Gladbeck / Bottrop / Recklinghausen. Die Zahl der Opfer bei Angriffen auf Einsatzkräfte ist so hoch wie nie. Polizeipräsidentin Zurhausen spricht über Gewalt gegen Polizisten.
832. Das ist die Zahl der Einsatzkräfte, gegen die im Bereich des Polizeipräsidiums Recklinghausen im vergangenen Jahr Gewalt verübt wurde. 766 von ihnen wurden Opfer von Widerstand oder tätlichen Angriffen. Dabei geht es nicht nur um Polizisten, sondern auch um Feuerwehrleute oder kommunale Ordnungshüter. Es ist die höchste Zahl seit etlichen Jahren.
In Gladbeck sind im vergangenen Jahr 45 Einsatzkräfte Opfer von Gewalt geworden. Zum Vergleich: In Bottrop waren es mit 108 mehr als doppelt so viele, dabei ist die Nachbarstadt gar nicht doppelt so groß wie Gladbeck. Hinzu kommen die verbalen Beleidigungen. 349 Polizistinnen und Polizisten zählt die Polizei Recklinghausen. „Statistisch ist jeden Tag ein Beamter im Polizeipräsidium betroffen“, sagt Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen im Gespräch mit der WAZ.
Polizeipräsidentin geht von Dunkelziffer bei tätlichen Angriffen aus
Und dabei werden längst nicht alle Beleidigungen von den Beamten angezeigt, manches wird einfach ausgehalten. Worte wie „Pisser, Wichser, Hurensohn“ hörten die Kollegen häufiger, sagt Polizeisprecher Andreas Wilming-Weber. „Was sich die Kollegen auch immer anhören müssen – für mich ist entscheidend, dass die Beamtinnen und Beamten es als Beleidigung empfunden haben“, sagt Friederike Zurhausen. „Ich schließe mich grundsätzlich dem Strafantrag an, wenn er gestellt wird.“
Auch bei den tätlichen Angriffen gebe es eine Dunkelziffer. Denn mancher Angriff auf kommunale Einsatzkräfte wie KOD-Mitarbeiter und Feuerwehrleute würden direkt an die Staatsanwaltschaft gemeldet und liefen nicht in die polizeiliche Statistik ein.
Das Recklinghäuser Präsidium, das für elf Städte zuständig ist, sei derzeit in Gesprächen mit Kommunen, das zu vereinheitlichen, damit Anzeigen direkt bei der Polizei erstattet werden.
Ein Milieu, aus dem besonders häufig Gewalt hervorgeht, will Friederike Zurhausen nicht festmachen. Sie grenzt nur ein, dass der klassische Pöbler zwischen 18 und 45 Jahre alt und männlich ist. Während früher den Anweisungen von Polizisten in der Regel Folge geleistet wurde, sei heute für viele die blaue Uniform ein rotes Tuch.
Polizei setzt in Recklinghausen und Bottrop Bodycams ein
Um Gewalt entgegenzuwirken, setzt die Polizei Recklinghausen schon seit 2020 auf Bodycams. In allen Kommunen seien alle Beamtinnen und Beamten geschult und mit Bodycams im Einsatz. NRW-Innenminister Herbert Reul kündigte kürzlich die Tragepflicht von Bodycams für Polizistinnen und Polizisten an. Friederike Zurhausen hatte genau das als Behördenleiterin mit Einführung der Bodycams bereits angeordnet. Es seien genügend Bodycams auf den Wachen vorhanden, dass jeder beim Einsatz eine tragen könnte.
Auch interessant
Bodycams sollen Gefahrensituationen vermeiden und im Falle von Straftaten – auch Angriffen auf Polizeibeamten – bei den Ermittlungen helfen. „Beamten sind häufig in Situationen, in denen sie gefilmt werden“, sagt Friederike Zurhausen. Ausschnitte dieser Filme landen oft in sozialen Netzwerken und erzeugen unter Umständen falsche Eindrücke. „Die Aufnahmen der Bodycams können bei Strafverfahren gegebenenfalls das Gegenteil bezeugen.“
Polizisten in Gladbeck sind mit Elektroschockpistolen ausgerüstet
Ob jemand die Bodycam im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen einschaltet, obliegt der Entscheidung des Polizeibeamten oder der Polizeibeamtin. „Situationen eskalieren aber manchmal so schnell und es ist der Einsatzdynamik geschuldet, dass sie nicht immer eingeschaltet werden“, so Zurhausen. Eigentlich müssen Beamte das Einschalten der Bodycam ihrem Gegenüber ankündigen, schließlich ist es ein Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte. Wenn Gefahr im Verzug ist, geht das aber auch ohne Ankündigung.
- Fleischereien: Weniger Fleisch, mehr veggie – so spüren’s Gladbecker Metzger
- Todkrank: Leukämie – Max’ (7) letzter Wunsch – ein Besuch im Disneyland
- Veranstaltung: „Jupp erzähl mal“ – Anekdoten und Geschichten aus Gladbeck
- Mode: Jogginghosen an Schulen verbieten? Der Stand in Gladbeck
Ein anderes Mittel, das von vielen Polizisten als sehr wertvolles gesehen werde, ist der Taser. Die Polizisten in Bottrop und Recklinghausen sind damit ausgestattet. Weil Gladbeck von der Bottroper Wache mit abgedeckt wird, können die Einsatzkräfte also auch hier schon auf die Elektroschockpistolen zurückgreifen. Die Einführung bei den anderen Wachen erfolgt voraussichtlich bis Mai. Die Androhung, den Taser zu benutzen, habe es schon häufiger gegeben, ausgelöst worden ist ein Taser aber noch nie im Bereich des Recklinghäuser Polizeipräsidiums.