Bottrop/Gladbeck. Fahrgäste in Bottrop und Gladbeck müssen weiter einen gekürzten Fahrplan hinnehmen: Der sehr hohe Krankenstand bei der Vestischen hält an.

Die Vestische setzt ihren Notfahrplan bis ins nächste Jahr fort. Eigentlich sollten die Busse des Verkehrsunternehmens schon im Sommer wieder regulär fahren.

Doch die Engpässe durch massiven Personalmangel halten an. „Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen“, versichert Martin Schmidt, seit 21 Jahren Geschäftsführer der Vestischen, bei einem Pressetermin. „Sie wurde gemeinsam mit dem Aufsichtsrat getroffen, da wir zurzeit keine andere Lösung sehen.“

Vestische kämpft mit hohem Krankenstand: 18 Prozent sind derzeit krank

Hintergrund ist eine nach wie vor außergewöhnlich hohe Zahl an Krankmeldungen. 18 Prozent der Belegschaft ist derzeit krankgemeldet, die Hälfte davon ist langzeiterkrankt. Damit ist die Vestische nicht alleine: Auch die Ruhrbahn hatte Mitte August angekündigt, ihr Fahrtangebot in Essen und Mülheim für mindestens einige Wochen wegen Personalmangels zu kürzen.

Hinzu kommt, dass viele Touren schon seit Jahren von der Vestischen an örtliche Subunternehmer vergeben werden. Zurzeit liegt der Fremdunternehmer-Anteil bei 27 Prozent. Die stünden aber vor den gleichen personellen Problemen wie die Vestische selbst.

„Wenn es dort plötzliche Ausfälle gibt, müssen wir oft sofort mit unseren eigenen Leuten einspringen, egal, wie dünn die Personaldecke ist“, schildert Thomas Krämer, Centerleiter Betrieb, die Lage. „Das gilt vor allem dann, wenn Schulfahrten betroffen sind, denn die haben natürlich Priorität.“

Die Frage nach den Ursachen für die schwierige Situation sei aber nicht nur auf den hohen Krankenstand zurückzuführen, ergänzt Heiner Wickert, Leiter für den Bereich Personal und Informationstechnik. „Das Problem ist viel komplexer. Es gebe im Fahrdienst eine hohe Fluktuation. „Jüngere Fahrer wandern als Berufskraftfahrer in die Transportbranche ab, ältere Mitarbeiter, die oft noch Ursprungsberufe im Handwerk erlernt haben, werden dorthin abgeworben. Hinzu kommt, dass viele Fahrer inzwischen das Rentenalter erreicht haben.“

Vestische: Hilfsbereitschaft der Fahrer dürfe nicht überstrapaziert werden

Einig sind sich alle Führungskräfte, dass das Engagement seitens der Belegschaft nach wie vor hoch sei. Die Vestische hat insgesamt tausend Mitarbeiter, allein 750 davon sind im Fahrdienst. „Wir sind dankbar, dass wir viele motivierte Kollegen haben, die bereit sind, Sonderschichten auch kurzfristig zu übernehmen“, sagt Pressesprecher Christoph van Bürk. Geschäftsführung und Aufsichtsrat seien sich bewusst, dass die Hilfsbereitschaft der Fahrer keinesfalls überstrapaziert werden darf, damit deren eigene Gesundheit nicht auch noch gefährdet wird.

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Die Einsatzdauer und Dichte der aufeinanderfolgenden Schichten werde deshalb mit entsprechenden Pausen so geplant, dass nicht weitere Erschöpfungsausfälle entstehen. Überhaupt werde viel für die Gesundheit der Mitarbeiter getan. Die Vestische verfüge über ein prämiertes Gesundheitsmanagement, das für alle zur Verfügung steht. „Auch einen sozialen Ansprechpartner gibt es im Unternehmen“, erläutert Heiner Wickert, „an den können Mitarbeiter sich wenden, wenn sie zum Beispiel in psychische Stresssituationen geraten.“

Denn viele hätten sich den Job als Fahrer anders vorgestellt, als er im Alltag ist. „Zwar bietet die Vestische ihren Fahrern ein berufsbezogenes Interventions- und Sicherheitstraining an, in dem der Umgang mit Konfliktsituationen geübt wird, aber auch kleine Unfreundlichkeiten im Umgang machen auf die Dauer mürbe“, sagt Heiner Wickert.

Vestische wirbt um Busfahrer – 65 Neueinstellungen in 2023

Und welche Lösungen sucht die Vestische langfristig zur Behebung es Problems? „Wir setzen natürlich darauf, möglichst viele Neueinstellungen zu realisieren“, sagt Martin Schmidt. „Allein in diesem Jahr wurden 65 neue Fahrer eingestellt. Bis zum Ende des Jahres werden die Einstellungen sicher dreistellig sein.“

Und Heiner Wickert ergänzt: „Wir sind natürlich in den Sozialen Medien und auf den entsprechenden Plattformen präsent. Besonders gut kam unser Recruiting-Bus an. Mit dem sind wir an unterschiedliche Standorte gefahren und haben auf einem Banner mit dem Slogan ,Busfahrer in 30 Minuten’ geworben.“

Fahrgäste müssen weiter mit Wartezeiten und Ausfällen rechnen

Tatsächlich hätten sich viele für dieses Angebot interessiert, obwohl der Weg bis zum Busfahrer schon um einiges länger dauert: Benötigt wird ein Führerschein der Klasse D. Um den zu erwerben, braucht man zwei bis drei Monate, und er kostet rund 15.000 Euro, die aber meist von der Agentur für Arbeit oder von der Vestischen übernommen werden. Danach müsse man noch einmal mindesten acht Wochen einkalkulieren, bis ein Fahrer voll einsatzfähig ist. Willkommen sind auch Bewerber jenseits der 50, die bereits über Berufserfahrung verfügen, da diese oft schneller einsetzbar sind.

Die Fahrgäste der Vestischen in Bottrop und Gladbeck müssen allerdings erstmal weiter damit rechnen, dass sie längere Wartezeiten, eine geringere Frequenz und schlechtere Anschlüsse in Kauf nehmen müssen. Die Planbarkeit soll aber trotz dieser Einbußen erhalten bleiben. Genaue Auskünfte stehen über die Elektronische Fahrplanauskunft (Efa), die Vestische-App und auf den Monitoren der digitalen Fahrgastinformation zur Verfügung.

In einer früheren Version des Artikels hatte wir geschrieben, dass 18 Prozent der Belegschaft langzeiterkrankt sind. Es sind allerdings nur neun Prozent. 18 Prozent sind derzeit krankgemeldet – inklusive der Langzeiterkrankten. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.