Gladbeck. Immer häufiger werden Geldautomaten gesprengt. In der Diskussion: Eine gesetzliche Verpflichtung zur Prävention. Das meinen Gladbecker Banken.

Es kracht ohrenbetäubend, Qualm steigt auf, in wenigen Minuten haben Täter, zumeist in Nacht-und-Nebel-Aktionen, das Objekt ihrer Begierde geplündert – und sind oft unerkannt geflüchtet. Die Zahl der Geldautomaten-Sprengungen entwickelt sich derart steil nach oben, dass der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) Nachrüstungen der Geräte fordert. Die Politik erwägt ein Gesetz, das Geldinstitute zu Schutzmaßnahmen verpflichtet. In Gladbeck scheiden sich in diesem Punkt die Meinungen.

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Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), die Vertretung der Banken und Sparkassen, hatte im November 2022 die Bereitschaft zu Präventionsmaßnahmen signalisiert. Allerdings stößt eine angedachte gesetzliche Verpflichtung nicht auf Gegenliebe. „Es ist schwer nachzuvollziehen, dass die alleinige Verantwortung für die Verhinderung von Sprengungen bei Banken und Sparkassen liegen soll“, heißt es. Und weiter: „Die Sicherung der Bargeldinfrastruktur gelingt nur im Schulterschluss mit Politik und Strafverfolgungsbehörden (...). Demnach müssen alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihren Beitrag leisten, um Sprengungen zu verhindern. Eine gesetzliche Regelung ist aus unserer Sicht der falsche Ansatz und wird der grundsätzlichen Aufgabenverteilung in unserem staatlichen Gemeinwesen nicht gerecht.“

Fachleute aus Gladbeck meinen: Jeder Standort eines Geldautomaten sollte betrachtet werden

Auf diese Position verweist Sebastian Sander, Leiter des Bereichs Unternehmensplanung bei der Sparkasse Gladbeck. Sie schließe sich dem Statement der DK an. Sander sagt: „Wir lehnen grundsätzlich die gesetzliche Vorgabe ab.“ Den Banken solle vielmehr freie Hand gegeben werden, welche Form der Prävention als sinnvoll erachtet und realisiert werde. Eine pauschale Lösung gebe es schließlich nicht. Gesichtspunkte, die eine Rolle spielen, seien beispielsweise Gerätetyp, Standort – abgelegen oder an einer belebten Stelle – mit entsprechendem Risikofaktor. Einheitliche Sicherungsmaßnahmen wie Einfärbe- oder Klebesysteme, so befürchtet es die DK, würden dazu führen, dass sich Täter noch besser auf ihre Beutezüge vorbereiten könnten.

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„Zum Glück sind wir bisher von Geldautomaten-Sprengungen nicht betroffen“, so Sander. Doch das Kreditinstitut, das stadtweit 17 Bankomaten betreibt, befasse sich seit langem mit der Problematik. Sander berichtet: „Wir stehen mit der zuständigen Polizeibehörde und dem Landeskriminalamt in Kontakt. Einmal im Jahr setzen wir uns zusammen zur Risiko-Analyse.“ Betrachtet werden in den Runden unter anderem Standorte und bestehende Sicherheitsvorkehrungen. Ein Gerät an einer Stelle nahe Hauptverkehrswegen, die eine schnelle Flucht der Sprenger ermöglichen, sei zum Beispiel besonders gefährdet. „Wir haben auch schon einen Geldautomaten außer Betrieb genommen, weil uns das Risiko zu hoch war.“

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Die Sparkasse Gladbeck habe bereits „relativ viele“ Maßnahmen ergriffen. Der Experte spricht von „den höchsten Schutzvorkehrungen, die möglich sind“. Aber Konkretes verrät er nicht. Kriminelle könnten sich womöglich darauf vorbereiten. Nur eines ist unübersehbar: „Wir haben Hinweise angebracht, dass eine Sprengung nicht lohnt, weil der Standort per Video überwacht wird oder weil wir Farbpatronen einsetzen.“

Neuer Höchststand erwartet

Seit 2005 werden Geldautomaten-Sprengungen statistisch erfasst. Oft kommen die Täter aus den Niederlanden nach Deutschland. Wegen der räumlichen Nähe ist deswegen, so konstatieren Fachleute, unter anderem Nordrhein-Westfalen stark betroffen.

Anno 2021 wurden 392 Taten registriert. Ein Jahr zuvor lag der bisherige Höchstwert bei 414 Fällen. Dies dürfte 2022 noch getoppt werden.

Im zurückliegenden Jahr hat die Zahl der Geldautomatensprengungen mit 496 Fällen laut Bundesinnenministerium einen „neuen Höchststand“ erreicht. Innerhalb von zehn Jahren habe sich die Zahl der Taten mehr als verzehnfacht.

Mit Blick auf diese Entwicklung sieht das Bundesinnenministerium die Kreditwirtschaft in der Verantwortung, Schutzmaßnahmen umzusetzen. Wenn nötig – also wenn eine Verbesserung der Lage nicht eintreten sollte – müssten die Verpflichtungen per Gesetz geregelt werden.

Das sind zwei der möglichen Schutzvorkehrungen.

Markus Kannen ist bei der Volksbank Ruhr Mitte, in deren Einzugsbereich Gladbeck liegt, Leiter des Bereichs „Unternehmensservice“. Er ist zuständig für die Objektsicherung. Kannen registriert ebenfalls: „In Gladbeck waren wir noch nicht von Automaten-Sprengungen betroffen, aber in Gelsenkirchen und Herten.“ Das sollte „uns hier nicht passieren“.

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In Gladbeck stehen acht Volksbank-Bankomaten – in Stadtmitte, Zweckel und Rentfort. Das Geldinstitut habe die Sicherungen für seine insgesamt 35 bis 40 Geräte erhöht, „in riskanten Filialen setzen wir einen Wachdienst ein“. Wobei mit „riskanten“ Zweigstellen unter anderem jene an zentralen Punkten zu verstehen sind.

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Die Schäden am Gerät und Gebäude „beliefen sich jeweils auf sechsstellige Summen“. Bisher sei die Versicherung dafür aufgekommen. Man sollte sich jedoch vielleicht Gedanken machen, diejenigen Banken, die keine (ausreichende) Prävention leisten, „im Ernstfall zur Kasse zu bitten“.

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Corinna Kutschke, Sprecherin der Polizei Recklinghausen, empfiehlt die „goldene Regel“: „Sicherung macht Sinn.“ © Polizei Recklinghausen | Polizei Recklinghausen

Kannen ergänzt: „Wir haben auf Empfehlung des LKA Hinweise in den Foyers.“ Sinngemäßer Inhalt: „Täter, hier brauchst Du es gar nicht zu versuchen...“ Automatisches Einfärben der Banknoten, sobald sie gewaltsam aus dem Gerät gezogen werden, Vernebelung, bei Alarm Aufschaltung zur Polizei, ertüchtigte Tüten, automatische Rollos, Nachtschließung – es bestehen diverse Möglichkeiten der Prävention. „Wir würden ein Gesetz zu verpflichtenden Schutzvorkehrungen unterstützen, gegen Ende des Jahres soll eine entsprechende Verordnung kommen“, sagt Kannen.

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Dabei schaut er zu den Nachbarn in den Niederlanden. „Sie haben eine Rechtsverordnung zur Einfärbung des Geldes.“ Der Fachmann hat den Eindruck, dass in Folge dieser Schutzmaßnahme „eine Verdrängung der Taten in den Westen“ geschehen sei. In „35, 40 Minuten“ könnten potenzielle Automaten-Sprenger hier sein.

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Corinna Kutschke, Sprecherin im Polizeipräsidium Recklinghausen, bilanziert: „Im Jahr 2022 hatten wir es in unserem Zuständigkeitsbereich mit insgesamt drei Geldautomaten-Sprengungen, in Herten und Marl, zu tun. Im März 2023 gab es einen Fall in Oer-Erkenschwick.“ Die Expertin meint: „Wir befinden uns hier in einem Ballungsraum mit Autobahnen quer durch das Gebiet.“ Verlockend für Täter, die ruckzuck Strecken zurücklegen können. Die Polizeisprecherin mit Blick auf die Lage: „Eine goldene Regel lautet: Sicherung macht Sinn.“

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