Gladbeck.
Gladbecks OB aus der Nazi-Zeit, Dr. Bernhard Hackenberg, war ein Nationalsozialist durch und durch, zwar kein strenger Parteisoldat, dem am Ende direkt auch kein Blut an den Händen klebte, aber ein Fanatiker, der der Politik der NSDAP bedingungslos folgte und sie mit rücksichtsloser Brutalität in Gladbeck durchsetzte. „Hackenberg war ein eindeutiger Nazi“, fasste Heimatforscher Manfred Samen Recherchen über den ehemaligen Oberbürgermeisters in einem Vortrag zusammen.
Samen informierte auf Einladung von VHS und Heimatverein vor knapp 100 Zuhörern im Fritz-Lange-Haus kenntnisreich und detailliert über das Leben und Wirken Hackenbergs in Gladbeck von 1932 bis 1945. Samen hat über Jahre Originaldokumente und Akten studiert, alte Zeitungsberichte ausgewertet und vor allem Gespräche mit Zeitzeugen, darunter mit der Hackenberg-Tochter, geführt.
So eindeutig Samens Urteil ausfiel: Es habe schlimmere Nazis in der Stadt gegeben, auch könne Hackenberg Gutes, das er für Gladbeck geleistet habe, attestiert werden. „Er hat sich im Krieg hervorragend für die Kranken eingesetzt, nach den Bombardierungen des Barbara-Hospitals im Mai 1943 und im September 1944 besorgte er schnell Ersatzquartiere“, so Samen. Hackenberg, maßgeblich an der Errichtung des Ausweich-Hospitals im Moltke-Stollen beteiligt, habe durchaus Fürsorgepflicht erkennen lassen.
Auch stabilisierten sich in seiner Amtszeit die Stadtfinanzen nach der Weltwirtschaftskrise 1929. Desweiteren setzte er Akzente in der Stadtentwicklung. U.a. wurde der Nordpark angelegt, 6000 Bäume in der Stadt gepflanzt, die vernachlässigten Schulen saniert, Schulgärten angelegt, Friedhöfe erweitert. „Hackenberg war sogar fortschrittlich“, so Samen, er richtete kulturfördernd die Stelle eines städtischen Musikdirektors ein.
Aber Hackenberg, der - 1896 im Sauerland geboren - bereits 1932 als Zentrumsmann unter 68 Bewerbern von Zentrum, SPD und einigen Kleineren 36-jährig zum Stadtoberhaupt gewählt wurde, arrangierte sich, so Samen, sehr schnell mit den Nazis. Kein Wunder: Bereits in Soest, wo er zuvor Beigeordneter war, stand er, fand Samen heraus, loyal zur NSDAP, „deckte die nationalsozialistische Bewegung“. So überrasche es wenig, dass Hackenberg nur fünf Tage nach der Wahl in Gladbeck aus dem Zentrum austrat.
Nach der Machtübernahme durch die Nazis 1933 war er einer der wenigen OB, die im Amt blieben. „Er verstand es, sich den braunen Machthabern anzupassen“ und habe - auch unter Druck von Gau- und Kreisleitung - „voll im Sinne des Systems funktioniert“. Das alles habe, merkte Samen an, unter Zustimmung eines Großteils der Gladbecker stattgefunden, „Gladbeck war ein rechtslastiges Nest“.
Hackenberg trat noch 1933 in die SS ein. Fortan war die schwarze Uniform fast immer seine Dienstkleidung. Parteimitglied wurde er erst 1937, was wohl auf die allgemeine Aufnahmesperre der NSDAP von ‘33 bis ‘37 zurückzuführen ist, wie in der anschließenden Diskussion Stadthistorikerin Katrin Bürgel ergänzte. Hackenberg, der „merkwürdigerweise erst 1942“ aus der kath. Kirche austrat, habe, so Samen, voll und ganz das Führerprinzip auf Kommunalebene umgesetzt, sämtliche Verwaltungs- und Stadtstrukturen auf ihn ausgerichtet.
Allerdings: Er hatte kein Parteiamt, war nie auf einem Parteitag oder einer Parteischulung. Dennoch sanktionierte, teilweise brutal, Widersprüche, auch gesteuert von der Partei, in deren Geiste er durch und durch agierte, betonte Samen. Er tolerierte und unterstützte völlig die Judenverfolgung, „von Anfang an“. Er habe sich der verhängnisvollen Entwicklung nicht entgegengesetzt. In den letzten Kriegsmonaten formulierte Hackenberg, der engagiertes DRK-Mitglied war, Durchhalte-Appelle, machte sich aber selbst im März 1945 aus dem Staub und flüchtete. „Er ließ Gladbeck im Stich.“
Wohl ein Grund, warum man in Gladbeck nach dem Krieg und seiner glimpflichen Entnazifizierung von Hackenberg, im Gegensatz zu anderen Nazis, nichts mehr wissen wollte, „und ihm lieber eine Pension zahlte, als ihn wieder einzustellen“. Er ging nach Godesberg, wohin seine Gladbecker Freundin (er war seit ’35 geschieden) gezogen war. Dort und in Köln arbeitete er bis kurz vor seinem Tod als Anwalt. Er starb 89-jährig 1985, so Samen, der betonte, dass das Thema Hackenberg noch nicht gänzlich erforscht sei.