Gladbeck. Das Loch im Haushalt – es hat vielfach Auswirkungen auf die Stadtgesellschaft. Warum das gar das Gemeinwesen bedrohen kann. Ein Kommentar.

Der jetzt vorgestellte Haushalt verursacht bei allen Beteiligten tiefe Sorgenfalten. Und mit Sicherheit wird es sich nun in der Debatte auch darum drehen, wer Schuld an der ganzen Misere ist. Doch darum soll es an dieser Stelle hier nicht gehen. Vielmehr stellt sich die Frage, was so eine Kassenlage mit einer Stadt und ihren Bürgern macht. Die alltäglichen Auswirkungen hat ja jeder vor sich. Marode Brücken, Straßenschäden und in Teilen ein Stadtbild, dass nach Pflege schreit. Freiwillige Aufgaben müssen immer weiter zurückgefahren werden, um Pflichtaufgaben erfüllen zu können. Dabei sind es doch oft gerade die freiwilligen Leistungen, die eine Stadt lebens- und liebenswert machen.

Eine mögliche Folge: Bürger wenden sich von ihrer Stadt ab, resignieren und schimpfen über „die da oben“. Politik- oder Politikerverdrossenheit kann sich breit machen. Die Gefahr, dass Populisten und ihre vermeintlich einfachen Lösungen Zulauf haben, steigt.

Immer weniger Menschen werden Lust verspüren sich politisch zu engagieren

Hinzu kommt: Wer ist denn unter solchen Umständen noch bereit, sich politisch zu engagieren? Wer hat denn Lust, nur noch Mangel zu verwalten? Wer in die Politik geht, verfolgt doch meist den Wunsch nach Gestaltung, hat Ideen, die verwirklicht werden wollen. Doch wenn solche Dinge gar nicht erst ernsthaft diskutiert werden können, sondern immer wieder schon im Vorfeld am mangelnden Geld scheitern, dann verpufft doch jeder Elan. Im Gegenteil, nicht selten darf man sich dann wahrscheinlich Kritik oder gar Beschimpfungen anhören. Attraktiv ist Kommunalpolitik für Neueinsteiger unter diesen Bedingungen wahrlich nicht. Dabei wäre es wahnsinnig wichtig, dass sich mehr junge Menschen engagieren.

WAZ-Redakteur Matthias Düngelhoff.
WAZ-Redakteur Matthias Düngelhoff. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Eine weitere Frage, die man sich stellen muss, ist die, wie weit es tatsächlich noch mit der kommunalen Selbstverwaltung ist. Wenn die Entscheidungsfreiheit immer weiter abnimmt, ist es auch um sie immer schlechter bestellt. Stattdessen recken sich Städte und Gemeinden, um Fördertöpfe von Bund und Land abzugreifen, legen Projekte passgenau auf die Förderbedingungen aus, und wenn die Förderung ausläuft, ist es fast nicht mehr möglich solche teils auch sinnvollen Projekte vor Ort zu verstetigen.

Appell des Gladbecker Rates ist folgerichtig

Und dann ist an dieser Stelle noch nicht von der Gleichheit der Lebensverhältnisse gesprochen worden. Die herzustellen, wird immer schwieriger. Im Zweifel steigen die kommunalen Steuern, doch die Lebensqualität vor Ort steigt nicht in demselben Maße. Resignation und Frust, siehe oben, sind Folgen.

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Nicht falsch verstehen, in der Vergangenheit sind sicher auch vor Ort teure Fehler gemacht worden. Die zu erkennen und künftig zu vermeiden, ist wichtig. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die Finanzierung der Städte auf anderen Ebenen dringend geregelt werden muss. Bund und Land müssen endliche eine Altschuldenregelung finden, die diesen Namen auch verdient, und müssen dann zu einer Finanzierung kommen, die nicht sofort wieder in die Schuldenspirale führt, indem immer mehr Aufgaben auf die Kommunen delegiert werden, ohne auskömmliche Gegenfinanzierung. Vor dem Hintergrund ist der Appell des Rates folgerichtig, es wäre zu wünschen, dass die Adressaten reagieren und endlich Taten folgen lassen.