Hattingen. Die Bestattungskultur hat sich stark gewandelt, weiß die Hattinger Bestattermeisterin Isabell Neumann. Nicht nur bei der Beerdigungszeremonie.
Neulich hat Isabell Neumann eine Beerdigung begleitet, bei der für den Verstorbenen auf der Kirchenorgel ein Evergreen aus den 1980er-Jahren gespielt wurde: „Niemals geht man so ganz…“ Sehr bewegend sei das gewesen, sagt die Vorsitzende des Bestatterverbandes Ennepe-Ruhr. Und ein gutes Beispiel für den jüngsten Wandel in der Bestattungskultur. Weg von bis ins Detail durchritualisierten Trauerfeiern hin zu Lebensfeiern, die die Individualität der Verstorbenen stärker berücksichtigen.
„Wir feiern bei einer Beerdigung ja nicht die Trauer“
Isabell Neumann, die zusammen mit ihren Eltern das Bestattungshaus Stratmann in der Hattinger Altstadt führt, begrüßt diese Trendwende. „Wir feiern bei einer Beerdigung ja nicht die Trauer“, sagt die 44-Jährige, „sondern würdigen das Leben eines Menschen, der verstorben ist.“ Das Motorrad, auf dem die Tote zu Lebzeiten so gern durch die Gegend gefahren ist oder das Trikot des Fußballfans von seinem Verein, das bei einer Lebensfeier neben Urne oder Sarg steht, aber auch das Lieblingslied eines Verstorbenen, das vor der Beisetzung noch einmal erklingt: All das trägt dazu bei, das Abschiednehmen sehr individuell und persönlich werden zu lassen. „Dafür müssen sich Angehörige allerdings auch sehr bewusst mit dem Tod des Verstorbenen auseinandersetzen.“
Die richtige Gestaltung des Abschieds sei für trauernde Hinterbliebene dabei stets der erste Schritt auf dem Weg des Loslassens, betont die Bestattermeisterin. Was genau hier richtig ist und was falsch, bewertet sie indes nicht. Isabell Neumann sieht sich und ihre Kolleginnen und -kollegen hier vielmehr in der Rolle der Beraterinnen und Berater, die den Trauernden zugewandt sind. „Jeder Mensch muss eine Beerdigung so gestalten, wie es für ihn richtig ist.“ Dies gelte übrigens nicht nur für die Trauer- beziehungsweise Lebensfeier, sondern auch für die Wahl der Bestattungsform (Erd- oder Feuerbestattung) und der Beisetzungsart. Auf den Friedhöfen in Hattingen sind dabei Beisetzungen in Kolumbarien, Reihen-, Wahl- und Baumgräbern sowie anonym auf Rasenfeldern möglich. Bei manchen dieser Grabarten haben Angehörige ein Gestaltungs- und Pflegerecht, bei anderen nicht.
Nachfrage nach pflegefreien Gräbern deutlich verstärkt
Deutlich verstärkt habe sich dabei in den letzten ein, zwei Jahrzehnten die Nachfrage nach pflegefreien Gräbern, sagt Isabell Neumann – etwa in Form von Rasenwahlgrabstätten. Vielfach hätten Verstorbene dabei bereits zu Lebzeiten festgelegt, auf diese Weise beerdigt werden zu wollen. „Sie wollen ihren Angehörigen, die oft ja auch nicht mehr in der Nähe wohnen, nicht zur Last fallen.“
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Zunehmend mehr Menschen würden zudem in Urnen bestattet, den Anteil der Feuerbestattung schätzt Isabell Neumann derzeit auf gut 70 Prozent. Sie führt diese Veränderung in der Bestattungskultur vor allem auf die deutlich geringeren Kosten einer Feuerbestattung zurück. Seit 2004 das gesetzliche Sterbegeld abgeschafft worden ist, weder Krankenkassen noch der Staat für eine Beerdigung mitaufkommen, sei die Kostenfrage ein (noch) gewichtigeres Argument für die Wahl der Bestattungsform geworden.
Der Trauernde muss mit der Wahl der Bestattungsform zurecht kommen
Welche Wahl hier jemand treffe, bleibe so oder so aber eine ganz persönliche Entscheidung, betont Isabell Neumann – ebenso wie die Entscheidung über die Beisetzungsart. „Der Trauernde muss damit zurecht kommen – nicht nur für den Moment, sondern für die nächsten zwei bis drei Jahrzehnte.“ Je nachdem, wie lange der Vertrag für die jeweilige Grabstätte läuft.
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Manchmal bereuten Menschen dabei ihre einst getroffene Entscheidung – einige, weil sie sich mit der Grabpflege überfordert fühlen, mehr indes, weil sie früher oder später doch die Möglichkeit einer gewissen individuellen Gestaltung ihrer Grabstätte vermissen. Denn etwa für die Kolumbarien in Hattingen auf den drei städtischen Friedhöfen sowie auf dem evangelischen Friedhof an der Bredenscheider Straße gelten strengste Regeln. Ein Anspruch, Grabschmuck abzulegen, besteht auf ihnen allen nicht. Gleiches gilt für die Baumgräber auf diesen Friedhöfen.
Sie wünscht sich für Kolumbarien hier „etwas mehr persönlichen Gestaltungsspielraum“
Isabell Neumann hält das für nicht erforderlich, Beispiele in anderen Städten zeigten dies. Für pflegefreie und – im Gegensatz zu den anonymen Bestattungsgräbern – stark nachgefragte Kolumbarien etwa wünscht sich die Bestattermeisterin für Hattingen daher für die Zukunft „etwas mehr persönlichen Gestaltungsspielraum“.
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