Gladbeck/Hod haScharon. Unsere Mitarbeiterin Barbara Seppi wollte nach Israel fliegen, nach dem Hamasangriff herrscht dort Krieg. Was ihren Freunden vor Ort jetzt hilft.

Eigentlich war der Koffer schon fast gepackt, nur noch eine Woche arbeiten, dann endlich Urlaub. Ein besonderer, nach genau einem Jahr wieder ein Besuch in Israel. Am 15. Oktober sollte es losgehen. Es war am vergangenen Samstag meiner Frühaufsteherroutine und leichter Social-Media-Sucht – beim ersten Kaffee gibt es fast immer den Griff zum Mobiltelefon – geschuldet, dass ich noch vor 7 Uhr Nachrichten von den Raketenangriffen der Hamas auf Israel gelesen habe.

Bevor ich bei meiner Freundin in Hod haScharon, Dorstens Partnerstadt im Norden von Tel Aviv, nachfragen konnte, schrieb Dganit mir schon. „Schöne Feiertage“ mit einem ironischen Smiley. Es war der Tag des religiösen Festes Simchat Torah, das am Ende des fröhlichen Laubhüttenfestes steht. Eine Woche lang hatte man Freunde besucht, mindestens einmal Freunde zum Abendessen in das eigene Haus geladen. Dganit stammt aus Ashkelon, einer Stadt nahe Gaza, deren Namen in den letzten vier Tagen häufig gefallen ist, wir alle haben Ashkelon nun täglich im TV gesehen. Am Samstagmorgen um halb acht schickt Dganits Mutter ein Foto aus dem Bunker, zuversichtlich lächelnd. Raketen auf Ashkelon kommen häufiger vor. „Wir hoffen das Beste“, wie immer. „Kommt Deine Familie nach Hod haSharon?“, frage ich. „Jetzt gerade können sie nicht das Haus verlassen, zu gefährlich. Aber sobald es geht, ja“.

Die Gladbecker WAZ-Mitarbeiterin Barbara Seppi (l.) und ihre Freundin Dganit aus dem israelischen Hod haScharon. Dganit berichtet vom Angriff der Hamas auf Israel – und seine Auswirkungen. Dieses Foto stammt aus dem Jahr 2022.
Die Gladbecker WAZ-Mitarbeiterin Barbara Seppi (l.) und ihre Freundin Dganit aus dem israelischen Hod haScharon. Dganit berichtet vom Angriff der Hamas auf Israel – und seine Auswirkungen. Dieses Foto stammt aus dem Jahr 2022. © Privat | Barbara Seppi

Es ging tatsächlich am frühen Nachmittag, Mutter, Schwester und Familie fahren mit dem Auto die 71 Kilometer nach Norden. Es gibt noch ein Foto, wie sie winkend in der Auffahrt von Dganits Haus stehen. Dann kommen erst mal keine Nachrichten mehr, es legt sich eine Schockstarre über uns. Die Familie von Dganit ist erst mal sicher, aber mit jeder Stunde, die vergeht, wird das Grauen dieses terroristischen Angriffs deutlicher, sie begreifen, wie viel Glück sie gehabt haben. Es stellt sich eine Regungslosigkeit angesichts der Morde und Entführungen ein, die im Laufe von Samstag und Sonntag über das Internet und Fernsehen in Israel und der ganzen Welt in Bildern dokumentiert werden.

Solidarität mit Israel sollte an erster Stelle stehen

Ich kenne Dganit seit vier Jahren. 2019 kam sie im Winter in meine Heimatstadt, um den Besuch, und wenn möglich auch Austausch, einer Mädchenbasketballmannschaft aus Hod haScharon mit Dorstener Schülerinnen zu organisieren. Ich habe ihr die Stadt gezeigt, wir haben uns sofort gut verstanden, über Gott und die Welt gesprochen, über Gott im wahren Sinne, nicht als Redewendung. Dganit ist von ansteckender Fröhlichkeit, lebensbejahend, überzeugt vom friedensstiftenden Gedanken von internationalen Begegnungen.

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Von Corona ausgebremst gab es den Besuch der israelischen Mädchen in Dorsten erst im März dieses Jahres, wir hatten aber immer Kontakt. Vor einem Jahr habe ich sie besucht, als ich mit anderen Freunden in Israel war. Ich habe die Gastfreundschaft in Israel kennengelernt, den Lebenswillen, die pluralistische Gesellschaft, es wird häufig vergessen, dass rund 20 Prozent der Israelis Muslime sind, es gibt Christen und Drusen. Liberale und religiöse Juden sitzen häufig an einem Tisch, oft auch streitend. Es gibt Wahlkampf und Demokratie. Auch hier in Deutschland wurde in den vergangenen Monaten viel mitgeredet über den Rechtsruck der israelischen Regierung. Aber jetzt, angesichts des Grauens von mittlerweile 1200 brutal abgeschlachteten Menschen, sollte Solidarität an erster Stelle stehen.

Was den Menschen in Israel jetzt hilft

In diesem kleinen Land ist gerade jeder Einzelne unmittelbar betroffen. In vielen Kommentaren wird schon seit dem zweiten Tag des feigen Angriffs von Hamas wieder kühl analysiert, Schuldfragen aufgeworfen. Nein! Dies ist der Moment den israelischen Bürgern zu sagen: Wir fühlen mit Euch, wir stehen an Eurer Seite. Ob es Dganit ist, andere Freunde in Haifa oder mein Hebräisch-Lehrer in Tel Aviv, alle haben mir gesagt, in diesem Moment tut es einfach nur gut, Anteilnahme zu spüren, sich aus der Ferne in der Trauer virtuell umarmt zu wissen. Ich habe den Davidstern, die Flagge Israels, auf meiner Facebookseite und als goldenen Anhänger an der Halskette.