Herne. Dass in zwei Büchern ein Virus eine Rolle spielt, ist reiner Zufall: Was von Herner Autorinnen und Autoren 2020 noch erschienen ist.

Es sind eine ganze Menge Bücher, die im Laufe eines Jahres auf den Schreibtischen in der Herner WAZ-Redaktion landen. Autorinnen und Autoren aus Herne und Wanne-Eickel möchten sich in der WAZ mit Literatur oder Sachbuch den Lesern in ihrer Heimatstadt präsentieren, was auch in vielen Fällen passiert ist. Doch gelegentlich bleibt etwas liegen. Deshalb zur Jahreswende ein paar Tipps für Bücher, die 2020 erschienen, aber noch nicht vorgestellt worden sind. Gemeinsam ist ihnen: Menschen, die hier geboren wurden oder noch leben, haben sie geschrieben oder daran mitgewirkt.

Tiergeschichten

Der Bottroper Verlag Henselowsky Boschmann ist bekannt für seine unterhaltsamen Bücher über das Leben und die Menschen im Revier. Kürzlich ist eine neue Anthologie erschienen mit "Tiergeschichten aus dem Ruhrgebiet". "Der Dodo von Wanne-Eickel" heißt eine von ihnen - geschrieben von einem geborenen Wanne-Eickeler, Hartmut Kasper. Der Autor lebt heute in Gelsenkirchen und ist bekannt geworden als Verfasser von Perry-Rhodan-Heften. Zuletzt hat er für das Hörspiel „Hölderlins Fenster“ für die Beckmann-Geschwister den Text geliefert. In seiner Geschichte vom Dodo beschreibt Kasper mit Witz eine Kindheit in der Zechensiedlung, in der ein komischer schreitender Vogel die Aufmerksamkeit des Jungen erregt. Kurz vor Ostern ist er verschwunden ...

Auf die Spuren der Taubenzüchter begibt sich dagegen ganz ernsthaft der Herner Germanist Joachim Wittkowski in seinem Aufsatz "Notizen zum verblassenden sprachlichen Erbe der Brieftaubenzüchter im Ruhrgebiet". Es geht um den "Taumvatter", Taube und Täubin, Krätzer und Kröpper. Auch den Einfluss der französischen Sprache auf den Taubensport erläutert Wittkowski am Beispiel eines Begriffes wie "Konkurs", der sich von "concours" wie "Wettbewerb" herleitet. Und woher der Ausdruck "inne Uhr sein" kommt, weiß der Leser am Ende auch. Neben den beiden genannten Autoren mit lokalem Bezug zu Herne finden sich in dem Geschichtenband jede Menge bekannte Namen von Sigi Domke über Werner Streletz bis zu Inge und Sarah Meyer-Dietrich.
Hartmut Kasper u.a.: Tiergeschichten aus dem Ruhrgebiet. Wo Schweine pfeifen, Ziegen moppern und Tauben an das Gute glauben. Henselowsky Boschmann. 14,90 Euro.

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Thriller

Er nennt sich Ben Riffko und ist in Wanne-Eickel geboren, wo er die ersten Jahre seines Lebens verbrachte. Hauptberuflich international als Berater und Investor unterwegs, kennt sich der Jurist im Bereich Umwelttechnologien und erneuerbare Energien gut aus. Seine Begegnung mit einem ehemaligen Waffenhändler, der in die Produktion von Öl aus Algen investiert hatte, inspirierte ihn zu seinem ersten Thriller „Grünes Öl“, erschienen bei Heyne und 550 Seiten dick. Der Plot: Als Venture Capital Investor der CIA soll Peter Miller in Europa neue Wege erschließen, die amerikanische Energieversorgung zu sichern. In Belgien wird der Amerikaner fündig: Zwei junge Unternehmer sind auf dem besten Weg, aus genmanipulierten Algen Treibstoff zu gewinnen, der sowohl umweltfreundlich als auch preiswert ist. Diese Erfindung könnte die bestehende Weltordnung auf den Kopf stellen. Miller ist nicht der Einzige, der das außergewöhnliche Wissen des belgischen Start-ups und seiner Gründer erkennt. Bei der Suche nach Geldgebern geraten die Jungunternehmer ins Visier skrupelloser Investoren. Um ihre Interessen zu verfolgen, schrecken sie vor nichts zurück. Ungeahnte Aktualität erhält der Thriller in seinem Erscheinungsjahr durch Corona: Denn auch in Riffkos Thriller spielt ein Virus eine Rolle. Ein Terrorist greift damit die Metropolen Europas an, um Land und Öl für sich zu erpressen.
Ben Riffko: Grünes Öl. Heyne. 14,99 Euro.

An seinen ersten Öko-Thriller wagt sich auch der in Herne ansässige Krimischreiber Jan Zweyer nach etlichen Ruhrgebiets-Krimis (die zum Teil historisch ausgerichtet waren und von den 20er-Jahren bis in die Zeit der frühen Bundesrepublik spielten) und fünf historischen Schmökern (darunter die Trilogie „Das Haus der grauen Mönche“). „Der vierte Spatz“ ist genau jener, der nach einem Lkw-Unfall aus einem Forschungslabor an der Bochumer Ruhr-Universität entkommt – und ein weltweites Massensterben unter Vögeln auslöst, weil er mit einem künstlich erzeugten Virus infiziert ist. Die Folgen sind unabsehbar: Die nunmehr ungehemmte Vermehrung von Insekten führt im Laufe der Jahre zu Missernten, überdosierter Pestizidverwendung und befeuert am Ende Bürgerkriege bis hin zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Mächten wie dem Iran und den USA. In der Zwischenzeit versucht ein Reporter-Duo eines Hamburger Nachrichtenmagazins herauszufinden, wer hinter dem Bochumer Virus-Labor steckt, wer die Auftraggeber für die Forschungen waren. (JD)
Jan Zweyer: Der vierte Spatz. Riva Verlag.19,99 Euro.

Frauenroman

Franka Bloom schreibt für Frauen in der Mitte ihres Lebens. Frauen, die ungefähr so alt sind wie die Autorin, die einst als Heike Rübbert in Wanne-Eickel aufwuchs und über ein Volontariat in einem Fachverlag für Mode zum Schreiben fand. 2017 kam ihr Debütroman bei rororo auf den Markt und danach ging es flockig Schlag auf Schlag. Auf den Erstling "Anfang 40, Ende offen" folgte "Mitte 40, fertig los" und wieder ein Jahr später "Anfang Sommer, alles offen", inspiriert von einer Interrailtour der Schriftstellerin mit einer Freundin. 2020 nun ein neues munteres Abenteuer: Eva, die Heldin von "Die Mitte ist ein guter Anfang", bekommt von ihrem langjährigen Partner einen Heiratsantrag. Ein Grund zur Freude, mit fast 50? Wo sich um sie herum alle trennen! Unwillkürlich beginnt Eva, ihr Leben zu hinterfragen. Bezüge zum Biografie von Franka Bloom sind auch hier nicht von der Hand zu weisen. Die in Leipzig lebende Autorin, die neben Unterhaltungsromanen auch Drehbücher schreibt, hat sich selbst nach 20 Jahren wilder Ehe noch einmal getraut.
Franka Bloom: Die Mitte ist ein guter Anfang. Rowohlt Taschenbuch. 11 Euro.

Literaturgeschichte

35 Jahre Literaturgeschichte des Ruhrgebiets bildet ein ansprechend gestalteter Band des Regionalverbandes Ruhr ab, mit 33 Porträts von Trägerinnen und Trägern des Literaturpreises Ruhr. Mitverantwortlicher Autor von "Ausgezeichnet" ist der Herner Schriftsteller Volker W. Degener, lange Vorsitzender des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller in NRW. Er hat seit Beginn des Wettbewerbs bis zum Jahr 2019 der Jury angehört. Mit ihm haben WAZ-Kultur-Chef Jens Dirksen und der Literaturwissenschaftler Hannes Krauss die Autoren porträtiert, beginnend mit der ersten Preisträgerin, der Lyrikerin Liselotte Rauner, bis hin zu Elke Heinemann, die 2018 für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet wurde. In komprimierter, aber gut lesbarer Form skizzieren die Verfasser auf gut 200 Seiten Leben und Werk der großen Vertreter der Ruhrgebietsliteratur wie Max von der Grün, Josef Reding oder Jürgen Lodemann, aber auch junge Autorinnen wie Lütfiye Güzel, geboren 1972, eine Tochter türkischer Einwanderer, die in knappen Texten aus ihrem Alltag im Ruhrgebiet erzählt. Ihr wurde übrigens 2017 der Preis im Herner Literaturhaus verliehen, eine Premiere. Mit Harald Hartung hatte fünf Jahre zuvor der bisher einzige Herner 80-jährig einen Preis bekommen. Der Bergmannssohn und spätere Literaturprofessor wurde als Lyriker, Essayist und Herausgeber gewürdigt.
Regionalverband Ruhr (Hg.): Ausgezeichnet. Literaturpreis Ruhr - 33 Porträts. Verlag Kettler. 19,80 Euro.

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