Gladbeck / Recklinghausen. Nach schweren Unfällen sucht die Polizei gezielt nach Handys. Nach Auswertung der Daten drohen dem Fahrer womöglich strafrechtliche Konsequenzen.

In dem Moment, als der Kradfahrer in Polizeiuniform neben ihr auftauchte, fuhr ihr der Schreck in die Glieder. Doch da war es schon zu spät. Die Autofahrerin konnte ihr Smartphone nicht mehr rechtzeitig verschwinden lassen, wurde angehalten und wird für ihr Vergehen nun ein Bußgeld von 100 Euro bezahlen – und einen Punkt in Flensburg verbuchen müssen.

So wie der jungen Frau erging es im vergangenen Jahr 3680 Autofahrerinnen und Autofahrern im Zuständigkeitsbereich vom Polizeipräsidium Recklinghausen, also auch in Gladbeck. Sie wurden dabei erwischt, wie sie sich während der Fahrt mit ihrem Handy beschäftigten. Gegenüber dem Vorjahr ist das eine Steigerung um 27 Prozent – und überhaupt ein Rekordwert. Dabei warnt die Polizei immer wieder: Ablenkung im Straßenverkehr ist eine der Hauptunfallursachen.

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Handy am Steuer: Bei acht schweren Unfällen war das 2022 die Ursache

Mal eben im Bordcomputer den Durchschnittsverbrauch checken, ein neues Ziel in das Navigationsgerät eintippen, oder im Handschuhfach nach der Sonnenbrille suchen: Wer will sich davon freisprechen? Eine zentrale Rolle spielt nach Einschätzung der Polizei jedoch das Smartphone. Zwar sind im Jahr 2022 lediglich acht Unfälle bekanntgeworden, bei denen nachgewiesen werden konnte, dass die Benutzung eines Handys die Crash-Ursache war. Doch es handelte sich dabei ausschließlich um schwere Unfälle, berichtet Polizeisprecherin Corinna Kutschke. „Das Dunkelfeld ist wesentlich höher“, so ihre Überzeugung.

Untermauert wird diese Einschätzung von einer repräsentativen Studie des Allianz Zentrum für Technik (AZT). Bei mindestens zehn Prozent aller Unfälle mit Personenschaden sei Ablenkung die Hauptunfallursache, bei rund 30 Prozent aller Unfälle spiele sie zumindest eine Rolle, heißt es da.

Nach schweren Verkehrsunfällen geht die Polizei auf Spurensuche

Wenn es richtig scheppert, hohe Sachschäden oder sogar Verletzte zu beklagen sind, geht die Polizei auf Spurensuche. Im Rahmen der Beweissicherung werde gezielt nach Handys in Fahrzeugen gesucht, berichtet Corinna Kutschke. Nach Anordnung der Staatsanwaltschaft würden die Daten ausgewertet. So lasse sich sehr genau nachweisen, ob jemand zum Zeitpunkt des Unfalls telefoniert oder eine Whatsapp geschrieben hat. Ist dem so, drohen auch strafrechtliche Konsequenzen. Fahrlässige Körperverletzung, im schlimmsten Fall sogar fahrlässige Tötung, stehen als Tatvorwurf im Raum.

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Bei der bereits erwähnten Allianz-Umfrage kam auch heraus, dass mehr als jeder zweite Autofahrer verbotenerweise zum Telefon greift; um zu telefonieren, ein Selfie zu schießen, sich in Facebook, Whatsapp und Co. einzuklinken, um zu lesen oder selbst Mitteilungen zu senden. „Dabei genügen schon drei Sekunden Ablenkung, um bei 50 km/h eine Strecke von etwa 42 Metern im Blindflug zurückzulegen“, erläutert die Polizeisprecherin. „Und drei Sekunden reichen meistens nicht bei einem Blick aufs Smartphone.“

Die Polizei setzt auf die konsequente Ahndung von Verstößen

Wie kann man die Autofahrer zur Vernunft bringen? Die Polizei setzt vor allem auf eine konsequente Ahndung von Verstößen, wie es im Präsidium heißt. Und dabei spielen auch die Kradfahrer in Polizeiuniform eine wichtige Rolle. Durch ihre erhöhte Sitzposition und Flexibilität bekommen sie im fließenden Verkehr vieles mit, was ansonsten vielleicht unbeobachtet geblieben wäre. Auch in diesem Jahr, so Corinna Kutschke, werde es zudem wieder eine landesweite Kontrollwoche mit dem Schwerpunkt „Ablenkung im Straßenverkehr“ geben.