Hattingen. SPD blockiert den Plan von Bürgermeister Dirk Glaser, die Kompetenzen des Rates auf den Hauptausschuss zu übertragen. CDU und FDP sind empört.
Corona ist überall. Über die Frage, wie Rat und Verwaltung in Zeiten einer Kontaktsperre zusammenarbeiten sollen, ist jetzt ein heftiger politischer Streit entbrannt.
Bürgermeister Dirk Glaser hat den sechs Ratsfraktionen zuletzt vorgeschlagen, die Kompetenzen der Stadtverordnetenversammlung auf den Haupt- und Finanzausschuss zu übertragen. Das hatte die Landesregierung übergangsweise so empfohlen, weil die Abstandsregeln in Hauptausschüssen besser zu wahren sind als in Räten. In Hattinger hat der Stadtrat 47 Mitglieder, der Hauptausschuss 19.
Im Hauptausschuss dürfen nur die Linken mitstimmen
Das Problem in dieser Stadt: Im Mai 2015 hat sich die Linkspartei im Rat zerstritten. Die vierköpfige Fraktion spaltete sich auf. Friedhelm Knippel und Marko Happich machten als „Die Linke“ weiter, Gunnar Hartmann und Sascha Kursawe bildeten die neue Fraktion „Linke-Piraten“.
Parlamentarisch wurde vereinbart, dass beide Fraktionen in den politischen Gremien jeweils einen Sitz erhalten, nur eine aber ein Stimmrecht. Das wurde für jeden Ausschuss so festgelegt. Und im Hauptausschuss dürfen seitdem nur die Linken mitstimmen, nicht die Linken-Piraten.
„Keine Politik ohne die Stimmen des Stadtrates“
Deren Fraktionschef Gunnar Hartmann schrieb einen Brandbrief an den Bürgermeister. Darin spricht er von einer „bewussten Missachtung des Wählerwillens“ und stellt Dirk Glasers Demokratieverständnis infrage. Hartmann beharrt auf der Durchführung der für Donnerstag geplanten Ratssitzung. Über die Einrichtung eines Livestreams könne die Öffentlichkeit der Sitzung gewahrt und die Infektionsgefahr gesenkt werden, so der Fraktionschef der Linken-Piraten.
Hartmanns Kritik hat sich jetzt auch die SPD angeschlossen. Die Ratsfraktion sieht ein Problem darin, „wenn nicht alle Stimmen der Politik gehört werden“, und fordert eine Durchführung der Ratssitzung unter den Vorgaben der Corona-Regeln. „Kein Ausschluss einzelner Fraktionen. Keine Politik ohne die Stimmen des Stadtrates“, heißt es in einer Mitteilung der SPD.
SPD kippt die Zweidrittel-Mehrheit
Damit ist eine Übertragung der Kompetenzen des Rates auf den Hauptausschuss gekippt. Voraussetzung dafür ist eine Zweidrittel-Mehrheit der Stadtverordneten.
CDU und FDP gehen nunmehr die SPD hart an. „Rücksichtnahme und die Gesundheit aller stehen bei uns an erster Stelle“, erklärt CDU-Fraktionsvorsitzender Gerhard Nörenberg. Die CDU hätt den Vorschlag des Bürgermeisters mitgetragen. „Doch die offensichtlich schon im Wahlkampf-Modus befindliche SPD hat dies aus purer Geltungssucht verhindert.“
Tagungsort soll die Gebläsehalle sein
Die FDP sieht das ähnlich. Das Verhalten der SPD sei „peinlich und verantwortungslos“, sagt Fraktionschef Gilbert Gratzel. Und: „Nicht nur demokratische und parlamentarische Mitbestimmung sind ein Grundrecht, sondern auch die körperliche Unversehrtheit.“
Den Schutz der Gesundheit stellt auch Dirk Glaser auf Anfrage der WAZ noch einmal heraus. „Das ist das Hauptziel meines Handelns“, sagt der Bürgermeister. Er bedauert, dass durch die Aufnahme des Vorschlags der Landesregierung der Eindruck entstanden sei, man nehme es mit der Demokratie nicht so genau. Weist aber auch darauf hin, dass er vorher einen anderen Vorschlag gemacht habe: einen „Rat in halber Besetzung“ tagen zu lassen. Das hätten die Parteien aber nicht gewollt.
Nun soll die Ratssitzung vom 23. April auf den 7. Mai verschoben werden. Tagungsort: die Gebläsehalle des Industriemuseums.