Heiligenhaus/Essen. Der Deutsche Wetterdienst vermisst täglich mit Sonden das Wetter. Wenn die vom Himmel fallen, dann ist Marvin Rzok aus Heiligenhaus zur Stelle.
Es ist ein Uhr am Montagmorgen dieser Woche, als der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Essen-Schuir seine Radiosonde mit der Kennung „T1920897“ startet. Sie steigt über Velbert und Neviges hinweg auf 34.793 Meter Höhe, sammelt Wetterdaten und landet 150 Kilometer entfernt im rheinland-pfälzischen Meudt. Zu weit weg für Marvin Rzok. Der Heiligenhauser wirft sein Auge aktuell lieber auf Wetterballons, die der Wind aus dem belgischen Brüssel ins Rheinland und Ruhrgebiet weht. Über eine Jagd nach Technik, die vom Himmel fällt.
18 Sondierungen führt alleine der DWD täglich durch, um von acht Standorten in ganz Deutschland aus den Himmel zu vermessen. Ein GPS-Gerät gibt sekündlich die Position durch, Sensoren senden Zahlenkolonnen über Luftdruck, -feuchte oder -temperatur zum Empfänger. Nach getaner Arbeit stürzen 150 Gramm Elektroschrott zurück gen Erde. An einem Fallschirm mit Radfahrer-Geschwindigkeit, wie Dr. Wolfgang Steinbrecht vom DWD beruhigt. „Das ist so ähnlich, wie jemanden mit einer Tafel Schokolade oder einem Stück kalter Butter zu bewerfen“, sagt der Experte, um zu betonen: „Von Personenschäden habe ich noch nichts gehört.“
Jagd nach den Radiosonden des Deutschen Wetterdienstes (DWD)
Was nicht heißt, dass keine Personen am Landeort sind, denn alleine die Radiosonde enthält Technik im Wert von bis zu 190 Euro. Ältere Semester jagen sie mit Richtantennen, die vom Prinzip an Wünschelruten erinnern. Marvin Rzok hat dagegen seine eigene Software programmiert, die GPS-Daten an sein Handy funkt und ziemlich zielsichere Vorhersagen trifft. Wenn ein möglicher Standort erreichbar ist, dann schwingt sich der 19-Jährige auf sein Rad und tritt in die Pedale. Schließlich ist Rzok ständig auf der Suche nach neuem Material für seine Projekte.
Rote Haare, wache Augen, ein scharfer Verstand: Der Heiligenhauser fällt auf. Auch durch seine Arbeit. Von Steinschleudern und Lego-Robotern in der Kindheit ging es zu einem Youtube-Kanal, auf dem „MarVtec“ für seine 7000 Abonnenten seit sechs Jahren CNC-Fräsen auseinander und Tauchroboter zusammen baut. Während er damit eine kleine Gruppe von Menschen über Hightech informiert, handeln seine erfolgreichsten Videos von einfacheren Anleitungen – etwa Knalleffektpulver aus Streichhölzern (284.000 Aufrufe) oder Fidget-Spinnern (115.000 Aufrufe). „Absolut albern“ nennt der Youtuber das mit einem Lachen, ein bisschen Spaß muss einfach sein.
Daneben steht in seiner Erfinder-Vita aber auch ein voll automatisiertes Miniatur-Gewächshaus sowie ein 3D-Drucker, der mit Vollmilchschokolade den Kopf des Terminators modellierte. Der duale Student der Mechatronik und Produktentwicklung – ein Tausendsassa unter den Tüftlern.
Marvin Rzok aus Heiligenhaus tüftelt nachhaltig
Zurück zu Radiosonden und Wetterballons. Letztere hatte Rzok schon selbst in den Fingern, als er gemeinsam mit einem Projektteam an der Gesamtschule Heiligenhaus eine eigene Konstruktion bis in die Stratosphäre steigen ließ, inklusive Messwerten und sehenswerten Kameraaufnahmen. Radiosonden dagegen darf der 19-Jährige seit dem 17. Juli diesen Jahres offiziell selbst umprogrammieren, dank erfolgreich erworbener Amateurfunkerlizenz.
Das ist insofern wichtig, als dass dem Heiligenhauser Recycling am Herzen liegt. „Ich werfe so gut wie nichts weg“, sagt Rzok und schätzt, dass er 70 Prozent seiner Projekte demontiert, um sie anschließend einer neuen Bestimmung zuzuführen. „Den Rest nutze ich auch im Alltag.“
Nicht nutzen kann der DWD dagegen die alten Radiosonden, denn die seien nicht recycelbar, wie Wolfgang Steinbrecht erklärt. „Meistens ist der Temperatursensor – ein ganz feiner Draht – kaputt. Reparatur, Reinigung und die notwendigen Tests wären teurer als eine neue Sonde“, sagt der Experte und gibt zu, dass manche Sonden auch lange liegen blieben. „Bei den heutigen Sonden wird darauf geachtet, dass sie möglichst wenig umweltschädlich sind. Das ‘Gefährlichste’ sind die verwendeten handelsüblichen Batterien.“ Umso wertvoller ist die Jagd von Marvin Rzok und seinen Gefährten.
>> Marvin Rzok: Der Drucker-Tester, dem die Industrie vertraut
Ein weiteres Steckenpferd von Marvin Rzok ist der Umgang mit 3D-Druckern. 400 Euro habe sein erster Bausatz gekostet, erinnert sich der Student, die wachsende Expertise sprach sich rum. „Mit ungefähr 15 Jahren fing es dann an, dass Firmen über meinen Youtube-Kanal auf mich aufmerksam geworden sind.“
Die richteten Anfragen an den Heiligenhauser, ob der nicht ihre Geräte testen wolle. Darunter große chinesische Hersteller wie Creality 3D Technology oder Anycubic aus Shenzhen sowie Renkforce des deutschen Elektronik-Versandhändlers Conrad.
„Es ist noch mal etwas anderes, wenn der Drucker bei mir 100 bis 1000 Stunden läuft. Ich gebe dann Rückmeldung, was mir aufgefallen ist und was sich noch verbessern lässt“, erzählt der 19-Jährige, der das eine „Win-Win-Situation“ nennt. Inzwischen bekomme er jeden Tag Mails mit Anfragen – die auch von 3D-Druckern weggehen. „Letztens ging es um eine Duschbrause mit Stromstecker, damit diese leuchtet. Das war natürlich großer Quatsch“, sagt Rzok mit einem Lachen.