Gladbeck. Die ersten Bomben fielen 1940. Schwere Luftangriffe erfolgten ab 1943. Ende März ‘45 endete der Krieg, da war die Stadt zu 44,8 Prozent zerstört.

Als der Krieg am 1. September 1939 ausbrach, war nur wenig Begeisterung in Gladbeck spürbar gewesen, vor allem die Älteren ahnten Schreckliches. Dennoch war die Stimmung zunächst noch unbeschwert, auch wenn einen Tag nach Kriegsbeginn die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln schon auf Bezugsscheine umgestellt wurde. Wenige Tage später schwor die (gleichgeschaltete) Gladbecker Zeitung ihre Leser auf den Krieg ein: „Das Volk steht in verschworener Gemeinschaft hinter dem Führer – ruhig, entschlossen einsatzbereit!“

Schon in den Monaten vor Kriegsbeginn waren in Gladbeck 54 Luftschutzräume und Stollen gebaut worden, 15 Feuerlöschteiche und Wasserentnahmestellen angelegt worden sowie Luftschutzräume in Schulen, Kirchen und öffentlichen Gebäuden eingerichtet worden. Jetzt kamen in aller Eile weitere Luftschutzräume in Schulen, Kirchen, Kindergärten und im Krankenhaus dazu. Gladbeck zählte zu den bestgeschützten Städten im Ruhrgebiet. Die Wehrmacht stationierte eine Flakbatterie zum Luftschutz. Im September gab es dreimal Fliegeralarm, dreimal passierte nichts.

Im Frühjahr 1940 gab es den ersten Luftalarm

An mehreren Stellen in Gladbeck wurde eine Flak stationiert.
An mehreren Stellen in Gladbeck wurde eine Flak stationiert. © AWA

Im Frühjahr 1940, mit Beginn des Krieges gegen Frankreich und England, kam es zu ersten „richtigen“ Luftalarm. Der erste Luftangriff erfolgte am 18. Mai 1940: Zwölf Bomben fielen auf ein Feld an der Bülser Straße, verletzt wurde niemand. Bis Ende 1942 blieben die Angriffe harmlos im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte. Das erste Wohnhaus, das durch eine Bombe zerstört wurde, war das an der Lange Straße 43, das in der Nacht vom 27. auf den 28. August 1942 eine Luftmine traf. Eine der ersten größeren Bombenangriffe traf Anfang Mai 1943 die Innenstadt. Alliierte Bomber legten Teile der Bismarckstraße (heute Friedenstraße), Hermannstraße und Sandstraße in Schutt und Asche. Insgesamt brachte das Jahr 1943 mit über 20 die meisten Bombenangriffe in einem Kriegsjahr.

Ende Mai wurde bei einem weiteren Angriff das St.-Barbara-Hospital getroffen: Mehr als 100 Menschen kamen ums Leben, allein unter den Trümmern des Isolierhauses starben 98 Menschen, darunter 41 Kinder. Im Juli 1943 wurden alle Schulen geschlossen, die Kinder teilweise „verschickt“. 16- und 17-Jährige wurden als Luftwaffenhelfer bei der Flak eingesetzt. Frauen und Kriegsgefangene übernahmen Arbeiten in Verwaltungen und Betrieben.

Im Juli 1944 überstand die Stadt einen Luftangriff ohne Tote und Verletzte

Der westliche Teil der Hochstraße wurde durch die Bombenangriffe schwer zerstört.
Der westliche Teil der Hochstraße wurde durch die Bombenangriffe schwer zerstört. © Repro: LVS | Stadtarchiv

Im Juni 1944 wurde die Herz-Jesu-Kirche dreimal getroffen, am 21. Juli überstand die Stadt einen Angriff mit Abwurf von 209 Sprengbomben, darunter 66 Blindgänger, ohne Tote und Verletzte. Ende September 1944 wurde das Krankenhaus bei einem zweiten, vernichtenden Angriff vollkommen zerstört. Große Teile des Hospitals konnten zuvor in ein Ausweichquartier, das Stollenkrankenhaus unter der Moltke-Halde, gebracht werden, das voll funktionsfähig und mit OP, Pflegeräumen und Kapelle eingerichtet war. Unter der Halde hatte man ein riesiges Bunkersystem errichtet, das bis zu 25.000 Menschen einen Platz bot.

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Bei den Angriffen im September 1944 zählte man über 100 Tote. Immer häufiger waren nun auch Jagdbomberangriffe im Tiefflug über Gladbeck im Einsatz. Ende 1944 wurde der Vestische Hof, einer der repräsentativsten Gebäude der Stadt, verwüstet. Bei einem weiteren Angriff wurde das Rathaus demoliert, der Ostflügel war zerstört, mit ihm der Ratssaal. Ähnlich sah es auf Schloss Wittringen aus.

Ende März 1945 musste Gladbeck ein dreitägiges Bombardement ertragen

Bombennächte: Das Foto stammt von 1943 und zeigt zerstörte Häuser an der Bismarckstraße, heute Friedenstraße.
Bombennächte: Das Foto stammt von 1943 und zeigt zerstörte Häuser an der Bismarckstraße, heute Friedenstraße. © Repro: Schmidtke | Sammlung Riesener

Zur Jahreswende 1944/45 war erneut die Innenstadt Ziel eines Luftangriffs. Kurz vor Kriegsende, im März 1945, intensivierten die Alliierten noch einmal ihre Angriffe. Doch der weitaus schlimmste und intensivste Angriff aus der Luft sollte den Gladbeckern noch bevorstehen: Vom 22. bis 24. März mussten sie ein verheerendes dreitägiges Dauerbombardement ertragen. Allein an den drei Tagen des Dauerbombardements starben in Gladbeck mehrere hundert Menschen.

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Die Karwoche 1945 brachte Gladbeck schließlich das Kriegsende. Die Luftbombardements ließen nach, dafür kam der Kanonendonner näher. Am Montag, 26. April, formierte sich ein allerletzter Volkssturm, die Wehrmacht schickte aus Buer ein letztes Aufgebot nach Gladbeck. Mitte der Karwoche 1945 hörten die Menschen, die in Kellern und Bunkern ausharrten, einem ungewissen Schicksal entgegen zitterten und das Kriegsende herbeisehnten, ununterbrochenen Geschützdonner.

Aus Nordwesten rückten die Amerikaner immer näher

Nach einem Luftangriff 1943 waren die Wohnhäuser an der Agnesstraße zum großen Teil zerstört.
Nach einem Luftangriff 1943 waren die Wohnhäuser an der Agnesstraße zum großen Teil zerstört. © WAZ FotoPool | Repro: VON STAEGMANN, Lutz

Ihre Heimat versank in Zerstörung. Aus westlicher und nördlicher Richtung rückte die Front unaufhaltsam näher, Wehrmachtssoldaten wurden beobachtet, wie sie Richtung Buer und Horst flüchteten. Mitte der Woche lag die Kampflinie mitten auf dem Stadtgebiet. Am Gründonnerstag, 29. März, rückte die US-Infanterie weiter vor. Inzwischen mutlose Wehrmachtsangehörige überließen die Innenstadt fast kampflos den überlegenen und motivierten GIs. Die vorrückenden amerikanischen Kämpfer stießen nur vereinzelt noch auf Widerstand.

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In den Kellern hörten derweil die Menschen zitternd die „knirschenden und mahlenden Geräusche” der vorbeifahrenden Sherman-Panzer und blickten den feindlichen Soldaten angstvoll in Augen, wenn sie in die Schutzräume vorstießen. Um 17 Uhr galt Gladbeck an diesem 28. März schließlich als eingenommen, vom Turm der Lamberti-Kirche wehte, wie an vielen Häusern, eine weiße Fahne. Es war letztlich ein bitterer, aber auch erlösender Gründonnerstag, der Tag, an dem der Krieg in Gladbeck endete.

Am Ende waren 5100 Häuser mit über 16.000 Wohnungen völlig zerstört

Die zerstörte St.-Marien-Kirche in Brauck in einer Zeichnung von Wilhelm Zimolong.
Die zerstörte St.-Marien-Kirche in Brauck in einer Zeichnung von Wilhelm Zimolong. © Repro: Michels | AWA

Die Kriegsbilanz für Gladbeck war schrecklich: Über 820 Tote Gladbecker durch den Bombenkrieg, mehr als 1800 tote Männer an den Fronten. Rund 40.000 Bomben waren auf Gladbeck niedergegangen, mehr als 5100 Häuser mit über 16.000 Wohnungen wurden völlig zerstört. Weitere 450 Häuser waren abbruchreif, nochmals über 1000 Wohnhäuser so stark beschädigt, dass zunächst niemand darin wohnen konnte. 29 der 48 öffentlichen Gebäude lagen in Trümmern. Gladbeck war zu 44,8 Prozent zerstört und zählte zu den am stärksten betroffenen Gemeinden im Lande.

Die Bevölkerungszahl lag Ende März 1945 – auch wegen vieler Evakuierungen – bei nur noch etwa 40.000. Zu Kriegsbeginn waren es 61.000 gewesen. Es sollte einige Zeit dauern, bis sich die Stadt, die zunächst unter Militärverwaltung stand, aus Not und Depression befreite.

OB Hackenberg flüchtete aus der Stadt

OB Hackenberg hielt zu Beginn der Karwoche 1945 im Stollen der Moltke-Halde mit 30 Mitarbeitern die letzte Amtsbesprechung ab. Er erklärte die Verwaltung für aufgelöst und das Stadtgebiet Gladbeck zum Operationsgebiet. Gleichzeitig unterstellte er die Stadt den Befehlshabern der Wehrmacht, die inzwischen in Dorsten ihren Kommandostand hatten.

Die 9. US-Armee stand schon vor Kirchhellen und Dorsten. Hackenberg, der ahnte, was auf die Stadt zukam, flüchtete augenblicklich aus dem Kriegsgeschehen und überließ Gladbeck und seine Bürger ihrem Schicksal. In einer heimlichen Blitzaktion von verbliebenen Mitarbeitern der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) wurden vor ihrer Flucht auf dem Hof des Polizeigebäudes Akten und Daten vernichtet.

100(0) Jahre Gladbeck: Bisherige Folgen in der Übersicht

In 2019 wird die Stadt Gladbeck 100 Jahre alt. Anlass für uns, die Geschichte Gladbecks, die vor 1000 Jahren begann, in Serie darzustellen. Quellen sind die Bücher „Geschichte der Stadt Gladbeck“ von Rainer Weichelt, „Gladbeck“ von Harald Neumann, „Verdrängte Jahre – Gladbeck unterm Hakenkreuz“ von Frank Bajohr, „Feuersturm an der Ruhr“ aus dem Klartext-Verlag, die Dokumentation „Glabotki ist nicht!“ von Erna-Johanna Fiebig und Rainer Weichelt, die Chronik „40 Jahre Amt Gladbeck“ von Ludwig Bette (von 1925), Expertisen aus dem Stadtarchiv sowie verschiedene Aufsätze von Heimatforschern.

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