Herne. Mai-Kundgebung in Herne: Der DGB forderte Solidarität ein, der OB brach eine Lanze für Streiks. Und dann fielen auch noch Tauben vom Dach.
Auf den Tanz in den Mai folgt die Kundgebung zum 1. Mai – so auch am Montag in Herne. „Ungebrochen solidarisch“ lautete diesmal das Motto zum Tag der Arbeit vorm Herner Rathaus. Sechs Fragen und sechs Antworten zur Traditionsveranstaltung der Gewerkschaften.
1. Wie war’s?
Eigentlich wie immer. Obwohl: Mit rund 600 Teilnehmenden war die Mai-Kundgebung des DGB vorm Herner Rathaus noch etwas schlechter besucht als in der Vergangenheit. Lag’s am schönen Feiertags-Ausflugswetter oder an der ritualisierten Veranstaltungsform? Und auch das hat Tradition: Nur etwa ein Drittel der Besucherinnen und Besuchern lauschte vor den Rathaustreppen aufmerksam den drei Rednern, dahinter widmeten sich viele Menschen in (zum Teil lautstarken) persönlichen Gesprächen vorwiegend anderen Themen wie „Schiedsrichter beim BVB-Spiel“ (schlecht), „Qualität der Bratwurst“ (gut) oder Veranstaltungen zum Tanz in den Mai (mal schlecht, mal gut).
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2. Ist diese Art der Kundgebung noch zeitgemäß?
Ja! Meinten DGB-Chef Peter Holtgreve und Oberbürgermeister Frank Dudda in ihren Reden. Der OB hielt aber nicht nur ein flammendes Plädoyer für dieses Format und die solidarische Gesellschaft, sondern auch für die Bedeutung von Gewerkschaften. Sehr ausführlich nahm er Stellung zu den jüngst beigelegten Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst. „Verdi hat mal wieder gezeigt, wie stark die Gewerkschaft unterwegs ist.“ Er teile nicht die Klagen über die negativen Folgen der Warnstreiks. „Ja, Streiks sind beeinträchtigend, bewegen aber etwas“ Er begrüße ausdrücklich das vereinbarte deutliche Lohnplus, so Dudda, weil ihm als OB an einer fairen Bezahlung gelegen sei. Nur so könnten Menschen für Jobs bei der Stadt und ihren Töchtern gewonnen und alle Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger angeboten werden.
Auch ohne viel Fantasie konnte man diese Statements als indirekte Seitenhiebe auf Gelsenkirchens OB Karin Welge verstehen. Diese hatte in den Tarifverhandlungen in ihrer Rolle als Präsidentin der kommunalen Arbeitgeber die Streikmaßnahmen von Verdi kritisiert und als „überzogen“ bezeichnet.
3. Wer war Gastredner?
Karlheinz Auerhahn. Karlheinz wer? Der Herner DGB blieb erneut bei seiner Linie, eher unbekannte Gewerkschafter als Gastredner einzuladen. Am Rande der Kundgebung gab es von einem gestandenen Herner Gewerkschafter dann auch Kritik an der routinierten Rede des IGBCE-Bezirksleiters Auerhahn („Textbausteine“). Zum Schluss seines Beitrags ließ der Mann aus Recklinghausen aber ein wenig aufhorchen, als er sich mit klaren Worten gegen AfD, Reichsbürger und andere Rechtsradikale abgrenzte sowie ukrainischen Geflüchteten „ungebrochene Solidarität“ versprach.
4. Was gab’s Neues?
In Herne sei in der vergangenen Woche erstmals die Marke von 50.000 sozialversicherungspflichtigen Jobs überschritten worden, freute sich Frank Dudda. Und beim Thema Kindergrundsicherung („die muss kommen!“) berichtete der OB von einer Dienstreise nach Maastricht und seinem Neid aufs Nachbarland. Durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) verfügten die Niederländer über Möglichkeiten, die auch bei der Bekämpfung von Kinderarmut von großem Nutzen sein könnten. Bei einem weiteren Treffen solle über Kooperationen gesprochen werden.
5. Und sonst?
DGB-Chef Holtgreve eröffnete die Kundgebung vorm Rathaus bereits um 10.50 Uhr, sprich: zehn Minuten vor dem im Vorfeld öffentlich kommunizierten Beginn. Wer zu früh anfängt, den bestraft der Caterer: nach dem wohltuend kurzen Redeblock (30 Minuten) verkündete Holtegreve gegen 11.20 Uhr in seinem Schlusswort, dass die Erbsensuppe erst um 11.30 Uhr geliefert werde.
Ein Hauch von Weltläufigkeit ließ anschließend der Gelsenkirchener Alleinunterhalter Mr. Mamboo alias Norbert Labatzki über den Rathausplatz wehen, indem er sich musikalisch auf den Weg machte zum Beispiel nach London („Baker Street“ von Gerry Rafferty) oder an die US-Westküste („California Dreamin“ von The Mamas & The Papas). Info- und Spielstände von Parteien, Gewerkschaften, Falken und dem Bündnis Herne rundeten das Programm des Familienfests ab.
6. Geht von Erbsensuppe eine Gefahr aus?
Ja, aber wohl nur, wenn sie vegetarisch ist. „Erbsensuppe (Achtung! Ohne Fleisch)“ stand auf dem Schild eines Imbissstands geschrieben. Der Verfasser dieser Warnbotschaft musste im Wettstreit um den (inoffiziellen) Titel „Zitat des Tages“ allerdings mit Frank Dudda konkurrieren. Die gebratenen Tauben, die im Paradies bekanntlich in den Mund fliegen, gerieten beim OB irgendwie in den falschen Hals – sprach er in seiner Rede doch vom Land, in dem Milch und Honig fließen und „Tauben vom Dach fallen“.