Gladbeck. Die NABU-Wahl ist entschieden: Der Kiebitz ist der Vogel 2024. Gerd Tersluisen vom Hegering Gladbeck erklärt, warum der Vogel so besonders ist.

Nun ist es raus: Der Kiebitz ist Vogel des Jahres 2024. Damit ließ der schwarz-weiß gefärbte und etwa taubengroßen Vertreter aus der „Familie Regenpfeifer“ seine Konkurrenz schnabelweit hinter sich. Mit einem Anteil von 27,8 Prozent aller abgegebenen Stimmen hat der Naturschutzbund Deutschland (NABU) den in Deutschland sehr stark gefährdeten Kiebitz zum Vogel des Jahres 2024 auserkoren. Steinkauz und Rebhuhn erhielten jeweils etwa 22 Prozent aller Stimmen. Gerd Tersluisen vom HegeringGladbeck stellt den Akrobaten der Lüfte mit der „tollen Tolle“ aus Federn vor und erklärt, warum man ihn in unseren Breiten nicht mehr zu Gesicht bekommt. Doch der Fachmann kann sich auch einen Weg zur Verbesserung der Situation vorstellen.

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Einst war der Kiebitz im heimischen Revier ein häufig vertretener Wiesenvogel. Wegen seines metallisch schimmernden Gefieders in Grün-Violett ist er ein Hingucker. Erst recht wegen seiner zweizipfligen Haube, in Fachkreisen Holle genannt.

Gladbecker Experte: „Kunstflieger Kiebitz absolviert ein halsbrecherisches Programm“

Aber das Vorkommen hat sich dramatisch verändert. „Die letzten Kiebitze in meiner Heimatstadt Gladbeck habe ich im Jahre 2020 in einem neuen Industriegebiet an der Hegestraße, kurz vor dem Ortseingang Bottrop, fotografiert“, erzählt Gerd Tersluisen, „die Verdichtung des Bodens durch schwere Baufahrzeuge hatte wasserdichte flache Mulden geschaffen, die sich mit Regenwasser füllten. Sie wurden zum Lebensraum vieler Insekten, dem Aufzuchtfutter für die junge Brut des Vogels.“ Ob diese Nahrungsquelle für das Füttern ausreichte? Tersluisen hat da so seine Zweifel. „Jedenfalls sind die Kiebitze seitdem verschwunden“, stellt der Fachmann fest.

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Und Tersluisen kennt auch den Grund dafür. Verantwortlich ist, wie so oft, der Mensch. „Die Trockenlegung von Feuchtwiesen und die intensive Landwirtschaft raubten ihm den Lebensraum. Die heute übliche frühe Wiesenmahd lässt keine erfolgreiche Brut und kein erfolgreiches Aufwachsen der Jungvögel mehr zu“, erklärt der Hegering-Experte.

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Der Kiebitz benötigt große Flächen ohne höheren Bewuchs, auf denen er Feinde rechtzeitig erkennen und durch seine Angriffe vertreiben kann, also Bereiche wie Feuchtwiesen und Moore. Tersluisen schwärmt: „Seine Balzflüge im Frühjahr, begleitet von lauten „Kiewit-Kiewit“, sind etwas ganz Besonderes. Der schwarz-weiße Vogel streicht dicht über den Boden. Plötzlich steigt er senkrecht in die Luft, fast 30 Meter hoch. Dort scheint er still zu stehen, kippt ab, um sich kopfüber wieder in die Tiefe fallenzulassen.“

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Gerd Tersluisen vom Hegering Gladbeck schwärmt geradezu von den Flugmanövern der Kiebitze.
Gerd Tersluisen vom Hegering Gladbeck schwärmt geradezu von den Flugmanövern der Kiebitze. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Der gefiederte Kunstflieger absolviert ein atemberaubendes Programm. Er wirft sich auf den Rücken, vollführt zwei oder drei vollständige Rollen und fängt den Flug erst dicht über dem Boden ab, wirft sich ruckartig auf die Seite. Und wofür das ganze Spektakel? Na klar, für die Damenwelt im Federkleid! Den Weibchen will Herr Kiebitz vor die Äuglein führen: „Ich bin der Größte, der Schönste, und ich kann meine Brut gegen jeden Feind verteidigen. Nehmt mich!“

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Finden Paare zusammen, schlüpfen nach einer Brutdauer von 26 bis 29 Tagen meistens vier Jungkiebitze. Sie beschaffen sich vom ersten Lebenstag selbstständig ihr Fressen. Dabei schützen Mutter und Vater Kiebitz ihre Kinder gegen Fressfeinde.

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Brauch bei den Nachbarn

„Bei unseren niederländischen Nachbarn hat sich bis in die frühen 1970er Jahre ein Brauch erhalten, der erst vom damaligen Prinzen Bernhard abgeschafft wurde“, erzählt Gerd Tersluisen. Nach langem Winter suchten die Niederländer Eier für ihren Frühstückstisch. Das allererste gefundene Kiebitz-Ei überreichte der Finder alljährlich dem Königshaus.

Um den Kiebitz zu schützen, bat Prinz Bernhard alle Niederländer, keine Eier mehr zu suchen und von dem alten Brauch Abstand zu nehmen. Gerd Tersluisen: „Seitdem landen auch bei unseren Nachbarn keine Kiebitz-Eier mehr auf dem Frühstückstisch.“

Aber da sind ja noch, wie gesagt, die einschneidenden, mitunter radikalen Eingriffe des Menschen in die Natur. Tersluisen sagt: „Wenn wir dem Gaukler der Lüfte, aber auch allen anderen Wiesenvögeln helfen wollen, gilt es, zusammen mit dem Naturschutz, Habitate zu erhalten oder wieder herzustellen.“ Biotoppflege und Biotophege könnten den Kiebitz wieder zu uns zurückbringen.

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