Gladbeck. Gegen die Unterbringung von Geflüchteten im Van der Valk prüft die Stadt den Rechtsweg. Derweil sorgt ein Brief des Ministeriums für Empörung.
Jetzt ist das Thema ZUE (Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes für Geflüchtete) im Gladbecker Hotel Van der Valk ohnehin schon ein sensibles Thema. Der Rat der Stadt hat einstimmig, mit Ausnahme einiger Enthaltungen, eine Resolution beschlossen, in der kurz gesagt steht: Die Stadt Gladbeck will die ZUE, wie sie aktuell geplant ist, nicht haben. Dagegen stehen die Pläne des Landes NRW und der Bezirksregierung Münster, die die Unterbringung unbedingt möchte.
Entsprechend bereitete sich die Stadtverwaltung in der Sitzung des Haupt-, Finanz- und Digitalisierungsausschusses am Montag auf einen Grabenkrieg vor, sprich: weg vom Dialog, hin zu juristischen Mitteln. Bevor die aber überhaupt zur Sprache kommen, ergreift Bürgermeisterin Bettina Weist das Wort – und ist enttäuscht. Kurz vor Ausschuss-Start erreichte den ersten Beigeordneten Rainer Weichelt eine Mail des NRW-Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI), Inhalt: Im weitesten Sinne Angebote an die Stadt, das aktuelle Konzept für die ZUE anzupassen. Auch diese Zeitung erhielt das Schreiben kurz vor der Ausschusssitzung, die Ratsherren und Ratsfrauen erfuhren während der Sitzung davon.
Bettina Weist zum Ministeriums-Schreiben: „Ich werde diskreditiert“
Bürgermeisterin Weist bringt ihre Enttäuschung über die Art der Kommunikation ohne Umschweifen zum Ausdruck: Dass das Schreiben über Dritte, also die WAZ, an die Öffentlichkeit gebracht wird und – sicher nicht zufällig – unmittelbar vor einer Sitzung verschickt wurde, in der die ZUE besprochen wird. Besonderer Kritikpunkt ist eine kleine Formulierung. Das Angebot, die Planung für das Van der Valk abzuändern, möchte man „ausdrücklich erneuern“, schreibt das Ministerium. „Ich werde diskreditiert“, entgegnet Weist, denn es habe nie ein Angebot gegeben – es gebe also nichts, was erneuert werden könnte.
Durchaus eine vorstellbare Verhandlungstaktik des Ministeriums: Wenn es so aussieht, als habe es Angebote des Landes gegeben, auf die die Stadt aber nicht eingegangen ist, ist die Verwaltung der Buhmann, wenn die ZUE mit der vollen Kapazität von 620 Plätzen kommt – statt 300 aktive und 300 Stand-by-Plätze, wie es das Ministerium vorschlägt.
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Weist: Beteiligte Stellen müssen verlorenes Vertrauen wieder aufbauen
Auch zur Kommunikation äußert sich Weist: „Bis heute gibt es keinen offiziellen Ansprechpartner für uns, es erreichen uns und die Lokalpolitik Informationen auf unterschiedlichen Wegen von unterschiedlichen Stellen. Das Schreiben kurz vor der Sitzung zuzuleiten, ohne dass Politik und Verwaltung die Möglichkeit haben, es einzuordnen, ist für mich wieder einmal kein respektvoller Umgang mit der Stadt Gladbeck, mit Ratspolitik und Stadtgesellschaft. Das enttäuscht mich persönlich, erschüttert aber vor allem das Vertrauen der Menschen vor Ort in demokratische Prozesse. Dieses verlorene Vertrauen müssen jetzt alle beteiligten Stellen wieder aufbauen. Deshalb appelliere ich an Land und Bezirksregierung, den Willen der gewählten Volksvertreter ernst zu nehmen, den Standort Van der Valk zu den Akten zu legen und mit der Stadt Gladbeck endlich ins Gespräch über andere Lösungen zu kommen.“
Die Stimmung unter den Ratsleuten ist ganz ähnlich wie bei Bettina Weist. SPD-Fraktionschef Wolfgang Wedekind hält es für „unerträglich, dass das erst in der WAZ kommuniziert wurde“ und findet die Kommunikation „skandalös“. In der Folge gerät er mit Grünen-Ratsherr Bernd Lehmann aneinander, dessen Fraktion lieber weiter den Weg des Dialogs mit Land und Bezirksregierung beschreiten will – ein Weg, sagt Wedekind, den es in Sachen ZUE nie gegeben habe.
„Wir werden nicht über eine Einrichtung mit 600 Plätzen verhandeln“
In dem Schreiben des Ministeriums ist auch die Rede davon, alternative Flächen und Standorte in Gladbeck zu prüfen, in einem Telefonat mit der Abteilungsleiterin sei das auch noch einmal bestätigt worden, teilt die Stadt am Dienstag mit. Dazu Bettina Weist: „Wir haben von Beginn an betont, mit an den Verhandlungstisch zu gehören, da wir unsere Stadt und die Gegebenheiten hier am besten kennen. Wir bekennen uns natürlich zu unserer Verantwortung, geflüchtete Menschen in Gladbeck sicher aufzunehmen und stehen daher für andere Arten der Unterbringung zu Gesprächen zur Verfügung. Wir werden aber nicht über eine Einrichtung mit 600 Plätzen verhandeln, sondern nur über Unterbringungsmöglichkeiten kleinerer Größe. Damit haben wir seit acht Jahren gute Erfahrungen gemacht.“
Ziel der Stadt: ZUE für Bezirksregierung und Van der Valk unattraktiv machen
Um Inhalte geht es am Montag aber auch noch. Mitgebracht hat sie Dr. Olaf Bischopink, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Baumeister, die für die Stadt die rechtlichen Schritte mit Blick auf die ZUE prüft. Was gleich klar wird: Aus juristischer Sicht ist die Gemengelage ein äußerst unübersichtlicher Haufen, „es gibt auch keine Literatur dazu“. Wer zwischen den viele Paragraphen, dem Bauplanungsrecht, dem Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz und „Befreiungstatbeständen“ liest, kommt aber zumindest zum Schluss: Gänzlich verhindern kann das Baugesetzbuch die ZUE nicht.
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Wohl aber unattraktiver machen für Land, Bezirksregierung und Van der Valk. Denn wenn der Rat der Stadt, und davon ist auszugehen, am 7. September den Flächennutzungsplan ändert und ein neuer Bebauungsplan das Areal Van der Valk als „Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Hotel und Beherbergungsbetriebe“ festsetzt, sieht die Lage schon ganz anders aus.
Entschlossenheit der Stadtverwaltung ist ungebrochen
Dann könnte die Nutzung des Hotels als ZUE nämlich auf drei Jahre befristet werden, mit möglichen weiteren drei Jahren, die als Option gezogen werden könnten. Sechs Jahre also, anstelle der zehn Jahre über die Bezirksregierung und Van der Valk verhandeln. Die Idee dahinter: Wenn Van der Valk den eigenen Ausgaben im Falle einer ZUE die Miete der kommenden zehn Jahre entgegenstellt, aus dieser Dekade aber plötzlich bloß noch sechs Jahre werden – dann könnte die Unternehmung finanziell weniger reizvoll sein. Stadtbaurat Volker Kreuzer mahnt aber: Wenn der Gesetzgeber in Berlin die rechtlichen Rahmenbedingungen ändert – was er in den vergangenen Jahren gerne einmal getan hat – könnte auch die 3+3-Frist fallen.
Die Entschlossenheit der Stadt ist aber dennoch ungebrochen. Mit Blick auf die Ratssitzung am Donnerstag sagt Bürgermeisterin Bettina Weist: „Die ablehnende Haltung von Verwaltung, Lokalpolitik und Stadtgesellschaft dazu (zur ZUE in ihrer jetzigen Form, Anm. d. Red.) ist eindeutig. Land und Bezirksregierung haben jetzt nur die Möglichkeit, die Veränderungssperre zu verhindern, wenn sie vor der Ratssitzung eindeutig erklären, die Verhandlungen mit Van der Valk unverzüglich abzubrechen und damit den Beschluss des Stadtrates zu respektieren und umzusetzen. Danach können wir offizielle Gespräche über andere Möglichkeiten der Unterbringung auf Augenhöhe beginnen.“