Gladbeck. Vor zwei Jahrhunderten wurde erstmals das Gladbecker Gemeindegebiet kartographisch erfasst. Das war für die Bauern von großer Bedeutung.
Vor genau 200 Jahren reiste er kreuz und quer durch Gladbeck, packte im Dorf und in den Bauerschaften nie gesehene Gerätschaften aus, maß und notierte, ermittelte und dokumentierte: 1823 waren der Geometer Döllinger und sein preußisches Vermessungsteam wochen- und monatelang im Kirchspiel unterwegs, um erstmals die genaue kartographische Erfassung des Dorfes und seiner Bauerschaften vorzunehmen. Es entstand das Urkataster Gladbecks – das Bild des Gladbecker Gemeinde- und Stadtgebietes, wie man es bis heute kennt.
Möglich wurde die Vermessung Gladbecks (und die anderer Gemeinden) dadurch, dass das Vest Recklinghausen (ab 1816 Kreis Recklinghausen) in Folge der Neuordnung Europas nach der Niederlage Napoleons 1815 an Preußen fiel. Und die neuen preußischen Landesherren setzten ein Reihe von Reformen in Gang, darunter auch die genaue Erfassung und Vermessung der Städte und Gemeinden – so auch die Gladbecks. Erfasst wurden die komplette Oberflächenstruktur und die Besitzverhältnisse des Kirchspiels. Diese Karte gab und gibt einen guten Überblick über die damalige Landschaftsstruktur, aber auch über die Siedlungsgefüge der Gemeinde.
1821 lebten in Gladbeck exakt 2367 Menschen
Das genaue Feststellen der Besitzverhältnisse war ein unbedingtes Muss als Folge der Bauernbefreiung und Abschaffung der Leibeigenschaft (ab 1808) und der damit verbundenen Aufteilung des Gemeineigentums, der Markenteilungen. Mit den neuen Rechten konnten die Bauern und Kötter Besitzer ihrer Höfe werden. Das Urkataster erlangte die Bedeutung eines der wichtigsten Dokumente jener Jahre.
Erst 1821 waren die Grenzen der Bürgermeistereien neu eingeteilt und die seit 1811 gültige Zersplitterung des Kirchspiels Gladbeck rückgängig gemacht worden: Zweckel, Rentfort und Ellinghorst (die für zehn Jahre der Bürgermeisterei Kirchhellen zugeordnet waren) kamen zurück ins alte Kirchspiel und damit wieder in die Bürgermeisterei Buer, wo Wilhelm Tosse seit 1819 Bürgermeister war (bis 1855) und in dieser Funktion auch für Gladbeck zuständig blieb. Er machte sich später auch als Verfasser einer ersten Gladbecker Chronik einen Namen. 1821 weist Tosse die erste amtliche Einwohnerzahl für Gladbeck aus: exakt 2367.
Zu diesem Zeitpunkt lebten in Gladbeck 94 Bauern, 42 Kötter, 46 Pferdekötter (Ackersleute), drei Halbbauern und 28 Knechte. Die Hofesgröße lag zwischen 50 bis 100 Morgen, wobei ein Morgen die Fläche ist, die ein Landwirt mit zwei Pferden an einem Morgen pflügen konnte – etwa 2000 bis 2500 Quadratmeter. Viele Hofnamen, aber auch Kotten, sind im Urkataster vermerkt.
Gladbecker Urkataster verzeichnete auch schon eine überörtliche Landstraße
Mit Hilfe des Urkatasters konnte exakt den Bauern und Köttern das Eigentum an den von ihnen bewirtschafteten Höfen übertragen werden, wie es das neue Recht vorsah. Hinzu kamen die Markenteilungen, die Aufteilung von Gemeineigentum in Privateigentum (auch ab 1823). Insgesamt konnte sich so die Bauernbefreiung erst richtig durchsetzen. Die Bauern mussten sich allerdings von den bisherigen Abgaben und Diensten durch eine Zahlung an die Gutsherren freikaufen. Und das war ein neues, fast nicht zu lösendes Problem für die einfachen Bauern: Sie waren zwar nicht mehr abhängig von Grundherren und Abgaben, nun aber von Banken und Kapitalgebern.
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Das Gladbecker Urkataster von 1823 verzeichnete auch die einzige überörtliche Landstraße, die es damals im Kirchspiel gab und die zu diesem Zeitpunkt vermutlich einige Jahrhunderte alt war: Den Vestischen Hellweg, der von Duisburg, Oberhausen und Bottrop kommend über Gladbeck nach Buer, Recklinghausen, Datteln und Lünen führte. Die wichtige Überlandstraße, die nicht unmittelbar durch den Gladbecker Dorfkern verlief, war in alten Zeiten etwa drei Meter breit und sollte möglichst frei von Bewuchs sein, war aber oft staubig, schlammig oder matschig, wie es in Chroniken heißt. Der Vestische Hellweg verlief – von Westen kommend – über die heutige Bottroper Straße, Hermannstraße, Holunderweg, Lindenstraße und noch ein Stück über die heutige Buersche Straße und erreichte bei Puls-Rosör buersches Gemeindegebiet.
Ein weitere Folge der landesherrschaftlichen Veränderungen war, dass 1823 die Pfarrei St. Lamberti (bis dahin Erzbistum Köln) an das Bistum Münster fiel. Außerdem herrschte ab 1823 im Kreis Recklinghausen und damit im Kirchspiel Gladbeck Religionsfreiheit, was bei gleichzeitiger Aufhebung des Ansiedlungsverbots zur Folge hatte, dass 1830 die ersten zwei evangelischen Christen nach Gladbeck kamen. Bis dahin war Gladbecks Dorfbevölkerung bis auf wenige Ausnahmen (eine jüdische Familie seit 1812) katholisch und streng gläubig.