Gladbeck. Der Gladbecker Johann Ossinger ist 100 Jahre alt. Wieso er kein Holländisch spricht und warum er sich alle zwei Jahre ein neues Auto kauft.

In Gladbeck ist er geboren – „und in Gladbeck werde ich auch abtreten“. Johann Ossinger grinst. Er ist 1923 geboren und stößt am 31. Oktober auf seinen Jahrhundert-Geburtstag im Gladbecker Luisenhof-Pflegezentrum an. Zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder wächst Ossinger in einem „sehr guten“ Elternhaus in Gladbeck auf. Mit sechs Jahren gingen sein Bruder und er in Holland etwa drei Jahre zur Schule. Sein Vater war zuvor arbeitslos und war deshalb in einem holländischen Bergwerk tätig, erklärt der gebürtige Gladbecker.

Die wenigen Jahre reichten allerdings nicht: „Holländisch spreche ich nicht,“ winkt Ossinger ab. Doch das Leben war nicht immer so einwandfrei wie in seiner Kindheit. Später, mit 18 Jahren, diente Ossinger als Soldat vier Jahre im Krieg von 1941 bis 1945. Zweimal floh er aus einer Gefangenschaft. Eine „gefährliche Zeit“ wie sie der Hundertjährige beschreibt: „Wir haben uns am Polarkreis bei minus 50 Grad fast die Füße abgefroren.“

Gladbecker wird 100 Jahre alt: 76 Jahre lang „überglücklich“ verheiratet

Doch dann geht es bergauf. Am 16. August 1946 heiratet er seine Frau Elisabeth, mit der er bereits in seiner Kindheit zusammen war. Insgesamt 76 Jahre waren die beiden überglücklich verheiratet, sodass sie 2021 ihre Kronjuwelenhochzeit feiern konnten. Sie lebten vereint, bis zum Tod seiner Frau im vergangenen Jahr, sieben Jahre im Luisenhof in Gladbeck. Johann Ossinger schwärmt ausgiebig von der Ehe mit seiner Frau: „Eine bessere Ehe kann ich mir nicht vorstellen“. Er betont das innige Verhältnis nach so einer langen gemeinsamen Lebenszeit.

Beruflich arbeitete Ossinger 40 Jahre für VEBA Öl (heute E.ON) als Wachführer und leistete zusammen mit der Feuerwehr Werkschutz. Mit leuchtenden Augen erzählt er von seiner Leidenschaft, Auto zu fahren. „Alle zwei Jahre habe ich mir ein neues Auto gekauft“, strahlt er. Durch seine Arbeit erhielt er dauerhaft Prozente. Früher noch im Schaltwagen unterwegs, bezeichnet der 100-Jährige den Ford Granada als sein schönstes Auto.

Gladbecker schwärmt für Autos, besonders für einen Ford und einen Opel

Wegen seiner Knie-Schwierigkeiten musste er allerdings auf Automatik umstellen. Der Opel Ascona bleibt ihm besonders gut in Erinnerung. Lustige Geschichten und neidische Blicke seiner Kollegen verbindet er mit seinen Autos auf jeden Fall. Zu seinem 100. Geburtstag kommt seine Tochter. Sie lebt seit klein auf in Ostdeutschland an der Grenze zu Polen und ist mittlerweile 78 Jahre alt. In seinem Zimmer hängen Bilder seiner Liebsten an den Wänden. Auch ein Foto der Tochter mit seiner Ururenkelin im Arm. Eine weite Distanz zur polnischen Grenze, doch alleine ist er trotzdem nicht.

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Eine gute Bekannte, die ehemalige Pflegerin seines verstorbenen Bruders, kommt ihn oft besuchen. Und den schicken, elektrischen Rollstuhl, auf den der Gladbecker so stolz ist, hat sie ihm auch geschenkt – ist ja quasi auch ein neues Auto. Sie sind zwar nicht verwandt, doch das harmonische Verhältnis zwischen den beiden, wie er es beschreibt, lässt Ossinger keine Zweifel zu sagen: „Wir leben zusammen wie Tochter und Vater“. Seinen Geburtstag feiert er im Café des Luisenhofs, mit etwa 20 Leuten. Seine „Töchter“, Freunde, Bekannte und auch das Bürgermeisteramt hat sich angekündigt, um mit ihm sein Jubiläum zu feiern. „Es fehlt mir hier im Haus wirklich an nichts, es gibt keine Person, mit der ich nicht auskomme, ich kann mich über nichts beklagen – außer über meiner Atmung und meiner Knie.“ Johann Ossinger grinst wieder. Nach fast hundert Jahren, sagt er, ist er wunschlos glücklich und zufrieden.