Gladbeck/Gelsenkirchen. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel haben auch Gladbecker Juden Angst. Sie sind jetzt noch vorsichtiger, die Polizei verschärft ihre Maßnahmen.
„Ein Auge mehr“, rät Max Mamrotski den Gemeindemitgliedern. Der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, die auch für die Gladbecker Juden zuständig ist, kommt gerade aus den Räumen der Gemeinde in Düsseldorf, „hier sitzt der Sicherheitschef“. Dass jüdische Einrichtungen einen Sicherheitschef brauchen, ist leider nichts Neues. Doch nach dem Angriff der radikalislamischen Terrororganisation Hamas auf Israel hat die Sicherheitsfrage noch einmal an Brisanz gewonnen.
Deswegen auch „ein Auge mehr“. Was Mamrotski damit meint: Die Gemeindemitglieder sollen noch aufmerksamer sein. „Zum Beispiel, wenn sie jüdische Gebäude verlassen. Sie sollen sich lieber noch einmal mehr umschauen, etwa, ob sie verfolgt werden.“ Auch die eigenen Sicherheitskräfte in Gelsenkirchen habe er sensibilisiert, noch öfter und noch genauer auf die Kameras zu schauen. „Und auch darüber hinaus, was rund um die Synagoge vor sich geht.“
Juden in Gladbeck: Eltern haben Angst um ihre Kinder
Denn dass in Gelsenkirchen durchaus ein latenter Antisemitismus herrscht, weiß die Gemeinde, spätestens seit dem 12. Mai 2021. Damals marschierten rund 200 Personen vor der Synagoge auf, skandierten antisemitische Parolen, schwenkten palästinensische Flaggen, sogar ein Sturm auf die Synagoge drohte. „Wir wissen, dass es hier Sympathien für Palästina und die Hamas gibt, und Judenfeindlichkeit“, sagt Max Mamrotski mit belegter Stimme. Dass gerade Herbstferien sind und sich die Kinder- und Jugendgruppen deswegen nicht treffen, sei quasi Glück im Unglück: „Ich glaube nicht, dass die Kinder kommen würden, dafür haben die Eltern zu große Angst.“
Judith Neuwald-Tasbach, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, erklärte der WAZ Ende 2021, dass es aber eben nicht immer offensichtlicher Antisemitismus sei, der sie „traurig“ mache, vieles geschehe im Alltag. „Manchmal ergibt sich eine Situation, in der jüdische Kinder sich ihres Glaubens bekennen und dann von Mitschülern beschimpft werden.“ Die Hemmschwelle, Antisemitismus offen zur Schau zu tragen, sinkt derweil offenbar weiter: In Duisburg hat die Gruppe „Samidoun“ für Montagabend zu einer „Pro-Palästina-Demonstration“ aufgerufen, es ist dieselbe Gruppe, die am Samstag in Berlin den Angriff auf Israel „gefeiert“ hat. „Samidoun“ bezeichnet sich selbst als „Netzwerk für Verteidigung palästinensischer Gefangener“.
Gladbecker Bündnis für Courage verurteilt den Angriff auf Israel
Der Polizeischutz rund um die Gelsenkirchener Synagoge, so Mamrotski, sei „deutlich mehr“, er selbst stehe ständig in Kontakt mit den Beamten. Auch in Gladbeck hat der Hamas-Angriff Auswirkungen, obwohl es in der Stadt keine Synagoge gibt. „Die Polizisten im gesamten Kreis kontrollieren häufiger an jüdischen Einrichtungen“, sagt Annette Achenbach, Pressesprecherin der Polizei Recklinghausen. In Gladbeck sind das zum Beispiel jüdische Grabfelder auf den Friedhöfen, etwa auf dem Friedhof in Mitte.
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Der Angriff auf Israel bewegt auch das Gladbecker Bündnis für Courage, das seit vielen Jahren gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kämpft. „Die schrecklichen Nachrichten und Bilder aus Israel erschüttern uns. Israel muss sich gegen die Angriffe aus dem Gaza-Streifen verteidigen. Wir verurteilen die Angriffe der Hamas auf Israel auf das Schärfste“, sagt Bündnis-Sprecher Roger Kreft. „Dieser Tag ist eine Zäsur, ein präzedenzloser Akt der Eskalation durch die Hamas. Nichts rechtfertigt unterschiedslosen Raketenbeschuss, Kommandoangriffe auf friedliche Zivilisten, die brutale Entführung von unschuldigen Menschen.“
In Gedanken sei man bei den Freunden im Land, bei den Opfern und ihren Angehörigen. „Irgendwann wird dieser Krieg zu Ende sein. Dann beginnt das ungewisse Warten, wie lange es dauert, bis der nächste Krieg beginnt. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass es irgendwann doch zu einer friedlichen Lösung in Israel und Palästina kommen wird, auch wenn sie heute weiter entfernt scheint als in den letzten Jahren.“