Herne. Mülldetektive spüren in Herne Menschen auf, die Abfall einfach in die Gegend werfen. Wie die Fahnder arbeiten – und was sie Skurriles erleben.

Was haben ein Grauer Star, ein Kind in einem Altkleidercontainer und eine Sexpuppe gemeinsam? Mit ihnen haben die HernerMülldetektive zu tun, die im Auftrag vom Entsorgung Herne im Stadtgebiet unterwegs sind. Die WAZ hat sie bei ihrer Arbeit getroffen.

Das ist ein Stillleben der ärgerlichen Sorte: Ein Glastisch, eine Matratze, die Plastikfächer einer Besteckschublade, Styroporquader, Altglas, eine Tüte Restmüll – von Kleinkram wie Kronkorken, Kindersocken oder einem Sicherheitsschuh mal ganz zu schweigen. Dieses Bild bietet sich Maik Kämper, Guido Thiel und Alexander Rapp an einem Morgen am Wertstoffstandort an der Herzogstraße in Eickel. Überrascht sind die drei angesichts dieser Funde nicht, dieser Standort gehört für Entsorgung Herne zu den Brennpunkten, wenn es um die illegale Müllentsorgung geht. Deshalb ist er für die Mülldetektive ein Fixpunkt bei ihrer Arbeit. „Zweimal in der Woche sind wir bestimmt hier“, erzählt Thiel.

An diesem Morgen kommen sie dem Umweltsünder schnell auf die Spur. Auf einem Amazon-Paket, das Teil des Stilllebens ist, klebt noch ein Adress-Aufkleber. Damit ist der Verursacher ausfindig gemacht. „Der bekommt jetzt einen Bußgeldbescheid über 150 Euro“, erzählen die Detektive. Das wird im Nachhinein ein teures Päckchen.

Herne: Manche Containerstandorte sind täglich verschmutzt

Auch an der Roonstraße lag an den Containern zuletzt häufig Müll, hier ein Bild von vor anderthalb Jahren.
Auch an der Roonstraße lag an den Containern zuletzt häufig Müll, hier ein Bild von vor anderthalb Jahren. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Verursacher – das hört sich so nüchtern an. Schmutzfinken, Dreckspatz trifft es wohl besser und scheint angesichts des Mülls, der an den Altglas- und Papiercontainern, aber auch an vielen anderen Stellen abgeladen wird, eher zurückhaltend ausgedrückt. Thiel, Kämper und Rapp bestätigen den subjektiven Eindruck, dass es in jüngerer Zeit immer schlimmer geworden ist. Dass der Standort an der Herzogstraße zu den „üblichen Verdächtigen“ gehöre, liege daran, dass es im unmittelbaren Sichtfeld keine Wohnbebauung gibt – und damit die soziale Kontrolle fehlt. Im Winter werde insgesamt mehr illegal entsorgt, weil dann länger die Dunkelheit Schutz bietet.

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Der frühere Entsorgung Herne-Chef Horst Tschöke hatte schon früh Handlungsbedarf erkannt und 2016 Container-Standorte von einem privaten Detektiv überwachen lassen. Leider mit einem so großen Erfolg, dass Thiel, Kämper und Rapp - die zuvor in anderen Bereichen bei Entsorgung gearbeitet hatten - seit Jahren in Vollzeit nach Müllsündern fahnden.

Einerseits gebe es die bekannten Brennpunkte, andererseits gingen sie Beschwerden der Bevölkerung nach. Die Arbeit hat in der Tat detektivische Elemente. So konnte Alexander Rapp einen Müllsünder überführen, weil er vom Fahrzeug aus – es hat getönte Scheiben – einen Standort observierte und den Täter quasi auf frischer Tat ertappen konnte. Müllsünder vor Ort anzusprechen, bringe in aller Regel wenig, wissen die drei, die Liste der Ausreden sei umfangreich. Womit wir beim Grauen Star wären. Als einer der Detektive einen Mann erwischte, der Altglas neben die Behälter stellte, lautet die Begründung: Er leide unter dem Grauen Star und könne deshalb die Farben nicht unterscheiden. . .

Detektive observieren und setzten zerrissene Adressaufkleber wieder zusammen

Bei der Fahndung nach den Verursachern legen die Mülldetektive Ehrgeiz an den Tag. Da wird auch schon mal so lange gepuzzelt, bis die Schnipsel eines zerrissenen Adressaufklebers wieder zusammenpassen, so dass ein Bußgeldbescheid auf den Weg gehen kann. Rapp: „Die Arbeit macht dann besonders Spaß, wenn man erfolgreich ist.“ In anderen Fällen befragen die Detektive Nachbarn, um den Sündern auf die Spur zu kommen. Sie packe einfach der Ehrgeiz, denn sie haben ein erklärtes Ziel: Herne soll schöner und sauberer werden. Dafür machen sich die drei auch gerne die Hände schmutzig - besser die Handschuhe. Die tragen sie, wenn sie Restmülltüten durchwühlen müssen oder mit scharfen oder spitzen Gegenständen hantieren müssen.

Dabei müssen sie sich eigentlich wie Sisyphos fühlen, der auf ewig einen Felsblock einen Berg hinaufwälzen muss. Dabei haben sie durchaus Begegnungen der skurrilen Art. So habe ihnen mal beim Öffnen eines Altkleidercontainers ein Kind entgegengeschaut. Es habe den Container ausräumen sollen. Den Detektiven war die Mutter neben dem Container aufgefallen. In einem anderen Fall schien eine Person an einem Container zu lehnen – sie entpuppte sich als Sex-Puppe. Auf die Frage, ob es sich dabei um einen Wertstoff handele, mussten die drei Detektive zunächst passen.

>>> POSITIVE BILANZ DER DETEKTIVE

■ Nach den Worten des neuen Entsorgung Herne-Chefs Carsten Sußmannkann sich die Bilanz der Mülldetektive sehen lassen.

■ Durch ihre Arbeit seien seit 2017 rund 4800 Bußgeldverfahren eingeleitet worden. In der Summe seien Bußgelder in Höhe von 156.000 Euro vollstreckt worden.