Essen. Wie entsteht die Wettervorhersage? Und was passiert, wenn auf 30 Kilometern der Wetterballon platzt? Ein Video-Besuch beim Deutschen Wetterdienst
Dutzende Tabellen hängen an der Wand, knallbunte Klimabilder und Kurvendiagramme wechseln sich auf den Computerbildschirmen ab, und über drei riesige Monitore flackern Strömungsfilme, Karten, Zahlen und Listen. Und das nur um zu wissen, wie übermorgen das Wetter wird. Meteorologie ist komplexe Wissenschaft. Wir erklären, wie's geht – auch in unserem Video!
Ines Wiegand ringt um Worte. "Ich versuche es mal einfach auszudrücken", sagt sie. Dann legt die Meteorologin des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Essen los. Aber schnell wird klar: So einfach ist das wirklich nicht. Ein Vollzeitstudium lässt sich nicht in eine halbe Stunde pressen.
Das Wetter von jetzt plus X
Basis für alle Wettermodelle ist der Ist-Zustand. Dazu werden auf drei Wegen Daten gesammelt – per Bodenstation, Wetterballon und Satellit:
- Rund 500 Wetterstationen in Deutschland (45 in NRW) senden kontinuierlich Wetterdaten wie Temperatur, Niederschlag, Luftfeuchte, Wind oder Sichtweite in die DWD-Zentrale nach Offenbach.
- An den zehn deutschen DWD-Niederlassungen steigt zusätzlich ein Wetterballon auf, unter anderem in Essen. Zweimal täglich startet an der Station in Bredeney ein Heliumballon, der eine Messsonde in die Höhe trägt. Sie misst Temperatur und Luftdruck in verschiedenen Luftschichten. Zudem sendet sie ein GPS-Signal, aus dem die Meteorologen auf die Windgeschwindigkeit schließen können – je weiter die Sonde vom Startpunkt entfernt ist, desto stärker ist der Wind. Weil der Luftdruck in großer Höhe abnimmt, dehnt sich der Ein-Meter-Ballon bis auf die Größe eines Hauses aus und platzt schließlich. Dann fällt die Sonde (ca. ein Kilo schwer) aus bis zu 30 Kilometern Höhe an einem Fallschirm zurück auf die Erde – je nach Windstärke in NRW, Ostdeutschland, Polen, Russland... Größere Schäden verursacht sie dabei nicht, versichert ein DWD-Sprecher aus Offenbach. Die Sonden sind Einweg-Geräte. Wer sie findet, darf sie behalten.
- Mehrere internationale Wettersatelliten senden die aktuelle Bewölkung, Wolkenart, Niederschläge, Temperatur und andere Daten an die Wetterdienste, auch zur DWD-Zentrale. Satelliten sind vor allem dort wichtig, wo es keine Bodenstationen gibt, wie über dem Meer oder in weiten unbewohnten Gebieten.
- Dazu kommen Stationen auf Schiffen oder im Meer, die die Wassertemperatur messen.
- Und nicht nur lokal werden Wetterdaten gesammelt, sondern rund um den Globus.
Die DWD-Zentrale in Offenbach sammelt alle Daten und leitet sie weiter an die zehn Regional-Niederlassungen. Jetzt können auch Ines Wiegand und ihre Essener Kollegen mit den Daten arbeiten.
Rechner spuckt verschiedene Modelle aus
Aus den aktuellen Wetterdaten erstellen die Meteorologen für ihre Vorhersage mehrere Wettermodelle. Dazu geben sie dem Computer Rechenaufgaben: Zu den Wetterdaten von jetzt bauen sie für verschiedene Wettermodelle kleine Varianten ein. Dann rechnet der Computer das aktuelle Wetter weiter – und bezieht dabei alle physikalischen Gesetze wie Luftdruck-Differenzen, Luftfeuchte oder Sonnenstand ein.
Auf die nächsten zwei, drei Tage gesehen ähneln sich die Modelle meist. Dann driften sie stark auseinander, weil die kleinen Datenvarianten die möglichen Wetter-Versionen immer unterschiedlicher machen.
Jetzt müssen die Meteorologen die Modelle bewerten. Welche sind plausibel? Bei welchen sagt die Erfahrung 'Das kann nicht sein'? Oder ist die Wetterlage so stabil, dass alle Modelle ähnlich sind? Am Ende entscheiden sich die Meteorologen für das plausibelste Modell.
Manchmal sind sieben Tage sicher – manchmal nur zwei
Die Experten können bis zu sieben Tage recht sicher überblicken – je nach Wetterlage sind es manchmal auch nur zwei oder drei Tage, erklärt Ines Wiegand. Denn instabile Wetterlagen machen Meteorologen oft ratlos. Hohe Luftfeuchtigkeit, große Differenzen zwischen Luftdrücken in verschiedenen Höhen – das klassische Gewitterwetter ist schwierig vorherzusagen. Wann kippt die Lage? Wann drückt Luft aus einer Hochdruckzone in eine Zone mit niedrigem Druck und produziert Sturm? Und wo entlädt sich das Gewitter denn nun?
Das typische "lokale Unwetter" eben. Das lässt sich oft nur wenige Stunden zuvor vorhersagen, egal, wie hochaufgelöst die Wettermodelle auch sind.