Herne. . Die Duisburgerin wird für ihre explosiven Alltagsbeobachtungen ausgezeichnet. Die Förderpreise gehen an Doris Konradi und Sascha Pranschke.

  • Der 32. Literaturpreis Ruhr von RVR und Literaturbüro Ruhr ist in Herne verliehen worden.
  • Die Duisburger Autorin Lütfiye Güzel erhielt den mit 10 000 Euro dotierten Preis im Literaturhaus
  • Doris Konradi und Sascha Pranschke bekamen die Förderpreise in Höhe von je 2555 Euro

Die Preisträgerin bedankte sich mit einem einzigen Satz: „Das war eine mutige und eine gute Entscheidung.“ Dann las Lütfiye Güzel aus „faible?“, ihrem „best of“ aus dem eigenen Verlag, go-güzel-publishing. Und schnell wurde deutlich, was die Jury bewogen hatte, der 45-jährigen Autorin aus Duisburg den diesjährigen Literaturpreis Ruhr zuzusprechen. Ausgelobt hatten ihn zum 32. Mal der Regionalverband Ruhr und das Literaturbüro Ruhr in Gladbeck. In Hernes Literaturhaus wurde er am Freitag verliehen.

Gedichte und Prosa aus dem Alltag zwischen Schreiben und Einkaufen

Güzel verfasst Gedichte und Prosa über ihren Alltag zwischen Schreiben und Einkaufen, Leben und Sterben. Oder wie sie es im Klappentext ausdrückt: „Lütfiye Güzel, Lyrikerin aus Marxloh, auch oft in Berlin und on the road, terrorisiert mit inzwischen acht Veröffentlichungen den grauen Alltag, melancholisch und ohne Umwege.“ Sie kümmere sich wenig um die Literaturszene, bekannte die Autorin nach der Preisverleihung im Gespräch. „Ich mache einfach mein Ding.“ Dazu gehört neben dem Schreiben und Verlegen eigener Text die Ermutigung junger Leute in Schreib-Workshops. Sie freue sich, dass der Preis an eine „Außenseiterin“ gehe, so Güzel, „weil ihn das etwas entstaubt“.

Das Publikum im voll besetzten Literaturhaus.
Das Publikum im voll besetzten Literaturhaus. © Rainer Raffalski

Von „poetischen Schrappnellen“ hatte Hannes Krauss, einer der Juroren, in seiner kurzweiligen Laudatio gesprochen. In Güzels Texten paare sich „vordergründige Schlichtheit mit Hintersinn“, sagte Krauss. „Hier sind Gedanken, Beobachtungen, Wahrnehmungen komprimiert, die oft erst im Nach- und Weiterdenken ihre Explosivität entfalten.“ Auch von den türkischen Eltern und den Schwestern ist die Rede. Doch ihre Biografie sei nicht Thema, sagte Krauss, sondern „Ausgangspunkt für den fremden, das heißt besonders genauen Blick.“

Originell und spielerisch inszeniert

Vor Krauss hatte Jurorin Ulli Langenbrinck die diesjährigen Förderpreisträger gewürdigt, Doris Konradi aus Köln und Sascha Pranschke aus Dortmund. Sie hatten wie 196 Mitbewerber das Thema „Das Klopfen an der Tür“ aufgegriffen. In Pranschkes Erzählung „Reparaturen“ ist es ein gebückter Unbekannter namens Berger, der bei Jablonsky plötzlich vor der Tür steht und sich in sein Leben drängt.

Der Akkordeonist Robert Kuisolek gestaltete den musikalischen Rahmen.
Der Akkordeonist Robert Kuisolek gestaltete den musikalischen Rahmen. © Rainer Raffalski

„Ebenso originell wie spielerisch“, so die Laudatorin, inszeniere der Autor seine Geschichte als „surreal anmutende feindliche Übernahme“. Pranschkes Erzählung habe mit ihrer „souveränen pointierten Erzählweise“, ihrem „originellen vielschichtigen Plot“ und ihrer hohen literarischen Qualität gleich überzeugt.

Doris Konradi erzählt in „Der Maulwurf“ von einer Studentin, die sich von ihrem Nachbarn beobachtet fühlt. Sie ist es, die schließlich bei dem Mann anklopft, einmal, dann täglich. Er öffnet nie. „Stilistisch elegant sensibel und mit hoher poetischer Qualität“ schildere die Autorin die „subtile Bedrohungssituation, in der jedoch äußerlich nicht wirklich Bedrohliches geschieht“, so Ulli Langenbrinck. „Mit feinen Strichen“ zeichne sie „eine atmosphärisch dichte Momentaufnahme aus dem Ruhrgebiet“.

Preis soll nur noch alle zwei Jahre vergeben werden

Der mit 10 000 Euro dotierte Literaturpreis Ruhr wurde erstmals im Literaturhaus übergeben und zum dritten Mal in Herne. Die Förderpreise sind mit jeweils 2555 Euro dotiert. „Ich hoffe, dass wir den Preis weiter jährlich verleihen können“, sagte der Juryvorsitzende Volker W. Degener am Rande der Veranstaltung. Der Herner Schriftsteller spielte auf Überlegungen des RVR an, den Preis nur noch alle zwei Jahre zu verleihen. In einer Region, in der solche Preise nicht gerade zuhauf vergeben würden, sei es wichtig zu zeigen, dass es Literatur gebe, die „hörens- und lesenswert“ sei. Die Summe sei über Jahre nicht erhöht worden. Vor den Laudatoren hatten Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin des RVR, und dessen stellvertretender Kulturausschuss-Vorsitzender Jörg Obereiner gesprochen. Als Vertreterin der Stadt Herne hatte Bürgermeisterin Andrea Oehler das Publikum im ausverkauften Saal begrüßt.