Gladbeck. Die erste Lokal-Ausgabe der WAZ Gladbeck gab es am 3. April 1948. In den Anfangsjahren erschien sie aber nur alle zwei Tage. So fing alles an.
In diesen Tagen vor 75 Jahren, genau am 3. April 1948, erschien zum ersten Mal die WAZ. Auch die WAZ Gladbeck war an diesem Tag, einem Samstag, erstmals mit einer halben Seite Lokales – gemeinsam mit Bottrop – für die Leser zur Stelle. „Schlechte Erfahrung mit Versprechen“, zitierte die Redaktion damals aus einem Interview mit Gladbecks Nachkriegs-OB Fritz Lange, das in aller Kürze auf der Seite erschienen war und bei dem es um die Lebensmittelverteilung in der Stadt ging.
Die Auflage betrug am ersten Tag und in der ersten Zeit knapp 6000 Exemplare, bedingt auch durch die kontrollierte Papierzuteilung im Nachkriegsdeutschland. Die Zeitung erschien bis September 1949 nur dreimal pro Woche, immer mit einer halben bis dreiviertel Seite lokaler Berichterstattung.
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Am Marktplatz hatte die WAZ eine erste, rein geschäftliche Anlaufstelle, erst in der Buchhandlung Neubert, später im Radiogeschäft Wissing. Die Redaktion hatte in diesen frühen Tagen des nach wie vor kriegszerstörten Gladbeck überhaupt noch keine Räume. Ab Frühjahr 1949 erhielt die WAZ eine erste eigene Geschäftsstelle auf der Westseite des Marktes im Haus Norpoth – ein Raum von etwa 16 Quadratmetern, wo es für die Redaktion in einer Ecke einen ersten Tisch mit Stuhl und Schreibmaschine gab.
In der ersten WAZ am 3. April 1948 gab es eine halbe Seite Lokales für Gladbeck
Hans Dülfer sorgte für erste Texte aus Gladbeck, die er anfangs in seiner Wohnung schrieb und sofort per Kurier zum Druckort Bochum schickte. Geleitet wurde die Redaktion von Bottrop aus – von Willi Jäger. Er beobachtete von dort aus auch die Gladbecker Kommunalpolitik. Schon im Frühjahr 1949 schied Dülfer aus. Zum eigentlichen Mann der ersten WAZ-Stunde in Gladbeck wurde ab September 1949 Harald Neumann, der die Lokalzeitung und die Redaktion in Gladbeck über viele Jahre aufbaute.
In seiner Wohnung im Gebäude des Polizeiamtes konnte die Redaktion vorübergehend unterkommen – auch, weil es durch die unmittelbare Nähe zur Behörde eine Telefonverbindung gab (Gladbeck zählte Ende der 40er Jahre nur rund 1000 Anschlüsse). Knapp war in jenen Jahren auch Manuskriptpapier – notgedrungen wurden die Rückseiten der eingehenden Post dazu genutzt.
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Ab September 1949 kam die WAZ täglich heraus, ab November 1949 erschienen die Lokalteile Bottrop und Gladbeck separat, in Gladbeck als „Gladbecker Tageblatt“. Mitte 1950 wurde die Redaktion unabhängig. Harald Neumann wurde ihr Leiter. Zu seinem Team gehörten zu Beginn ein freier Mitarbeiter und ein Volontär. 1951 wechselte die Redaktion in den Zigarrenladen Vennemann an der oberen Hochstraße. Grund: Bei der Polizei war der Redaktion das Telefon entzogen worden. Bei Vennemann verfügte die Redaktion allerdings nur über acht Quadratmeter Hinterzimmer – „Zwergenredaktion“ nannte Neumann die Unterkunft. Der Lokalteil wuchs auf eine bis eineinhalb Seiten täglich, samstags bis zu drei
Die 50er Jahre waren eine spannende Zeit für Journalisten in Gladbeck
1958, zum zehnjährigen Bestehen, lag die Auflage bei 12.000 Exemplaren. Die 50er Jahre waren eine spannende Zeit für Journalisten und Leser gewesen – neben der WAZ gab es mit der Westfälischen Rundschau (WR), den Ruhr-Nachrichten (RN), der Gladbecker Volkszeitung, der neuen Volkszeitung, dem neuen Westfälischen Kurier und der Essener Allgemeinen („Gladbecker Morgenpost“) sechs weitere Zeitungen! „Die Menschen hungerten nicht nur nach Brot, sondern auch nach Informationen“, erklärte Erna-Johanna Fiebig, die spätere Redaktionsleiterin, die 1955 zur WAZ gekommen war, einmal den Erfolg der vielen Blätter.
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Ein großer Konkurrenzkampf war die Folge der lokalen Pressevielfalt. Schon früh kam es in der Folge zu „Marktkorrekturen“: Bereits 1951 übernahmen die erst 1949 gegründeten Ruhr-Nachrichten die Gladbecker Volkszeitung und damit die älteste Tageszeitung in Gladbeck (1888 erstmals im Verlag Theben erschienen, Residenz: neben dem heutigen Rathauscafé). 1954 kaufte die WAZ die Morgenpost (noch heute steht „Morgenpost“ im Impressum der WAZ-Lokalausgabe!). 1956 wurde die Neue Volkszeitung der KPD nach deren Verbot eingestellt. Auch der Kurier wurde vom Markt genommen. Es verblieben WAZ, WR (bis 1965) und RN (bis 2006).
In den 70er Jahren begann die lange Zeit des Volksradfahrens mit der WAZ
Die WAZ-Redaktion fand 1952 im Altbau Horster Straße 24 das erste „brauchbare Geschäftsstellen- und Redaktionslokal“, heißt es in den WAZ-Annalen. Dennoch zog es die Redaktion nur zwei Jahre später in die Räume der Morgenpost (Postallee), kurze Zeit später aber zur Goethestraße ins Haus Wegener (heute Goetheplatz). Dort hatte man erstmals zwei Räume plus Dunkelkammer und Archiv. Knapp war nach wie vor die Ausstattung: Das gesamte Team hatte nur eine Schreibmaschine und ein Telefon, anfangs lediglich als Nebenapparat. Oft genug fuhr man in den 50ern Manuskripte zum Treffpunkt mit einem Kurier oder direkt zum Druckort nach Bochum, wo die WAZ Gladbeck bis in die 80er Jahre gedruckt wurde (danach in Essen, seit 2020 in Hagen). 1956 umfasste die Redaktion sechs Kollegen.
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Im Herbst 1958 zogen Redaktion und Geschäftsstelle in den Neubau Horster Straße 24, dem die WAZ Jahrzehnte lang treu bleiben sollte. Unten residierte die Geschäftsstelle, im ersten Stock bezog die Redaktion zunächst 60 Quadratmeter, später gab es zweimal eine Vergrößerung. Die Auflage wuchs von 16.000 Anfang der 70er Jahre auf 25.000 Ende der 70er Jahre. Damals wurden zwei Seiten unter der Woche, samstags drei Seiten Lokales produziert.
Heidi Weihrauch und Erna-Johanna Fiebig prägten die WAZ Gladbeck sehr
Die Redaktion hatte in 75 Jahren nur acht Chefs und vor allem Chefinnen. Harald Neumann blieb Leiter bis Anfang der 70er Jahre, dann wechselte er in die größere Redaktion Gelsenkirchen. Zu diesem Zeitpunkt war die WAZ bereits die unangefochtene Nummer 1 am örtlichen Zeitungsmarkt. Ihm folgte für kurze Zeit Wulf Mämpel, den es dann als Lokalchef nach Essen zog. Für ihn kam 1976 mit Heidi Weihrauch, die viel zu früh verstarb, erstmals bei der WAZ eine Frau auf eine Leiterstelle. Ihr folgte für kurze Zeit Georg Häckel (ab 1983) an der Spitze der Lokalredaktion, danach Erna-Johanna Fiebig (1986 bis 1993) und Eva Arndt.
Mit ihrer Nachfolgerin Maria Lüning-Heyenrath (seit 2004) zog das Redaktionsteam 2013 in die neue Redaktion im Haus Horster Straße 10. Schon Mitte der 2000er Jahre hatte die WAZ ihre Berichterstattung erstmals um Online-Angebote im Internet ergänzt, die seit Mitte der 2010er Jahre bei schrumpfender Print-Auflage ausgeweitet und verfeinert wurden und werden. Seit 2019 steht Tabea Beissert an der Spitze der Lokalredaktion, die allerdings derzeit in Elternzeit ist und seit Dezember 2022 kommissarisch von Matthias Düngelhoff vertreten wird. „Wie vor 75 Jahren, beim Start der WAZ, und all die Jahre danach können sich die Leser darauf verlassen, dass wir auch weiterhin bürgernah, kritisch und mit Elan das lokale Geschehen beobachten werden“, verspricht das fünfköpfige WAZ-Lokalteam.
Hintergründe zur Gladbecker WAZ-Geschichte
Bis in die 80er Jahre hinein gehörte das Rattern der Schreibmaschinen zum Redaktionsalltag, erste PC arbeiteten mit Magnet-Kassetten, ihre „Inhalte“ mussten aufwendig zum Druckort Essen transferiert werden. Ende der 80er Jahre zog der erste Server bei der WAZ Gladbeck ein. Schritt für Schritt wurde die Digitalisierung vorangetrieben – bis hin zur Produktion der Zeitung auch im Home-Office (ab 2020) und vielen Online-Angeboten.
Nicht wegzudenken waren über Jahrzehnte die Fotos von Derk H. Kruppe, der WAZ-Fotolegende, der bereits 1966 als Foto-Volontär bei der WAZ Gladbeck anfing. Zehntausende Fotos machte Kruppe, der nach der Jahrtausendwende ausschied, und bereicherte damit die Lokalausgabe. Aus heutiger Sicht sind viele Kruppe-Aufnahmen dokumentarische Schätze – und zum großen Teil im Stadtarchiv zu finden. 1966 begann in der Gladbecker Redaktion auch Hans-Josef Justen sein Volontariat. Der gebürtige Gladbecker machte schnell Karriere und war einst jüngster, am Ende langjährigster WAZ-Sportchef.
Eng verbunden mit der WAZ war seit 1978 das Volksradfahren, das sich – gemeinsam mit der Sparkasse veranstaltet – über die Jahre zu einer wahren Massenbewegung entwickelte. Zehntausende Teilnehmer zählten die Veranstalter bei den 37 jährlichen Durchführungen des Volksradfahrens. Auch die WAZ-Stammtische in den 70er bis 90er Jahren zu brisanten städtischen Themen waren eine Institution. 1989 gehörte die WAZ zu den Initiatoren des Appeltatenfestes und insbesondere des Wettbewerbs um die Appeltatenkönigin.
Hier lesen Sie in 24 Folgen die große WAZ-Serie zur Geschichte der Stadt Gladbeck
Hier gibt es viel Historisches aus Gladbeck in der WAZ-Straßenserie