Hattingen. Bodo Steinhauer, Pfarrer in Hattingen, verrät, worauf es bei letzten Worten über Verstorbene ankommt, was tabu ist und ob gelacht werden darf.

„Jeder Mensch“, sagt Bodo Steinhauer, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Winz-Baak, „hat Botschaften – laute wie leise. Und für mich ist es wichtig, diese Lebensbotschaften eines Menschen in einer Trauerrede auch zu benennen.“ Schließlich sollen die letzten Worte, die er über einen Verstorbenen spricht, noch einmal etwas von dessen Lebendigkeit spürbar werden lassen. Für die Angehörigen und die übrige Trauergemeinde.

Den Hinterbliebenen mit Hilfe positiver Erinnerungen Trost spenden

Ziel seiner Trauerreden sei es dabei stets, die Persönlichkeit und das Leben eines verstorbenen Menschen zu würdigen und andererseits den Hinterbliebenen mit Hilfe positiver Erinnerungen Trost zu spenden und die Möglichkeit zu erweitern, sich von diesem „verabschieden zu können“, sagt Bodo Steinhauer. „Das ist in erster Linie ein seelsorglicher Prozess.“ Doch auch, wenn er viele der Verstorbenen, denen er letzte Worte widmet, schon zu Lebzeiten kannte, so betont er: Eine Trauerrede brauche Zeit. Und ein intensives Gespräch mit den Angehörigen im Vorfeld.

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Bodo Steinhauer besucht hierzu den oder die Angehörigen einige Tage, mitunter auch Wochen vor einer Beisetzung in ihrer häuslichen Umgebung. Dass jemand dies ablehnt, sagt er, „habe ich noch nie erlebt“. Von etwa einer Stunde bis zu vier Stunden haben solche Trauerbesuche bisher gedauert. Das sei ganz individuell. Bodo Steinhauer sagt, es gebe keinen festen Ablaufplan für den Besuch. „Ich füge mich in die Situation ein, in der sich die Angehörigen gerade im Angesicht des Todes befinden – organisatorisch und emotional.“

Ein Trauerbesuch braucht eine gewisse Alltäglichkeit

Dabei trägt der 63-Jährige nicht unbedingt schwarz, sondern gedeckte Farben. „Ein Trauerbesuch braucht eben auch eine gewisse Alltäglichkeit“, begründet er. Dadurch werden vertrauensvolle Gespräche zwischen ihm und dem oder den Angehörigen leichter möglich.

Als ein „achtsames Hinsehen auf das Leben des Verstorbenen“ beschreibt er ein jedes Trauergespräch. Eine „absolute Sprachunfähigkeit“ bei den Hinterbliebenen, eine Unfähigkeit also, auch nur irgendetwas über den Verstorbenen sagen zu können, habe er dabei „noch nie erlebt“, betont Bodo Steinhauer. Wohl aber „eine gewisse Scheu, in die Lebensvergangenheit und Lebenstiefe des Verstorbenen zurückzugehen“.

Vom Wunsch nach religiös geprägten Trauerreden

Pfarrer Bodo Steinhauer hat Trauerreden nicht nur für Verstorbene der evangelischen Kirchengemeinde Winz-Baak gehalten, soweit es seine Zeit zugelassen hat, ist er auch Bitten von außerhalb nachgekommen.

Fast die Hälfte der Trauerreden hat er dabei in den letzten Jahren für Nicht-Mitglieder seiner Gemeinde gehalten.

„Oft haben selbst Menschen, die nicht in regelmäßiger Beziehung zu Gott gelebt haben, im Moment einer Grenzerfahrung, wie der Tod es ist, dann doch den Wunsch nach einer gewissen religiös geprägten seelsorglichen Begleitung“, sagt Bodo Steinhauer.

Umso hilfreicher findet er es manchmal, wenn mehrere Mitglieder der Kernfamilie bei einem solchen Trauergespräch anwesend sind. Weil er dann mehr Facetten über das Leben des Verstorbenen erfährt und diesem in seiner Trauerrede gerechter werden kann. Auch wenn er danach vor der Aufgabe steht, verschiedene Sichtweisen auf den Verstorbenen zusammenzubringen. Eine Trauerrede sei nun einmal eine „sehr komplexe Angelegenheit, weil auch das vergangene Leben in jedem Fall komplex ist“.

Der Pfarrer würdigt ein jedes Leben auf seine Weise

Bodo Steinhauer sagt, er wolle in seinen Trauerreden das „Eigentliche eines Lebens und das, was es getragen hat, in Erinnerung rufen“. Bei einer Verstorbenen, die Zeit ihres Lebens etwa sehr zurückgezogen gelebt hat, „weil ihr womöglich Geborgenheit sehr wichtig war und sie den privaten Schutzraum für ihre Sicherheit brauchte“, ebenso wie bei einem Toten, der in zahlreichen Institutionen wirkte und dessen Lebensbotschaft vielleicht darin bestand, dass erst gesellschaftliches Engagement das Leben lebenswert macht. Er selbst bewerte die Leben Verstorbener dabei nicht, sondern würdige ein jedes auf seine Weise, betont der Pfarrer.

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Dabei lässt er in seine letzten Worte auch religiöse und spirituelle Elemente miteinfließen, „die etwa an die ermutigende Auferstehung von Jesus Christus erinnern“. Über die Jahre hat Bodo Steinhauer als Elemente seiner christlichen Liturgie hierzu eigene meditative Texte entwickelt.

Kleine Spleens des Verstorbenen dürfen noch einmal zur Sprache kommen

Apropos Worte: Nicht alles, betont er, dürfe in einer Trauerrede zur Sprache kommen. Tabu etwa sei es, den verstorbenen Menschen insgesamt negativ beurteilen zu wollen. „Eine Trauerpredigt ist auch nicht der richtige Rahmen, um Exklusiv-Wissen, das ein Einzelner über den Verstorbenen hatte, nun allen Angehörigen mitzuteilen.“ Kleine Spleens oder menschliche Macken des Verstorbenen dürften dagegen zum Abschied von dem Toten ruhig noch einmal zur Sprache kommen. „Die Trauergemeinde darf bei solchen Redepassagen ruhig auch leise schmunzeln oder sogar laut lachen.“

Schließlich redet Bodo Steinhauer in jeder Trauerpredigt über das Leben eines verstorbenen Menschen, „den die Hinterbliebenen im besten Fall getröstet und dankbar lächelnd in liebevoller Erinnerung behalten“.

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