Münster/Essen. Das Landesverfassungsgericht erklärte die Ein-Prozent-Sperrklausel im NRW-Kommunalwahlgesetz für verfassungswidrig. Die Ökologisch-Demokratische Partei hatte geklagt. CDU, SPD und Grüne wollen jetzt eine Neuregelung.
Die ÖDP freut sich, andere Parteien und Wählergemeinschaften blicken eher skeptisch auf das Urteil der Münsteraner Richter: Der dortige Verfassungsgerichtshof hat gestern zu Gunsten der Öko-Demokraten entschieden, die gegen die Sperrklausel im NRW-Kommunalwahlgesetz vom 9. Oktober 2007 geklagt hatten.
0,5 Prozent der Stimmen reichten schon
Die Stimmhürde bei Kommunalwahlen ist verfassungswidrig. Seit der Gesetzesänderung vor zwei Jahren mussten Parteien und Wählergemeinschaften so viele Stimmen für die jeweiligen Stadt- und Gemeindevertretungen erlangen, wie für einen Sitz im Rat notwendig ist. Vor der Neuregelung hatte auch eine untere Grenze von 0,5 Prozent der Wählerstimmen ausgereicht, weil diese Zahl auf ein Prozent aufgerundet worden war.
Die Münsteraner Richter waren der Meinung, dass die Sperrklausel zu einer „Ungleichgewichtung der Wählerstimmen” geführt hätte.
Parteien und Wählergemeinschaften ringen ums Wort
Wahlrechtsexperten hatten kritisiert, dass die am Dienstag beanstandete Gesetzesänderung im Extremfall hätte dazu führen können, dass bei der Wahl kleiner Gemeinderäte und Bezirksvertretungen auch Parteien mit mehr als fünf Prozent der Stimmen nicht den Sprung in den Rat geschafft hätten. Im Jahr 1999 hatte das Landesverfassungsgericht bereits die Fünf-Prozent-Hürde bei NRW-Kommunalwahlen gekippt.
Aber selbst die eher Kleinen propagieren deutlichere Hürden für den Einzug in die Rathäuser. In Witten entwickelten sich nach der letzten Kommunalwahl 2004 Ratssitzungen zu Marathon-Veranstaltungen mit zweifelhaftem Wirkungsgrad, weil zehn Fraktionen, Gruppen und Einzelkämpfer um das Wort ringen.
In Velbert sitzen beispielsweise sieben Parteien und Wählergemeinschaften in der Stadtvertretung. Eine Gruppe davon sind die Unabhängigen Velberter Bürger. Ihr Vorsitzender Ulrich Kanschat kritisiert: „Wir müssen uns vor Weimarer Verhältnissen hüten.” Eine gewisse Mindest-Zahl von Stimmen sei „zwingend notwendig”, um Politik durchsetzungsfähig machen zu können.
Ein neues Gesetz, aber sorgfältiger gestrickt
Ob den Mini-Parteien zu den NRW-Kommunalwahlen im Juni 2009 jetzt Tür und Tor offenstehen, ist zweifelhaft. Die etablierten Parteien liebäugeln sogar mit der Erhöhung der Sperrklausel. Die Fraktionsvorsitzende der SPD im Düsseldorfer Landtag, Hannelore Kraft, befürwortet eine 2,5-Prozent-Hürde, ebenso der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski: „Es besteht dringender Handlungsbedarf.” Der Sozialdemokrat wie auch der innenpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Horst Becker, regen eine weitere Gesetzesinitiative an, diesmal aber sorgfältiger gestrickt: „Es muss vom Innenministerium ordentlich begründet werden, weshalb die Sperrklausel notwendig ist”, betonte Becker.
Auch der kommunalpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Rainer Lux, spricht sich für deutliche Sperrklauseln aus. Lux hofft, dass das Gericht in seiner schriftlichen Urteilsbegründung deutliche Hinweise gibt, wie zukünftig zu verfahren sei.
Nur das in diesem Zusammenhang nicht ganz unbedeutende Innenministerium des FDP-Politikers Ingo Wolf sträubt sich – noch: „Der Verfassungsgerichtshof hat mit seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass es im Kommunalwahlrecht keine Mindestsitzklausel geben kann”, sagte Wolf. Dies könne zur Folge haben, dass ein Mandat mit sehr wenigen Stimmen erreicht werde. Den Räten bleibe nichts anderes übrig, „als eine verstärkte politische Auseinandersetzung zu suchen”.
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