Gladbeck. Um in Gladbeck ungewollte Schwangerschaften aufgrund von Geldnot vorzubeugen, fordert Pro Familia mehr Unterstützung für Bedürftige.

Wenn jeder Cent zweimal umgedreht werden muss, um die Lebenshaltungskosten zu decken, bleibt bei vielen Bedürftigen in Gladbeck kein Geld übrig, um sich teure Verhütungsmittel leisten zu können. Aus diesem Grund gibt es in der Stadt bereits verschiedene Unterstützungsangebote, die Bedürftigen einen kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln ermöglichen sollen. Die Gladbecker Beratungsstelle von Pro Familia sagt allerdings: Diese Förderung reicht nicht.

Dass Menschen mit wenig Geld einer Förderung bedürfen, um sich kostspielige Verhütungsmittel leisten zu können, ist seit vielen Jahren ein Thema – in Gladbeck, aber auch bundesweit. „Heute ist es leider keine Seltenheit, dass Frauen wegen ihrer Armut schwanger werden“, so die Ratsfraktion Soziales Bündnis kurz vor ihrer Auflösung Ende Mai. „Woher sollen Frauen das Geld für die nicht preiswerten Verhütungsmittel nehmen, wenn es die finanzielle Situation es nicht zulässt?“ Hier bestehe ein dringender Handlungsbedarf.

Kostenfreie Verhütungsmittel in Gladbeck werden bereis zum Teil gefördert

Aus diesem Grund hat das Soziale Bündnis einen Antrag im Ausschuss für Soziales, Senioren und Gesundheit gestellt, in dem es kostenfreie Verhütungsmittel für Bedürftige in Gladbeck fordert. Die Besprechung des Antrags im Ausschuss wurde nun vom Antragsteller Gerhard Dorka (DKP) auf Mitte August verschoben, um sich in dieser Zeit über bereits vorhandene Angebote zu diesem Thema in der Stadt zu informieren. Denn: Zum Teil werden kostenfreie Verhütungsmittel in Gladbeck bereits gefördert.

So stellt der Kreis Recklinghausen seit 2020 hierfür nach Angaben von Pro Familia circa 42.000 Euro jährlich zur Verfügung, diese werden von den Beratungsstellen geprüft und bewilligt. Zusätzlich fördert das Land NRW seit 2019 Verhütungsmittel, Dolmetscherkosten sowie Informations- und Schulungsmaterial für Geflüchtete. Ob diese Förderung auch 2024 fortgeführt wird, sei allerdings ungewiss. Ohnehin decken diese Förderungen laut Pro Familia den Bedarf nur für circa sechs bis acht Monate, weshalb die Beratungsstelle eine zusätzliche Förderung durch die Stadt fordert und den Antrag des Sozialen Bündnisses unterstützt.

„Die finanziellen Sorgen und Engpässe der Menschen, die bei uns zur Beratung kommen, haben sich durch die politische und wirtschaftliche Lage deutlich verschlimmert“, erzählt Katarzyna Beuth von der Gladbecker Pro Familia-Beratungsstelle. Betroffen seien nicht nur Menschen, die Sozialleistungen beziehen, sondern auch Berufstätige. „Wir beobachten bei den Klienten, dass Verhütungsmittel nicht angeschafft oder eher weniger sichere Verhütungsmittel gewählt werden. In einer finanziellen Notlage greifen Menschen zu weniger kostenintensiven Verhütungsmitteln.“

Langzeitverhütungsmittel bei Bedürftigen besonders gefragt

Besonders kostenintensiv sind Langzeitverhütungsmittel – deren Preis liegt oft bei mehreren hundert Euro. Eine Hormonspirale inklusive medizinischer Leistung kostet derzeit beispielsweise etwa 400 Euro, eine Sterilisation 600 Euro. Dabei sei besonders die Nachfrage nach Langzeitverhütungsmitteln bei Bedürftigen sehr groß. Dies zeigte ein Modellprojekt von Pro Familia, welches in Gladbeck als Teil der Beratungsstelle Recklinghausen zwischen Januar 2017 und Juni 2019 durchgeführt wurde.

„Biko“ (Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung) wurde vom Bundesfrauenministerium gefördert und ermöglichte an insgesamt sieben Standorten in ganz Deutschland Frauen ab 20 Jahren eine Kostenübernahme für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel, wenn diese Sozialleistungen bezogen oder über ein vergleichbar geringes Einkommen verfügten. Darüber hinaus konnten sich Frauen freiwillig und ausführlich zum Thema Verhütung beraten lassen.

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Beuth berichtet von einem Beratungsgespräch: „Eine Klientin erzählte uns, dass sie bereits zwei Kinder bekommen und auch schon drei Fehlgeburten erlitten habe und nun „auf Nummer sicher gehen“ wolle. Allerdings könne sie in ihrer derzeitigen Situation eine Spirale nicht selbst finanzieren und sei deshalb auf die Kostenübernahme angewiesen“.

Finanzielle Notsituation Bedürftiger hat sich durch wirtschaftliche Lage verschlimmert

Das Projekt zeigte, dass sich deutlich mehr als die Hälfte der Frauen für Langzeitverhütungsmethoden, wie zum Beispiel die Hormonspirale, entschieden. Jedoch wurde auch die Pille stark nachgefragt. Der Bedarf sei seit Jahren sehr hoch, durch die wirtschaftliche Lage habe sich die finanzielle Situation für viele Menschen noch verschlimmert, so Beuth.

Die reine Kostenübernahme für Verhütungsmittel ist jedoch nicht der einzige Punkt, der laut Pro Familia zukünftig besser gefördert werden sollte. So sei auch der niederschwellige Zugang zu Information und Beratung wesentlich, um zukünftig ungewollten Schwangerschaften aufgrund von finanziellen Notsituationen entgegenzuwirken.