Gladbeck. Wie soll der Rettungsdienst in Gladbeck künftig funktionieren, um die Menschen zu versorgen? An allen Ecken und Enden gibt es dicke Probleme.
Die Mitglieder des Ausschusses für Sicherheit, Ordnung und Feuerwehr in Gladbeck hatten von der Stadtverwaltung Informationen zur neuen Rettungsdienstbedarfsplanung eingefordert – und, wenn auch verspätet, bekommen. Nun geht das Thema seinen Gang durch die weiteren Gremien. Eine Etappe auf dem Weg zum endgültigen Beschluss hat es jetzt genommen. Schwere Brocken sind aus dem Weg zu räumen, um den Rettungsdienst in Gladbeck zukunftssicher zu machen.
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Den Kreisausschuss für Mobilität, Feuerschutz und Rettungswesen hat die aktuelle Bedarfsplanung passiert. Svenja Küchmeister sagt: „Er hat erst einmal eine Empfehlung ausgesprochen.“ Die Entscheidung, so die Sprecherin des Kreises Recklinghausen, liegt beim Kreistag, der am 12. September das letzte Wort hat.
DRK-Chef Wilhelm Walter: „Die Stadt Gladbeck ist dann gefordert, den neuen Rettungsdienstplan umzusetzen“
„Die Stadt Gladbeck ist dann gefordert, den neuen Rettungsdienstplan umzusetzen“, kommentiert Wilhelm Walter, Vorsitzender des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) vor Ort. Die vorliegende Bedarfsplanung sieht die Errichtung eines zusätzlichen RTW-Standortes im Ortsteil Brauck vor und die Vorhaltung eines zusätzlichen Rettungswagens für zwölf Stunden, montags bis freitags, an der Feuer-und Rettungswache. Svenja Küchmeister erklärt: „Ein zusätzlicher RTW bedeutet nicht automatisch, dass er gekauft werden muss. Mitunter gibt es ja in der Flotte Fahrzeuge, die eigentlich ausgemustert werden sollten, aber doch noch zum Einsatz kommen können.“
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Sicher, die Anschaffung eines Rettungswagens ist eine Frage des Geldes, aber nicht nur. Denn: Aktuell bestehen verlängerte Lieferfristen bei der Ersatz- und Neubeschaffung von Fahrzeugen. Probleme sind allgegenwärtig. Es fehlt an allen Ecken und Enden: Da wäre einmal der Mangel an Personal. Svenja Küchmeister: „Das gilt für Feuerwehr, Nachwuchskräfte, Aktive, Organisationen. Manche freie Ausbildungsplätze und Stellen bleiben unbesetzt.“
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Deswegen „könne eine kurzfristige Umsetzung der im Rettungsdienstbedarfsplan beschriebenen Maßnahmen nicht möglich sein“, räumt die Kreisverwaltung ein. Zusätzliches Personal ließe sich überwiegend nur durch die Erhöhung der Ausbildungsquote“ erreichen. Eine Vollausbildung auf diesem Gebiet erstreckt sich allerdings über drei Jahre. Als Übergangslösung sollen Rettungswagen, sofern nicht ausreichend Notfallsanitäter und -sanitäterinnen zur Verfügung stehen, mit zwei Rettungssanitätern besetzt und als Notfall-Krankentransportwagen (KTW) eingesetzt werden.
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Ein Knackpunkt: die Hilfsfrist von acht Minuten. Zur Erstellung des neuen Rettungsdienstbedarfsplans wurde erstmals eine externe Begutachtung im Kreis Recklinghausen in Auftrag gegeben. Die Firma FORPLAN® Forschungs- und Planungsgesellschaft für Rettungswesen, Brand- und Katastrophenschutz wurde damit betraut, die rettungsdienstlichen Strukturen im Kreis Recklinghausen zu prüfen. Die besagte Hilfsfrist ist wesentliches Planungskriterium. „Zusätzlich ist ein Sicherheitsniveau festzulegen, das den Grad der Einhaltung der vom Planungsträger vorzusehenden Hilfsfrist beschreibt, in der in einem Rettungsdienstbereich alle an einer öffentlichen Straße gelegenen Notfallorte rettungsdienstlich qualifiziert bedient sein sollen“, heißt es.
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Aufstockungen im Kreis
Träger des Rettungsdienstes ist der Kreis Recklinghausen. Träger der Rettungswachen sind die kreisangehörigen Städte.
Kreissprecherin Svenja Küchmeister: „Die Ausbildung der Notfallsanitäter erfolgt in Marl.“ Die Anzahl der Ausbildungsstellen soll, so sieht es die Rettungsdienstbedarfsplanung vor, kreisweit von bisher 24 Stellen auf bis zu 44 Stellen aufgestockt werden.
Außerdem geplant ist die Erhöhung der Anzahl von Reserve-Notarzteinsatzfahrzeugen. Statt zwei sollen es künftig drei Exemplare sein. Svenja Küchmeister erläutert: „Diese Fahrzeuge stellt der Kreis zur Verfügung.“
Der Status quo sieht in Gladbeck alarmierend aus, konnte die 8-Minuten-Hilfsfrist doch nur zu 55,9 Prozent eingehalten werden. Im gesamten Kreis Recklinghausen liegt die Erfüllung bei 50,7 Prozent. Als „höchstproblematisch“ bezeichnet der Gladbecker DRK-Geschäftsführer Stefan Walter, dass im Norden und Westen der Stadt „ein Erreichen der Acht-Minuten-Hilfsfrist in 90 Prozent der Einsatzfälle nicht möglich“ sei. Eine Abstufung auf eine 12-Minuten-Frist stieß auf Widerstand im Ausschuss für Sicherheit, Ordnung und Feuerwehr.
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Wilhelm Walter erneuert das Angebot des Roten Kreuzes in Gladbeck: „Wir stehen weiterhin bereit, an der Umsetzung des Rettungsbedarfsplans aktiv mitzuwirken und uns einzubringen. Sicherlich braucht es hierfür in der Lokalpolitik und in der Verwaltung noch Beratungsbedarf, ob Hilfsorganisationen berücksichtigt werden sollen. Schön wäre es, wenn kurzfristig die Stadt Gladbeck vorab ein Ja oder Nein als Aussage an die Lokalpolitik und an die Hilfsorganisationen signalisieren würde. Dann könnten wir auch unsere Vorstellungen und Hinweise einbringen zum Wohl der Gladbecker Bürgerinnen und Bürger.“
Doch davon, dass das DRK Gladbeck zukünftig in den Rettungsdienst eingebunden wird, war im städtischen Fachausschuss nicht die Rede. Im Kreis-Ausschuss hieß es: „Die Hilfsorganisationen haben in ihren Stellungnahmen darauf verwiesen, dass eine dauerhafte, erweiterte Beteiligung am Rettungsdienst im Kreis Recklinghausen nicht nur wünschenswert, sondern für die Erhaltung des komplexen Hilfeleistungssystems in der jetzigen Form unabdingbar ist, und ihre Mitwirkung angeboten.“
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Wilhelm Walter verweist auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, das die Verpflichtung des Staates, ein funktionierendes Rettungsdienstsystem zur Verfügung zu stellen, als Grundrecht sieht. Diese Schutzpflicht – und damit das Grundrecht – werde dann verletzt, wenn unzulängliche Regelungen und Maßnahmen getroffen werden. Sprich: Das Schutzziel, ein funktionierendes Rettungsdienstsystem, verfehlt werde. Der Gladbecker DRK-Chef: „Die Hilfsfristen aussitzen und warten, wird wohl nicht möglich sein. Man muss handeln. Ich beabsichtige nochmals die Fraktionen Grüne, CDU, SPD nach der Verabschiedung Rettungsdienstbedarfsplan im Kreistag auf diese Situation hinzuweisen.“