Gladbeck. Wenn Wölfe sich immer weiter ausbreiten, könnte dies eine Freilandhaltung von Nutztieren erschweren. So sehen Gladbecker Landwirte die Zukunft.
- Vereinzelt gab es bereits Wolfssichtungen in Gladbeck und Umgebung, sollten sich Wölfe weiter ausbreiten, könnte dies die Nutztierhaltung deutlich erschweren.
- Viele Verbraucher legen immer mehr Wert auf eine Freilandhaltung von Nutztieren, doch umherwandernde Wölfe können so leicht viele Tiere einer Herde reißen.
- Nach Wolfsangriffen sind Tiere erfahrungsgemäß traumatisiert und Landwirt seelisch belastet.
Streifen bald ganze Wolfsrudel durch Gladbeck? Sehr unwahrscheinlich. Dennoch betrachten Landwirte und Jäger aus Gladbeck mit Sorge, dass sich Wölfe in NRW immer weiter ausbreiten und so eine offene Stallhaltung zu einer immer größer werdenden Herausforderung machen. Vor etwa eineinhalb Jahren soll ein Wolf in Gladbeck gesichtet worden sein, auch in angrenzenden Städten gab es bereits Sichtungen. Nutztierrisse wurden in der Umgebung bisher allerdings nicht bemerkt – drei Fachmänner erklären, warum die Ausbreitung der Wölfe dennoch allgemein eine Gefahr für die Nutztierhaltung darstellt.
Gladbeck als Durchzugsort für Wölfe: „Verlieren die Scheu vor dem Menschen“
Zurzeit zählt Gladbeck offiziell zur „Pufferzone Westmünsterland“, welche an das „Wolfsgebiets Westmünsterland“ angrenzt. Landwirt Hermann Hegemann, der einen Traditionsbetrieb an der Bülser Straße leitet, erläutert: „In Gladbeck selbst gibt es zu wenige geeignete Waldflächen, in denen sich Wölfe niederlassen könnten, das wäre bei einer weiteren Ausbreitung der Tiere beispielsweise eher in Kirchhellen möglich. Gladbeck selbst wäre dann viel mehr ein Durchzugsort für umherstreifende Wölfe.“ Doch auch auf Durchreise könnten die Tiere für Probleme sorgen, denn die Population wächst nicht nur, die Wölfe werden zudem immer frecher. „Die Scheu vor dem Menschen haben Wölfe schon lange verloren“, so Hegemann.
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Das kann auch Michael Overgünne vom Hof Overgünne an der Konrad-Adenauer-Allee bestätigen. Bisher hatte er zwar noch keine Probleme mit Wölfen, doch bei einer Ausbreitung der Tiere im Stadtgebiet müsste er seine Kühe auf dem Hof quasi „abriegeln“. Der Landwirt führt aus: „Unsere Kuhställe sind sehr offen gehalten, wodurch ein Wolf auch ohne große Hindernisse in den Stall kommen könnte. Ich glaube zwar nicht, dass ein Wolf eine ausgewachsene Kuh reißt, bei den Kälbern könnte ich mir das aber schon eher vorstellen.“
Nur meterhohe Zäune könnten Herden auf der Weide vor Wölfen schützen
Selbst ein Zaun hält Wölfe oft nicht davon ab, darüber zu springen und so auf Höfe und Weiden zu gelangen. Um freilaufende Nutztiere sicher vor Wölfen zu schützen, müssten sehr hohe Absperrungen her – „aber wir können ja nicht jegliche Weiden mit vier Meter hohen Schutzzäunen absperren“, sagt Hermann Hegemann. Das sehe weder schön aus, noch sei dies auf Dauer bezahlbar. Deshalb ist sich der Gladbecker Landwirt sicher, dass eine Nutztierhaltung im Freiland und die Ausbreitung von Wölfen nicht miteinander einhergehen. Äußerst problematisch, legen doch immer mehr Verbraucher bei ihrem Einkauf von Fleisch, Milch und anderen tierischen Produkten Wert auf eine Freilandhaltung der Tiere.
Hegemann ist deshalb bei Weitem nicht der einzige Landwirt, der sich fragt, wann der Ausbreitung von Wölfen endlich besser gegengesteuert wird. Gerd Tersluisen vom Hegering Gladbeck betrachtet die Vermehrung der Tiere ebenfalls kritisch, auch, wenn er für Gladbeck selbst keine Bedenken hat. „Unsere Stadt wird kein Wolfsgebiet, vorher werden die Abschussrichtlinien überarbeitet“, so der Jäger. Dies sei auch dringend nötig, denn die Folgen, wenn ein Wolf tatsächlich in einer Herde Tiere reiße, seien schlimm.
Wenn ein Wolf Tiere reißt, bleibt seelischer Schaden der Landwirte
„In der freien Natur reißt der Wolf in der Regel nur ein Tier, da die anderen flüchten können. Im Stall oder auf einer eingezäunten Weide gerät der Wolf allerdings in einen richtigen Blutrausch und reißt viele Tiere, selbst wenn er nur eins fressen kann – er hört nicht auf und verletzt und tötet ein Tier nach dem anderen.“ Er selbst habe außerhalb Gladbecks erlebt, wie ein Wolf 22 Schafe riss, nur acht davon waren sofort tot. „Die anderen Schafe mussten erst von einem Tierarzt untersucht werden, bevor sie von ihren Schmerzen erlöst und eingeschläfert wurden. Das ist staatlich verordnete Tierquälerei“, wird Tersluisen deutlich.
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Das Leid der Tiere zu sehen, die schwer verletzt wurden, nehme die Schäfer oft sehr mit: „Zwar gibt es einen materiellen Schadensersatz für Schafhalter, wenn Tiere gerissen werden, aber die seelischen Probleme bleiben und dafür gibt es keinen Ersatz.“ Und selbst die Tiere, die überleben, müssen oft im Nachhinein geschlachtet werden. Landwirt Hegemann erklärt: „Die verbliebenen Tiere sind oft so verstört, dass sie nicht mehr in eine Herde integriert werden können.“