Gladbeck. Vor 70 Jahren kamen sie in die Volksschule, jetzt trafen sich die einstigen Schüler. Alte Ideologien und Aufbruchsstimmung prägten die Schulzeit.
Geladen hatte das Organisationsquartett mit Rita Quittek, Margarete Czyborra, Peter Slaghekke und Wolfgang Jaworski wie gewohnt zum Klassentreffen zum Schulabschluss. Vor 62 Jahren haben sie an der Vincenzschule in Butendorf ihre Volksschulzeit beendet, damals waren es 21 Jungs und 23 Mädchen.
Seit dem 25. Jubiläum 1986 trommeln die vier regelmäßig ihre ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschüler zusammen, erst alle fünf Jahre, seit geraumer Zeit alle zwei. „Wir werden nicht jünger“, schmunzelte Wortführer Jaworski. „Die Zeit rennt. Es gibt jetzt sogar einige, die möchten sich jedes Jahr treffen.“
Fünfzehn ehemalige Mitschülerinnen und Mitschüler trafen sich nun
Fünfzehn „Volksschüler“ waren am Samstag dem Ruf in die Gaststätte Wachtmeister gefolgt. Neben den Organisatoren nahmen Anni Bartels, Renate Meise, Irmgard Poell, Gisela Rohmert, Wolfgang Funkemeyer, Dr. Bernhard Große-Keul, Rainer Neumann, Helmut Schwanitz, Franz-Josef Senicar und Udo Steinzen an der langen Tafel Platz und schnatterten auch gleich fröhlich drauf los, es gibt immer viel zu erzählen, man kennt sich ein Leben lang.
„Das ist schön und irgendwie auch wichtig, den Kontakt aufrecht zu erhalten“, sagte Jaworski. Viele sind schon verstorben, einige konnten aus Krankheitsgründen in diesem Jahr nicht kommen. „Einer hat es vorgezogen, mit seiner Frau im Wohnmobil durch Spanien zu touren. Es sei ihm gegönnt“, scherzte die Gruppe.
Einschulung in die Gladbecker Volksschule im Jahr 1953
Und wie sie da so saßen und Erinnerungen aufleben ließen, fiel Quittek plötzlich auf, dass in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum ist, genau jetzt im April, genau jetzt in der Woche nach Ostern. „Vor siebzig Jahren sind wir eingeschult worden! 1953!“. In der Nachkriegszeit begannen die Schuljahre immer nach Ostern, die Schulreform kam erst, nachdem die Anwesenden ihre Schulzeit längst beendet hatten.
Und damit waren alle gleich bei dem zentralen und für sie prägenden Thema. Die Schule damals. „Kaum vorstellbar, wir waren in den Klassen nach Konfession getrennt“, erinnerte Quittek. Katholiken und Protestanten wurden nicht gemeinsam unterrichtet. Es gab sogar eine Trennung auf dem Schulhof. „Die Wasserrinne in der Mitte durfte nicht übertreten werden“.
Schläge mit dem Rohrstock gehörten damals noch zum Alltag
Und noch eine weitere Separation, ab der sechsten Klasse wurden Jungen und Mädchen in eigenen Klassen unterrichtet. Dafür saßen die Jahrgänge sechs, sieben und acht in einem Raum, es wurde gemeinsam gelernt. Und zwar züchtig. Bei „Fehlverhalten“ im Auge des Lehrers gab es „langen Hafer“, also den Rohrstock. Die gesamte Unterrichtsstunde in der Ecke knien, war ebenfalls nicht unüblich.
„Wobei man sagen muss, das waren die Lehrer der alten Generation, allen voran die Schulleitung.“ Die NS-Zeit war gerade erst ein Jahrzehnt vorbei, die Ideologie nicht wie von Wunderhand verschwunden. „Es waren die wenigen jungen Lehrer, die uns motiviert haben, aufgebaut und Interesse geweckt haben“, erinnerte Große-Keul.
Die damals jungen Lehrer haben die Schüler motiviert und aufgebaut
Er verdanke vor allem Wilhelm Hohenhinnebusch, dass er nach der Volksschule zwar erst Elektriker gelernt, dann aber das Abitur gemacht und studiert habe. Große-Keul war schließlich Lehrer für Mathematik und Physik am Heisenberg-Gymnasium. „Wo ich in Anfang der sechziger noch Leitungen verlegt hatte.“
Bei den Mädchen war es vor allem „Frau Stratmann“ die mit ihrer Jugend und Einsatz ein Anker in der Schulzeit war. Beide Lehrer waren bei den ersten Klassentreffen in den 1980er und 1990er Jahren gerngesehene Gäste.
Handball oder Fußball? Manche Erinnerung verschwimmt im Rückblick
Viele weitere Anekdoten machten die Runde. „Mozart“ war Senicars Spitzname, denn er konnte Klavier spielen und Noten lesen. „Der bekam sofort eine Eins in Musik und musste nicht mal Vorsingen.“ Außerdem war er der Mädchenschwarm mit seinen schwarzen Haaren. „Kaum zu glauben, nicht wahr?“, lachte Jaworski und gab seinem jetzt schlohweißen Tischnachbarn einen freundlichen Seitenhieb.
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In den Pausen und der freien Zeit spielte man auf der Straße, alle waren Nachbarn. Gummitwist, Hinkelkästchen die Mädchen, Bälle bei den Jungs. „Handballspielen war das Größte“, „Ehrlich? Wir haben doch nur Fußball gespielt.“ Das Gedächtnis wies manchmal Lücken auf. Aber an den Mitschüler, der mit einem tragbaren Plattenspieler und einer Elvis Presley Scheibe in der Schule auftauchte und dafür einen Verweis bekam, konnten sich alle erinnern und mussten herzlich lachen.