Herne. Kommt die Polizeihochschule nach Herne? Warum ein Gerichtsbeschluss vertagt wurde, worauf die Nachbarstadt Gelsenkirchen hofft.
Wer bekommt den Zuschlag: Herne oder Gelsenkirchen? Die Entscheidung im Streit über den künftigen Standort der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) in NRW verschiebt sich erneut, diesmal um mehrere Monate. Die Nachbarstadt hat nach der Schlappe in der ersten Runde des Vergabeverfahrens für den neuen Campus offenbar zumindest noch Hoffnung auf einen Kompromiss.
2022 hatte das Land Herne für viele überraschend zum Sieger des Wettbewerbs gekürt, Mitte Juni hatte die Vergabekammer Westfalen diesen Beschluss bestätigt. Über 4000 Studierende und mehr als 200 HSPV-Mitarbeitende sollten in einem zu errichtenden Neubau auf dem Areal am Herner Bahnhof (Funkenbergquartier) lernen und lehren. Kurz vor Ende der Einspruchsfrist legte der Gelsenkirchener Investor Kölbl Kruse beim Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) ein Veto gegen das Votum der Landesregierung für den Herner Investor Hochtief ein. Als Begleitmusik wurden in Gelsenkirchen hinter vorgehaltener Hand Kungel-Vorwürfe in Richtung Herne und HSPV-Leitung laut.
Oberlandesgericht verschiebt Termin auf den 7. Juni
Am 29. März sollte nun nach dem Einspruch von Kölbl Kruse der finale Verhandlungstermin am OLG mit anschließender Entscheidung stattfinden. Aufgrund eines eilbedürftigen und vorrangigen „Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens“ sei der Termin zunächst auf den 26. April verschoben worden, erklärt Christina Klein Reesink, Richterin und Sprecherin des OLG, auf Anfrage der WAZ. Die Anwälte von Kölbl Kruse hätten daraufhin einen Verlegungsantrag gestellt, so dass die Verhandlung nun erst am 7. Juni in Düsseldorf über die Bühne gehen werde. Die Verkündung der Entscheidung finde in der Regel einige Wochen nach dem Verhandlungstermin statt, so die OLG-Sprecherin.
In Gelsenkirchen rechnet man offenbar nicht mehr damit, doch noch den Zuschlag für den Neubau der Hochschule zu erhalten. Das legen zumindest Äußerungen vom Gelsenkirchener Stadtwerke-Chef Harald Förster im dortigen Sportausschuss nahe, der auf Antrag der Grünen über den Neubau eines Zentralbades diskutierte. Hintergrund: Auf dem Areal des bereits abgerissenen alten Zentralbades in Gelsenkirchen-Mitte wollte die siegessichere Stadtverwaltung um Oberbürgermeisterin Karin Welge die Polizeihochschule errichten lassen.
Förster erklärte im Ausschuss Folgendes: „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir vor Gericht einen Sieg erringen, der die gesamte HSPV im Juni hierhin bringt. Worauf wir eine gewisse Chance haben, ist, dass das Gericht sagt: ‚Ja, es gab Formfehler, bitte einigt euch.‘ Womöglich käme dann eine etwas kleinere HSPV heraus, damit Herne etwas bekommt und wir auch. Und neben einer kleineren HSPV gäbe es sicher Raum für ein Zentralbad.“ Berechtigte Hoffnung oder reines Wunschdenken? Die Frage der WAZ, worauf sich diese Aussage stützt, will der im Ausschuss noch so munter spekulierende Stadtwerke-Chef am Montag nicht beantworten. Es handele sich ja um ein laufendes Verfahren, so die Begründung einer Sprecherin der Stadtwerke.
Die Stadt Herne lässt sich derweil den Frust über die erneute Verschiebung nicht anmerken. „Solche gerichtlichen Klärungen benötigen immer eine gewisse Zeit“, so Stadtsprecher Christoph Hüsken zur WAZ. Er räumt ein, dass die Verwaltung sich natürlich schon früher endgültige Klarheit gewünscht hätte. „Wir sind und bleiben optimistisch, dass die Entscheidung für die Neuansiedlung der HSPV im Funkenbergquartier Bestand haben wird.“
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Welche Folgen hat die erneute Verzögerung? Die Stadt müsse „sehr davon ausgehen“, dass der ursprünglich vom Land angestrebte Zeitpunkt der Inbetriebnahme der HSPV im Jahr 2025 nicht zu halten sei. Gleichwohl treibe Herne parallel die Entwicklung des gesamten Funkbergquartiers – die ausgewählte Fläche für die Hochschule ist nur Teil des Areals – unabhängig von der noch ausstehenden Entscheidung weiter voran. Das gelte auch für den Bebauungsplan, der die verkehrliche Erschließung der Hochschule beinhalte. Wie berichtet, hat sich Hernes OB Frank Dudda Ende 2022 im WAZ-Interview von der zwischenzeitlich ins Auge gefassten XXL-Tunnellösung für den Bereich Westring/Funkenbergstraße/Cranger Straße verabschiedet.
Für die Hochschule habe eine spätere Eröffnung des Campus-Neubaus keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Lehrbetrieb oder die Organisation, erklärt eine HSPV-Sprecherin auf Anfrage. Aber „natürlich verzögern sich dadurch wichtige Entwicklungsperspektiven für die Hochschule in Bezug auf unsere selbstgesteckten Qualitätsmerkmale an eine hochwertige Lehr-, Lern-, Forschungs- und Arbeitsumgebung.“
Mit Blick auf die anstehende und dann rechtskräftige OLG-Entscheidung demonstriert die derzeit in Gelsenkirchen ansässige Hochschule Optimismus: „Die Vergabekammer hatte den Antrag des unterlegenen Bieters zurückgewiesen und in ihren Beschluss geschrieben, dass das Vergabeverfahren nachvollziehbar und für alle Bieter von Beginn an transparent geführt worden und nicht zu beanstanden sei.“ Ein „geteilter“ Standort stehe für die HSPV nicht zur Debatte, „da er nicht Gegenstand des Verfahrens ist“. (mit Andreas Artz)