Gladbeck. Das „Fest der deutschen Schule“ nutzten Nazis in Gladbeck am 1. Juli 1933, um in Wittringen eine Bücherverbrennung anzuzetteln. Blick zurück.
Als die Nazis vor 90 Jahren an die Macht kamen, hetzten sie nicht nur gegen Andersdenkende und sorgten für die Gleichschaltung des gesellschaftlichen Lebens, sondern verbrannten ebenso Bücher ihnen verhasster Autoren. Auch in Gladbeck gab es eine „Bücherverbrennung“ – aber anders als in vielen Orten in Deutschland nicht am 10. Mai, sondern erst am 1. Juli 1933.
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In Gladbeck organisierte die Hitlerjugend die Bücherverbrennung am Abend des 1. Juli 1933. Mitglieder von Nazi-Verbänden, SA und SS, sowie Vereine, städtische Beamte, Lehrer und Schüler zogen durch die Stadt zum Ehrenmal in Wittringen. Unter lautem Jubel vieler Menschen der Stadt wurden dort auf einer benachbarten Wiese die Schriftwerke verbrannt – es handelte sich unter anderem um Bücher so bedeutender deutscher Schriftsteller wie Heinrich Heine, Bertolt Brecht, Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Sigmund Freud, Thomas Mann und Karl Marx.
Die Bücherverbrennung vor 90 Jahren war ein Programm-Teil eines anderen Ereignisses in Gladbeck
Die Bücherverbrennung vor 90 Jahren war ein Programm-Teil eines anderen Ereignisses in der Stadt: Am Sonntag, 2. Juli 1933, wurde in Gladbeck das „Fest der Deutschen Schule“ gefeiert, eine Propagandaveranstaltung der Nationalsozialisten mit einem Umzug durch die Stadt, mit Massen-Darbietungen im Stadion und eben mit einem „Feuerstoß im Stadtwald“ am Vorabend, womit im offiziellen Programm die Bücherverbrennung umschrieben wurde.
„Dieses Ereignis, diese Gladbecker Bücherverbrennung, ist über viele Jahrzehnte in der Nachkriegszeit totgeschwiegen worden“, erklärte schon vor Jahren der örtliche Geschichtsforscher Manfred Samen. In seiner aktiven Zeit der historischen Aufarbeitung lokaler Themen zur Nazi-Herrschaft in Gladbeck, und vor allem zum Schicksal jüdischer Bürger aus der Stadt, erregte der ehemalige Lehrer des Ratsgymnasiums immer wieder Aufsehen. Seit 2014 steht, auch eine Folge seiner Recherchen, an der Ehrenmal-Wiese eine Gedenktafel, die auf das beschämende Ereignis hinweist.
Der Fraktionsvorsitzende der NSDAP im Gladbecker Stadtrat hatte die Bücherverbrennung initiiert
Die Gladbecker Bücherverbrennung am Vorabend des „Festes der deutschen Schule“ wurde initiiert als „Aktion wider den undeutschen Geist“ vom Fraktionsvorsitzenden der NSDAP im Stadtrat, Johannes Passe, Studienrat am Jungengymnasium (heute Ratsgymnasium). Nazi-OB Bernhard Hackenberg hatte eigens die Bediensteten der Stadt zur Teilnahme aufgerufen, „die nachweislich auch in großer Zahl erfolgte“, wie Samen herausfand. Werke der genannten Autoren passten nach Meinung der NS-Machthaber „nicht in die neue Zeit“, wurden systematisch verbrannt.
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Auftakt der „Aktion Bücherverbrennung“ in Gladbeck war der Marktplatz, von dem sich ein Fackelzug Richtung Wittringen formierte, an dem viele Gladbecker teilnahmen. Viele andere hatten sich bereits auf der Freifläche am Ehrenmal eingefunden. Nach Eintreffen des Fackelzuges fand ein Aufmarsch auf der Freifläche am Ehrenmal statt, wo bereits ein großer Holzstoß entzündet worden war. Daneben war das vermeintliche „undeutsche Schrifttum“ gestapelt worden, das die Hitler-Jugend zuvor gesammelt hatte. Bevor die Bücher in die Flammen geworfen wurden, hielt HJ-Führer Demme eine „Feuerrede“. Obwohl es eine Reihe von Fotos vom „Fest der deutschen Schule“ gibt, konnte bislang allerdings kein Foto der Gladbecker Bücherverbrennung gefunden werden.
So berichtete die Gladbecker Lokalpresse damals über das Ereignis
Geradezu begeistert berichtete die gleichgeschaltete örtliche Presse (es gab damals drei Lokalzeitungen) über das Ereignis. Im „Gladbecker Anzeiger“ hieß es am 3. Juli 1933 über die Bücherverbrennung in Wittringen: „Und dann kommt der Augenblick, der dem Marxismus in Gladbeck auch nach außen hin den Gnadenstoß gibt. Rote Fahnen und Plakate . . . wurden in die Flammen geworfen.“ Und weiter: „Akten und Bücher der Gewerkschaften finden ebenfalls im Feuer ihren Verbrennungstod, und schließlich gehen auch die Bücher der Dichter, die auf der Schwarzen Liste stehen, in hellen Flammen auf.“ Die Volkszeitung schrieb: „Großer Jubel begleitet die Vorgänge. Ab und zu tragen die Flammen verbrannte Fetzen dieser Bücher in die dunkle Nacht hinein. Alles ist vernichtet.“ Die Berichte – sie sind ein anschaulicher Beleg für die gleichgeschaltete Presse in dem zu dem Zeitpunkt erst seit einigen Monaten herrschenden autoritären NS-Staat.
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