen Zuschüsse in Höhe von rund 140.000 Euro zu streichen, fand nach hitziger Debatte keinerlei Unterstützer. Einen Antrag der CDU, mit dem das AZ zumindest zu Mietzahlungen für ihre Räumlichkeiten herangezogen werden sollte, verschob die Politik in den nächsten Jugendhilfeausschuss. Darüber hinaus scheiterte die BAMH-Fraktion mit Anträgen, dem Theater an der Ruhr die Zuschüsse zu streichen oder zumindest einen Geschäftsführerposten dort einzusparen.
Dreierbündnis bringt ÖPNV-Papier durch den Stadtrat
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Um auf den letzten Drücker womöglich doch noch den Etat für dieses laufende Jahr von der Bezirksregierung genehmigt zu bekommen und 31,7 Millionen Euro aus dem Stärkungspakt zu erhalten, haben SPD, CDU und Grüne auch ein ÖPNV-Papier im Rat verabschiedet, das Eckpfeiler beschreibt, wie bis zum Jahr 2023 sieben Millionen Euro im Nahverkehrsbetrieb einzusparen sein sollen.
Die Finanzaufsicht hatte eine Konkretisierung eingefordert, nachdem die Etat-Koalition das erste von Verwaltung und Ruhrbahn vorgelegte Sparkonzept zum „Netz 23“ mit drastischer Angebotskürzung als inakzeptabel zurückgewiesen hatte.
Busse und Straßenbahnen sollen nicht länger parallel verkehren
Nun haben SPD, CDU und Grüne auf einem vierseitigen Papier Vorgaben für die weitere ÖPNV-Planung gemacht, dazu wurden Prüfaufträge an Verwaltung und Ruhrbahn gerichtet. Festgelegt wurde etwa, dass Bus- und Straßenbahnlinien nicht länger parallel verkehren sollen, Linienführungen und Endhaltepunkte „nachfrageorientiert“ zu planen sind oder das Nachtnetz auf On-Demand-Angebote umgestellt werden soll, also das Nachtangebot weitestgehend nur noch auf Kundenbestellung verfügbar sein soll.
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Dazu stellten die Koalitionäre sieben Prüfaufträge. Sie fordern Fahrgastzahlen, sie wollen eine Verlängerung der U18 zur Hochschule geprüft sehen und eine Verkürzung der Straßenbahnlinie 901 bis zu eben diesem Endhaltepunkt. Auch soll die Aufgabe des U-Bahnhofs „Schloß Broich“ durchgerechnet und die Reduzierung des Nachtnetzes auf nur noch zwei Linien geprüft werden. Mobilitätsstationen nach Essener Vorbild sind gewünscht.
ÖPNV-Papier erntet Spott anderer Fraktionen
Das Papier erntete Spott der anderen Fraktionen. „Hundertmal gehört“, sagte FDP-Fraktionschef Beitz. Außer Prüfaufträgen stecke nichts dahinter, was zählbar für den Kämmerer sei. „Sie werden es hiermit nicht schaffen, die sieben Millionen Euro einzusparen“, vermisst Martin Fritz eine grundsätzliche strategische Ausrichtung.