Gladbeck. Norbert Gerbig feiert Geburtstag und blickt auf Jahrzehnte der Musik zurück. Wie aus einem Kriegsdienstverweigerer ein Liedermacher wurde.
An der Wohnzimmertür hängt ein Zettel, „Aktives Rückentraining“ steht drauf, darunter verrenkt sich ein Strichmännchen. Wenn man so will, ist das Norbert Gerbigs einziges Zugeständnis an sein Alter. Heute feiert er seinen 70. Geburtstag, natürlich mit einem Konzert, die Musik ist es ja schließlich, die den Gladbecker auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt gemacht hat.
Und die ihn ins WDR-Fernsehen geführt hat, in die Grugahalle, in ungezählte Konzertsäle und sogar zur UNO nach Genf. Die Kunst ist es wohl auch, die Gerbig so jung gehalten hat, wie 70 sieht er jedenfalls nicht aus. Zufriedenes Lächeln, lange, blonde Haare mit einem Hauch von Grau, ein bisschen Rainer Langhans. Bis heute ist die Musik die Leidenschaft, das Leben vielleicht sogar, des Gladbeckers, nicht irgendwelche Musik, sondern Musik für den Frieden.
Gladbeck und Genf, in der Musik vereint
„Musik hab ich immer schon gemacht, Gitarre gespielt“, sagt er, das Instrument steht hinter ihm und wartet auf seinen Einsatz. „Mit der Friedensbewegung ging es los, als ich 18, 19 Jahre alt war.“ Da wollte die Bundeswehr Norbert Gerbig nämlich haben, Wehrpflicht, das gab es damals ja noch, und verweigern war längst nicht mit einem Vordruck aus dem Internet erledigt, so wie in den letzten Jahren vor Guttenberg.
Bei der Beratung für Kriegsdienstverweigerer lernte Gerbig Walter Weck kennen, auf die Band Probealarm („Politrock aus Gladbeck“) folgte das Duo Norbert & Walter, das heute noch auftritt, zum Beispiel bei der Nacht der Lieder – auch eine Schöpfung von Norbert Gerbig. In den 70ern nahm die Friedensbewegung so richtig Fahrt auf, und damit auch die „Karriere“ des Liedermacherduos. Und so standen die beiden Gladbecker Jungs plötzlich im UNO-Konferenzsaal in Genf und sangen, während Simultanübersetzer ihre Lieder in sechs Sprachen in die Ohren der Weltgemeinschaft hauchten.
Im Camper nach Griechenland
Eine CD, damals sagte man noch LP, haben die beiden natürlich auch aufgenommen, irgendwo unter den Hunderten CDs in den Regalen und auf dem flauschigen Wohnzimmerboden wird sie wohl liegen. Norbert Gerbig blättert durch den Ringordner seines Lebens, „das wollte ich unbedingt noch zeigen“, murmelt er, und bleibt dann doch auf einer anderen Seite hängen, weil irgendwie alles spannend war. Nacht der Lieder? „Hatten wir schon.“ One World Band mit Geflüchteten aus aller Welt. „Ja stimmt, die hab’ ich auch gegründet.“ Und, ach ja, nebenbei war Gerbig noch hauptberuflich Sozialarbeiter bei der evangelischen Kirche. Jetzt ist er Rentner und findet das gut. „Das ist ja schön, dass man seine Zeit dann noch mal so nutzen kann.“
Zum Beispiel für die Touren nach Griechenland mit seiner Frau. Mit dem Campingbus, „in ganz kleinen Abschnitten, wir brauchen alleine eine Woche nach Italien. Griechenland ist unsere Leidenschaft, wir haben auch Freunde da.“ An der Wand zeugen Schnappschüsse vom Strand von etlichen Touren in den Süden. Der kleine Flower-Power-Bus in der Ecke von der Reiselust. „Ein bisschen neuer ist unser Camper aber schon“. Norbert Gerbig muss grinsen.
Norbert Gerbig: Musik muss berühren und bewegen
Bei so viel Musik, kann man da ein Lieblingslied haben? Gerbig probiert zumindest eine Antwort, aber gibt bald wieder auf. Klaus Hoffman, klar. Okay, Hannes Wader gehört auch in die Liste. „Und ich habe ja auch selber Musik geschrieben“. Keine Chance auf einen einzigen Lieblingssong, Norbert Gerbig einigt sich mit sich selbst auf: „Verschiedene Lieblingslieder zu verschiedenen Zeiten.“
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Für dieses Prädikat braucht die Musik bei Norbert Gerbig nur eine Qualität. „Die Lieder müssen mich berühren. Wenn sie mich bewegen, bewegen sie auch die Menschen, die zuhören.“ So wie bei seinem Geburtstagskonzert mit alten und neuen Wegbegleitern – und so wie in all den kommenden Jahren, in denen die Musik selbstverständlich an Norbert Gerbigs Seite bleibt.