Gladbeck.
Bei dem herrlichen Sommerwetter juckt es Landwirt Hermann Hegemann mächtig in den Fingern – die Getreideernte steht an. 16 Hektar Gerste und 11 Hektar Weizen warten auf den Mähdrescher. Ein Lohnunternehmer kommt zwar zu Hilfe, doch für den Hof bedeutet Ernte immer Hochbetrieb.
Der Hof Hegemann an der Bülser Straße in Mitte-Ost zählt zu den Traditions-Bauernhöfen in Gladbeck und ist einer der vier verbliebenen Vollerwerbs-Betriebe der Stadt. Der 43-jährige Landwirt bewirtschaftet den Hof in elfter Generation. Schon 2002 hat er die Verantwortung für den Betrieb von Vater Johannes Hegemann übernommen. Der 65-Jährige aber steht ihm bis heute noch mit Tatkraft zur Seite. Die Hegemanns bewirtschaften 65 Hektar Fläche, der Großteil der Äcker liegt östlich der Bülser Straße und reicht bis zur Stadtgrenze nach Buer.
Kühe aktiv wie Hochleistungssportler
In der Hauptsache dreht sich bei Hegemann aber alles um Milch – 60 Kühe stehen im Stall, sie sind die wirtschaftliche Säule des landwirtschaftlichen Betriebs. Täglich produzieren sie gut 1300 Liter, „dafür werden sie zweimal am Tag gemolken“, erläutert der Bauer. Um 5.30 und um 16.30 Uhr geht es mit den Tieren in den Melkstand. Im Schnitt liefert eine Kuh am Tag 27 Liter, in der Spitze können es mal bis zu 50 Liter sein. „Das sind Leistungen wie bei Hochleistungssportlern.“ Alle drei Tage holt die Molkerei die Milch aus einem Kühltank ab, vermerkt per EDV exakt, wieviel Milch von Hegemanns stammen. „Im Internet kann ich dann alles im Detail nachlesen“, berichtet Hermann Hegemann. Derzeit bekommt der Hof 39 Cent pro Liter. „Aber die Gewinnspanne ist gering, im Moment sind die Futterpreise sehr hoch.“
Ein Teil des Futters produziert Hegemann selbst: Auf zwei Dritteln der Ackerfläche wird Mais angebaut, der – wie das selbst produzierte Heu – an die Tiere geht. Vieles andere muss hinzu gekauft werden, u.a. Eiweißfutter, das sehr teuer ist. „Vom Futter hängt letztlich ab, wie gut die Kuh Milch gibt.“
Die Milchproduktion trägt zu 75 % zum Umsatz des Hofes bei. Weiteren Umsatz machen Hegemanns mit dem Verkauf von Gerste und Weizen, aber auch mit der Kälbermast. „Die weiblichen Kälber ergänzen im Alter von 24 Monaten unsere Milchkühe, die im Schnitt nach fünf Kalbungen aus der Milchproduktion ausscheiden.“ Die männlichen Kälber werden nach der Mast verkauft. Schon seit den 70er Jahren ist der Hof auf reine Milchviehhaltung und Bullenmast umgestellt. Damals gaben die Hegemanns die unwirtschaftlich gewordene Schweinemast auf. Trotz Sieben-Tage-Woche und langer Arbeitstage – Hermann Hegemann ist Landwirt mit Herz und aus Leidenschaft. „Ich kann mir gar nichts Besseres vorstellen.“
Schon 1630 führte ein Hegemann den Hof
Der Hof Hegemann im östlichen Gladbeck an der Bülser Straße zählt zu den ältesten Höfen der Stadt. Schon seit rund 400 Jahren gehört er der Familie.
Urkundlich nachweisbar ist, dass der Hof seit 1630 in direkter männlicher Linie jeweils vom Vater auf den Sohn überging. In den Annalen ist um 1630 ein Henrich Hegemann als erster mit dem Familiennamen erwähnt, berichtet der heutige Senior-Bauer, Johannes Hegemann, stolz. Er hatte 1971 den Familienbetrieb in zehnter Generation von seinem Vater, ebenfalls ein Johannes (1910-1994) übernommen und ihn 31 Jahre mit seiner Frau Maria geführt.
Ursprünglich lag der Hof weiter nördlich, ungefährt dort, wo heute das Bürgerhaus Ost steht. Um 1900, berichtet die Familienchronik, wurde er verlagert an die heutige Stelle unmittelbar vor die Bahnlinie gegenüber von Kotten Nie. 1941 wurde das Bauernhaus (Zweckel und Mittel-Ost lagen in der Einflugschneise auf das Hydrierwerk Scholven) von einer Brandbombe getroffen und so schwer beschädigt, dass es abgerissen werden musste. Nur der Kuhstall blieb stehen. Schon 1942 wurde das neue Bauernhaus mit Tenne gebaut, aber um drei Meter versetzt. Inzwischen gehören weitere Ställe zum Hof-Ensemble, darunter ein moderner Boxenlaufstall mit Melkstand und Auslauf für die Tiere ins Freie.
Vater wie Sohn Hegemann ist eines wichtig: Eine Beziehung zu den Tieren aufzubauen. „Der, der melkt, kennt jede Kuh“, so Hermann Hegemann.