Hattingen. Gilbert Gratzel tritt bei der Wahl in Hattingen für die FDP an. Die Macht der Worte kennt er auch aus dem Auswärtigen Amt und Arbeitsministerium.

Das Reden ist Gilbert Gratzels Leidenschaft. Der FDP-Mann war einst Chef-Redenschreiber für das Auswärtige Amt und das Bundesarbeitsministerium. Er verfasste für Außenminister Klaus Kinkel und den damaligen Arbeitsminister Norbert Blüm Reden. Seit Jahren engagiert er sich in Hattingens Stadtrat wortstark. Er erklärt die Macht der Worte und die Verantwortung im Amt.

Entscheidungen zu Reschop Carré und Moschee

Gilbert Gratzel tritt bei der Kommunalwahl als Spitzenkandidat der FDP an. Sein Wahlkreis ist Blankenstein und er ist das Gesicht der Partei auf den großen Wahlplakaten. Vor allem ist er aber ein Mann der Worte. Wobei er betont: „Wenn man ein Mandat hat, hat man eine Verantwortung. Die muss man ausfüllen, fleißig sein und nicht nur sitzen und Maulaffen feilhalten.“

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Zum Beispiel sei das Reschop Carré keine leichte Entscheidung gewesen. „So eine Entscheidung prägt das Stadtbild über Jahrzehnte“, sagt er. Auch der Moschee-Neubau sei jetzt eine Entscheidung mit ähnlicher Tragweite für Hattingen.

Ohne Fünf-Prozent-Hürde in den Kreistag

Vor allem im Kreistag habe er erlebt, dass Verantwortungen oft nicht wahrgenommen wurden. „Aber solche Leute nehme ich nicht ernst“, sagt der 57-Jährige.

Dabei ist 1999 sein eigener Weg in den Kreistag – damals als Ortsvorsitzender in Sprockhövel – durchaus holprig. „Es gab die Fünf-Prozent-Hürde noch, die wurde kurz vor der Wahl gekippt“, erinnert er sich. Und so rutscht Gratzel mit etwa drei Prozent überraschend ins Amt. „Ich saß da und hatte von nichts eine Ahnung. Ich musste auf die Landkarte schauen, wie ich nach Schwelm komme“, sagt er lachend. Aber er arbeitet sich schnell ein, liest viel. „Dann klappt das.“

Werdegang und Ämter

Gilbert Gratzel ist Diplom-Politologe. Viele Jahre arbeitete er als Redenschreiber im Auswärtigen Amt und als persönlicher Referent von Arbeitsminister Norbert Blüm. Seit 1997 ist er bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See beschäftigt.

Zunächst lebte er in Sprockhövel und leitete dort den FDP-Ortsverein. 1999 zog er in den EN-Kreistag ein und wurde dort Vorsitzender der FDP-Fraktion. Im Hattinger Rat ist Gratzel seit 16 Jahren vertreten und seit 2005 Fraktionsvorsitzender, 2012 wurde er auch Parteichef. 2013 kündigte er an, seine politischen Ämter abgeben zu wollen. Vorsitzender der FDP-Fraktion im Stadtrat blieb er aber doch.

Einblicke in die Bundespolitik

Auch sein Weg in die Bundespolitik einige Jahre zuvor sei ein Zufall gewesen. Sofort nach dem Studium – mit 24 Jahren – habe er als Redenschreiber angefangen. „Ich saß in Hamburg an meiner Doktorarbeit und plötzlich rief das Auswärtige Amt an. Beworben habe ich mich nie auf die Stelle“, erinnert er sich.

Der Einblick in die Bundespolitik – damals in Bonn – prägt Gratzel. Auch, wenn „Politik auf allen staatlichen Ebenen etwa gleich funktioniert“ und er überzeugt ist, dass man für Engagement keine politische Vorerfahrung braucht. „Aber man lernt, Entscheidungswege zu kreieren und Entscheidungen zu treffen – keine schlechte Lehre.“

Probleme erkennen und lösen

Jetzt sind es Hattinger Themen, die ihn umtreiben. „Digitalisierung können viele schon nicht mehr hören, aber es ist das erste Thema“, findet Gratzel. Dabei gibt er zu, dass er selbst „technisch nicht auf der Überholspur“ sei. „Ich bin wie ein Theaterkritiker: Ich muss nicht alles können, aber ich muss Probleme erkennen und wissen, was zu tun ist.“

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Bei der Überzeugungsarbeit kommen dann wieder die Worte ins Spiel. „Reden sind eine hochemotionale Angelegenheit. Sie transportieren ganz viele Inhalte und Emotionen. Aber leider können wir momentan nicht reden.“ Durch Corona habe sich der Wahlkampf geändert. „Man kann jetzt nicht auf die Leute zugehen, das gehört sich nicht. Eigentlich steht man nur da, um präsent zu sein“, sagt der gelernte Redenschreiber mit Blick auf die Infostände. Doch er ist überzeugt, dass Broschüren die Rede als Sympathieträger nicht ersetzen können.

Viele Gespräche fallen durch Corona weg

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Der FDP-Fraktionschef vermisst den Austausch. Gerade in der Altstadt habe er sonst viele Gespräche geführt, andere Argumente und Gedanken kennengelernt. Denn eines stellt Gratzel – entgegen anderer Eindrücke, die man gewinnen könnte – fest: Worte sind wichtig und die Menschen hören noch zu.

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