Hattingen. Objekte auf Friedhöfen, die Raum lassen für religiöse Assoziationen, hält Egon Stratmann aus Hattingen für wichtig. Das sind die Gründe:
Das Wetter meint es gut an diesem Mittag, da Egon Stratmann auf dem katholischen Friedhof an der Bismarckstraße sein meterhohes Monument inmitten der Anlage zeigt. Die Sonne schimmert durch die gläserne Christus-Gestalt; die scheint in diesem Moment aus dem rostenden Stahl, in den der Blankensteiner Künstler sie eingefasst hat, geradezu in Richtung Himmel zu schweben. Das christliche Auferstehungsthema des Werkes: Es wird in diesem Moment besonders gut sicht- und nachvollziehbar.
Egon Stratmann hat das Christus-Monument an der Bismarckstraße im Jahre 2008 geschaffen, im Auftrag des damaligen Kirchenvorstandes der Stadtpfarrei St. Peter und Paul. Es ist eine der jüngeren Arbeiten des inzwischen 85-Jährigen für die Kirche, mit denen er – neben seinen eindringlichen Bildern zur Henrichshütte – eindrucksvoll Spuren hinterlassen hat. Doch auch, wenn die Arbeit für die Kirche für ihn stets berufliches Standbein war, so betont er doch immer wieder den Wert von Friedhofskunst als Erhalt von Kultur.
Die Erinnerung erhalten an die Wurzeln unserer Kultur
Er finde es „ganz wichtig“, sagt Egon Stratmann etwa, dass es auf Friedhöfen auch heute und in Zukunft noch Objekte gebe, die Raum ließen für religiöse Assoziationen. „Wir müssen die Erinnerung erhalten an die Wurzeln unserer Kultur“, mahnt er. „Ansonsten geben wir etwas Wesentliches auf von unserer Jahrtausende alten Grabkultur.“ Es bestehe dann die Gefahr, so Stratmann, „dass in unserer Konsum- und Leistungsgesellschaft irgendwann nur noch das wertgeschätzt wird, was Erfolg verspricht“.
Friedhofskunst sei darüber hinaus aber auch deshalb wichtig, so Stratmann, „weil sie hilft, sich beim Gang über den Friedhof zu erinnern an die Endlichkeit unseres irdischen Lebens. Und weil kunstvoll gestaltete Gräber einem ganz persönlich helfen bei der Erinnerung an denjenigen, wegen dem man diesen Ort aufsucht.“ Nur mit kleinen Namensplättchen versehene Rasenflächen, wie es sie heute auf unseren Friedhöfen zunehmend mehr gebe, leisteten das nicht.
Friedhöfe brauchen eine Atmosphäre, die hilft, sich zu erinnern
Egon Stratmann sagt, er selbst habe schon früh Kontakt zur Kirche gehabt. Doch auch, wer keinen Bezug zu dieser habe, brauche auf einem Friedhof eine Atmosphäre, die ihm hilft, sich an den Verstorbenen zu erinnern.
Wie das auch ohne christliche Symbolik gelingen kann, hat der Blankensteiner bereits vor mehr als 30 Jahren mit einer Arbeit auf dem städtischen Friedhof an der Waldstraße verdeutlicht. Dort nämlich hat Egon Stratmann, der sich selbst einmal als „Maler und Gestalter“ statt als Künstler bezeichnet hat, 1989 den Eingang der Friedhofskapelle großflächig bemalt. Anstatt der bis dato weißen Wand sehen Besucherinnen und Besucher seitdem vor dem Betreten der Kapelle eine ins Bild gesetzte Interpretation der Phönix-Sage – jenes Vogels aus der griechischen Mythologie, der am Ende seines Lebenszyklus‘ verbrennt, um aus seiner Asche wieder neu zu erstehen. Im Innern der kleinen Kapelle lässt dann ein in Gelb- und Lilatönen gehaltenes Glasfenster Assoziationen aufkommen, als begebe man sich an diesem Ort aus der Dunkelheit ins Helle.
Besondere Grab-Denkmäler
Zu unserer Friedhofskultur, sagt der Hattinger Künstler Egon Stratmann, gehören auch Grab-Denkmäler mit Berufsbezug.
Er selbst hat dabei einmal eine Stahlbiegung für einen Walzwerker angefertigt – das Kunstwerk mit dem Titel „Dem Walzwerker“ ist heute im Bestand des Museums für Sepulkralkultur in Kassel, das sich ganz allgemein mit Grab- und Gräberkultur befasst.
Weitere interessante Beispiele für individuell gestaltete Grabdenkmäler gibt es immer wieder mal auf Friedhöfen zu entdecken. So etwa hat Egon Stratmann vor einigen Jahren beim Besuch eines Friedhofes im süddeutschen Raum einen besonderen Grabstein für einen 2003 Verstorbenen entdeckt. Dieser war zu Lebzeiten Domorganist und Komponist. Dessen Grabmonument zieren zahlreiche Noten.
Den Gefühlen der Abschied Nehmenden Raum geben
„Eine echt trauernde Gemeinde fühlt sich nicht angenommen in ihren Gefühlen, wenn eine Beerdigung in einem Raum stattfindet, der eine Atmosphäre wie in einer Sporthalle versprüht. Ein Raum, in dem man Abschied von jemandem nimmt, muss den Gefühlen der Abschied Nehmenden Raum geben“, betont Stratmann.
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Eine weiße Wand, ein kahler Raum allerdings schaffe eine solche die Trauernden wertschätzende Atmosphäre nicht. Auch setze sie kein Zeichen, dass der Verstorbene es wert ist, sich an ihn zu erinnern, sagt der Blankensteiner. „Es ist aber unser aller Aufgabe als Gesellschaft, die Erinnerung an die Verstorbenen wachzuhalten – in einer würdigen Weise. Denn jeder Mensch ist von seinem ersten Atemzug an erinnernswert.“
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