Gladbeck. „Jupp, erzähl’ mal“ hieß es beim Seniorenbeirat Gladbeck. Und die Talkgäste plauderten aus ihrem Leben, erzählten Geschichten zum Lachen.

150 Minuten prall gefüllt mit Anekdoten, Kuriositäten, Possen und Pointen: Unter dem Titel „Jupp, erzähl’ mal“ hatte der SeniorenbeiratGladbeck, zum zweiten Mal nach 2019, ins Fritz-Lange-Haus eingeladen. Und was die Gäste da erzählten, weckte Erinnerungen und trainierte die Lachmuskeln des Publikums.

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Launig moderierte Gladbecks früherer Bürgermeister Ulrich Roland die Veranstaltung. Erster Talkgast war Engelbert Gatzke. Allein die vier Berufe bzw. Berufungen des Ur-Ellinghorsters – Soldat, Fahrlehrer, Wirt und, last but not, least Kicker in Diensten von Adler Ellinghorst – machten ihn zu einem spannenden Erzähler. Bei der Auswahl kurioser Episoden hatte er die Qual der Wahl. „Jupp“ galt in seiner katholischen Familie als Schimpfwort, man hieß Josepha oder Joseph. Gatzke brachte sein Publikum zum Lachen, als er schilderte, wie sich die Umstellung des Bergmannslohnes von „Lohntüte“ auf Banküberweisung direkt auf den Umsatz der Kult-Gaststätte „Haus Dörnemann“ auswirkte: „Wir haben 200 Liter Bier weniger verkauft im Monat.“ Weitere unerwünschte Nebenwirkung: „Die Ehefrauen wussten plötzlich, was ihre Männer wirklich verdienten!“

Gladbecker Amtsleiter wurde in Sportkabine eingeschlossen

Auch Darstellungen eigenwilliger Verhaltensweisen von Fahrschülern lösten Beifall aus; ebenso wie ein Missgeschick, bei dem ausgerechnet Ex-Abteilungsleiter Ulrich Hauska die Hauptrolle spielte. Bei einem Spiel der Adler-Träger in Resse war er aus Versehen in der Kabine eingeschlossen worden, erst beim 0:1-Rückstand nach 20 Minuten wurde seine Abwesenheit bemerkt. Hauska griff ins Geschehen ein, Gatzke wechselte in den Angriff, und Adler trat mit einem Auswärtssieg im Gepäck die Heimreise an den Luftschacht an.

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Das Publikum im Gladbecker Fritz-Lange-Haus fühlte sich bestens unterhalten: Anekdoten und lustige Episoden weckten auch Erinnerungen.
Das Publikum im Gladbecker Fritz-Lange-Haus fühlte sich bestens unterhalten: Anekdoten und lustige Episoden weckten auch Erinnerungen. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Nach dem von Johannes Gähling intonierten Steigerlied ergriff Ur-Knappe Kurt Wardenga das Wort. Sein Vater hatte dem 1955 Fünfzehnjährigen den Rat gegeben „Geh’ auf den Pütt, da kann man gutes Geld verdienen.“ So wurde er Berglehrling auf Möller, von seinem Elternhaus im Pestalozzi-Dorf („Standorttreue bis heute“) bequem zu erreichen. Der Vorrang am Fahrstuhl, der weiße Helm und die weiße Arbeitskleidung der Steiger weckte in Wardenga den Wunsch, ebenfalls Steiger zu werden. Die Hürde „Gesellenprüfung als Elektriker“ war reine Formsache, beim Wechsel von Möller-Rheinbaben nach Westerholt wurde er von Bergwerksdirektor Schmidt gefragt: „Hieß dein Vater Albert?“ „Ja!“ „Dann kannste morgen hier anfangen.“

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An die 100 Lehrlinge habe er als Bäckermeister ausgebildet und betreut, nicht selten erreichte seine wöchentliche Arbeitszeit in der Backstube die magische 100-Stunden-Marke. Beim Blick zurück bekennt der mittlerweile 72-jährige Reinhard Trittschack, Chef von bis zu acht Filialen: „Es war eine tolle Zeit, es hat viel Spaß gemacht.“ So viel, dass er auch als Rentner weiter mithalf, die Gladbecker mit Brot, Brötchen und Kuchen zu versorgen. Geradezu Legendenstatus hatte und hat sein Butterkuchen, „ohne diesen brauche ich mich auch heute noch bei einer Familienfeier nicht blicken zu lassen“. Nicht missen mag der Bäcker aus Leidenschaft zudem das ehrenamtliche Engagement beim THW. „Backen und THW – das passt!“ Seine Feststellung: „Das Gefühl, auch nach zehn Jahren als Rentner noch gebraucht zu werden, ist etwas Schönes.“

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Die eher dunklen Seiten seiner Heimatstadt waren lange das Metier von Norbert Friese, dem langjährigen Kripo-Chef von Gladbeck. Mit 16 Jahren fing der gebürtige Butendorfer bei der Polizei an, heute beschäftigt er sich als Rentner beim LKA mit ungelösten Mordfällen. Spektakulärer Höhepunkt seiner Amtszeit war – wie sollte es anders sein – das „Geiseldrama“, das Gladbeck weithin bekannt gemacht hat.

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Als Friese von einer Begegnung mit Gangster Jürgen Rösner berichtete, konnte man im Saal die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören. „Rösner lag verletzt im Krankenhaus und war wohl froh, mit jemandem, der zudem aus Gladbeck kam, sprechen zu können“, so der Kripo-Mann. „Eine Stange Tabak und ich packe aus.“ Nach Rücksprache mit Staatsanwalt Gutjahr wurde der Deal genehmigt, inklusive der 60 DM für die Stange Zigaretten – Rösner „sang“ und gestand Raubüberfälle und Körperverletzungen, bei denen die Ermittler bislang vor einem Rätsel gestanden hatten. „Wir machten ein Vernehmungsprotokoll von 35 Seiten, die zehntägige Befragung in der Zelle brachte es auf 350 DIN-A-4 Seiten.“

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Andreas Richtarsky und Detlef Reishardt erzählten geistreich wie humorvoll von der Arbeit der DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gemeinschaft). Irgendwann habe ihn seinerzeit Siegbert Busch aufgefordert: „Du wirst Übungsleiter!“ Reishardt: „Das habe ich dann gemacht, obwohl Schwimmen damals gar nicht mein Ding war.“ Ähnlich sei es mit dem Marathon-Laufen gewesen. Doch mittlerweile steht der Butendorfer, Jahrgang 1956, vor seinem 60. Marathon.

Ulrich Roland und Ulrich Hauska hatten ebenfalls lustige Episoden aus Jahrzehnten gemeinsamer Dienstzeit im Rathaus parat. Ob schneereiche Weihnachten des Jahres 2010 oder Kontrollen des Ordnungsamtes im Sauna-Club „Aphrodite“ – das pragmatische und unkonventionelle Handeln der Beamten löste Gelächter aus.

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