Gladbeck. Die EU-Mittel für Landwirte seien keineswegs Subventionen, sondern Ausgleich für geleistete Arbeit. Denn Bauern müssen für das Geld einiges tun.

Anfang der Woche waren sie in aller Munde und auf allen Straßen: Traktoren. Das schwere Gerät hat sich nicht von alleine zu den Protestfahrten entschieden, auf dem Bock saßen Landwirte, die gegen Kürzungen beim Agrardiesel demonstrierten und mit markigen Sprüchen wie „Der Bauer macht uns alle satt, auch die Gegner, die er hat“ auf ihre Lage aufmerksam machten. Und die Gegner, die ließen nicht lange auf sich warten. Auch in Gladbecker Facebookgruppen, wurde schon bald skandiert, dass sich die Landwirte doch nicht so anstellen sollten, schließlich bliebe ja noch genug Geld übrig.

Und außerdem seien die paar tausend Euro per annum, die die Bauern mehr zahlen müssen, ja wohl zu vernachlässigen, gemessen an den Summen, die die Landwirte jährlich aus EU-Subventionen bekommen. Tatsächlich kommt da ein bisschen was zusammen, auf agrar-fischerei-zahlungen.de kann das jeder detailliert nachlesen, im EU-Haushaltsjahr 2022 wurden laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft landesweit 247 Millionen Euro ausgeschüttet, nur auf die sogenannte „Basisprämie“. Wie viel davon haben Gladbecker Bauern bekommen? Was ist eigentlich eine Basisprämie? Und ist die EU-Förderung wirklich einfach kostenloses Geld für Bauern?

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So funktionieren die EU-Subventionen für Gladbecker Bauern

Erstmal zur Struktur der Prämien selber – in aller Kürze allerdings, die Erklärung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung füllt ganze Seiten. Die Basisprämie, die höchste der einzelnen Prämien, diene der „Einkommenssicherung und Risikoabsicherung“ für Bauern, und zwar im Angesicht der höheren „Umweltschutz-, Tierschutz- und Verbraucherschutzstandards“ im Vergleich zum Weltmarkt. Damit sie die Prämie aber auch behalten dürfen, müssen Landwirte Auflagen erfüllen. Sie müssen die Erosion des Bodens vermeiden, die Gewässer schützen, dürfen keine Hecken und Bäume entfernen, und, und, und – die Liste ist lang.

„Uns wird Wirtschaftskraft entzogen“: Der Gladbecker Landwirt Bernd Im Winkel erklärt die EU-Subventionen – und Stellen, an denen sie fehlen.
„Uns wird Wirtschaftskraft entzogen“: Der Gladbecker Landwirt Bernd Im Winkel erklärt die EU-Subventionen – und Stellen, an denen sie fehlen. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Zu der Basisprämie, die die meisten Bauern bekommen, gesellen sich kleinere, spezifischere Prämien, je nach Größe und Art des Betriebs. Da ist zum Beispiel die Umverteilungsprämie, die Greeningprämie (sozusagen als finanzielle Förderung für die Naturschutzvorgaben der Basisprämie) und auch eine „Junglandwirtprämie“. In Gladbeck haben im Haushaltsjahr 2022 18 Landwirte EU-Subventionen in verschiedenen Höhen und Zusammensetzungen bekommen – einer von ihnen, ein namenloser „Kleinempfänger“, der sich über insgesamt 881,90 Euro freuen durfte. Daran sieht man, dass nicht alle Empfänger hauptberufliche Bauern sind, sondern auch private Land- oder Waldbesitzer von den EU-Geldern profitieren.

Wie EU-Subventionen die landwirtschaftliche Tradition verändern

Aber wie ist das bei den hauptberuflichen Bauern? Bernd Im Winkel ist nicht nur Milchbauer, sondern auch Vorsitzender des landwirtschaftlichen Ortsvereins in Gladbeck. Zwischen dem 16. Oktober 2021 und dem 15. Oktober 2022 hat er 24.961,87 Euro EU-Subventionen bekommen. Mit 15.132,38 Euro entfiel der größte Teil auf die Basisprämie, dazu kamen 1951,80 Euro Umverteilungsprämie, 7353,76 Euro Greeningprämie und 523,93 Euro als „Erstattung nicht genutzter Mittel der Krisenreserve“. Das klingt ja erstmal nach einer Menge Geld. Aber was bedeuten diese EU-Subventionen für einen Landwirt?

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„Im Prinzip“, sagt Im Winkel, „dienen diese EU-Subventionen dazu, uns einen finanziellen Ausgleich zu schaffen, wenn wir wegen EU-Erlassen von einer bewährten, fachlichen Praxis abweichen.“ In einem konkreten Beispiel sieht das so aus: Landwirte sind verpflichtet, im Winter 80 Prozent ihrer Ackerfläche zu begrünen. „Auf unserem Hof ist es aber so, dass etwa ein Drittel der Fläche lehmiger Boden, also schwerer Boden ist.“ Die bewährte, fachliche Praxis in der Vergangenheit bestand darin, den lehmigen Boden im Herbst umzupflügen und im Winter brach liegen zu lassen. Im Frühjahr zerfiel der Boden dann von selbst zu körniger, guter Erde, weil er von der „Frostgare“ aufgesprengt wurde. „Wenn wir da jetzt etwas pflanzen über den Winter, das müssen wir im Frühjahr ja wieder zerkleinern.“ Mehr Arbeit und Kosten – die dann eben durch die EU-Subventionen aufgefangen werden sollen.

Vier Prozent Ackerfläche stilllegen: „Eingriff ins Eigentum“

Wobei, ist „Subvention“ das richtige Wort? Ein Ortslandwirt aus Duisburg formulierte das kürzlich der WAZ gegenüber so: „Für mich ist das keine Subvention, sondern ein Ausgleich für unsere geleistete Arbeit“. Das treffe es ziemlich gut, sagt Bernd Im Winkel, und hat ein weiteres Beispiel parat. Allerdings, im folgenden Fall gibt es eben noch keine „Subvention“ oder einen Ausgleich für die Landwirte, „auch deshalb protestieren wir“.

Stellen Sie sich mal vor: Sie mieten eine Wohnung und dürfen ein Zimmer nicht nutzen, für das Sie aber trotzdem zahlen.
Bernd Im Winkel - Gladbecker Landwirt

Per Erlass müssen Landwirte nämlich im Jahr vier Prozent ihrer Ackerfläche stilllegen, eine Subvention wie die Greeningprämie gibt es dafür nicht. „Da zahlen wir dann zum Beispiel für Pachtflächen, kriegen aber vier Prozent weniger Ertrag. Stellen Sie sich mal vor: Sie mieten eine Wohnung und dürfen ein Zimmer nicht nutzen, für das Sie aber trotzdem zahlen.“ Dieser „Eingriff ins Eigentum“, so Bernd Im Winkel, nehme in der Landwirtschaft immer weiter zu. „Uns wird Wirtschaftskraft entzogen, ohne dass wir eine Gegenleistung dafür bekommen.“

Die EU-Subventionen in Gladbeck und darüber hinaus

Im EU-Haushaltsjahr 2022 wurden insgesamt 158.503,79 Euro an Gladbecker Bauern ausgeschüttet. Bernd Im Winkel bekam mit knapp 25.000 Euro die höchste Subventionssumme.

In anderen Städten allerdings bekamen einige Bauern noch wesentlich mehr Geld von der EU. Der Bottroper Landwirt Philipp Maaßen etwa erhielt 301.495,28 Euro, also fast doppelt so viel wie alle Bauern in Gladbeck zusammen. Grund war zwei Prämien, die in Gladbeck gar nicht abgerufen wurden: Zum einen die „Investitionen in materielle Vermögenswerte“ (70.024,48 Euro Subventionen) und das „EU-Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch“ (205.760,90 Euro Subventionen). Letzteres umfasst nicht nur das Beliefern von Schulen mit den gesunden Erzeugnissen, sondern auch verpflichtende Unterrichtseinheiten und Bauernhofbesuche für und mit den Schülern.