Gladbeck. Am Ratsgymnasium in Gladbeck kommt im Unterricht die KI „Chat GPT“ zum Einsatz. Wie sie den Schülern hilft – und welche Gefahren sie birgt.
Weihnai ist ein chinesischer Name. Das ist gut zu wissen, auch wenn dieses Wissen höchstens mal bei Günther Jauch von Nutzen sein mag. Sanja ärgert sich trotzdem. Denn nach fernöstliche Namen hat die Schülerin des Gladbecker Ratsgymnasiums in ihrem Deutschkurs gar nicht gefragt. Nach dem Wort „weihnai“ aber schon.
Hätte Sanja ihren Lehrer, Schulleiter Matthias Schwark, gefragt, er hätte ihr die richtige Antwort gegeben. Sanja hat aber „Chat GPT“ gefragt, genau, jene Künstliche Intelligenz (KI), die seit Monaten dystopische Szenarien von einer Maschinenherrschaft über den Homo sapiens heraufbeschwört. Oder halt von Schülern, die ihre Hausaufgaben von der KI schreiben lassen. Gleiche Fallhöhe.
Gladbecker Gymnasiasten lernt mit und von der Künstlichen Intelligenz
Am Ratsgymnasium sieht man der Zukunft mit Chat GPT und seinen künstlichen Freunden gelassener entgegen. So wie heute eben, in der zehnten Klasse von Sanja, die sich mit Sprachwandel auseinandersetzt. Schwark möchte von seinen Schülern wissen, wieso im modernen „Vater unser“ das Wort „geheiligt“ genutzt wird – und nicht, wie in der gotischen Version, das Wort „weihnai“.
Dem Schulleiter geht es nicht darum, seinen Schützlingen die einfachsten Wege zum Hausaufgabenbeschiss zu zeigen. Im Gegenteil, was hier zwischen den Zeilen auf dem Lehrplan steht, ist Medienreflexion. Genauso aber: um präzises Schreiben, präzise Fragen und noch viel mehr. Sanja und ihre Mitschülerinnen, Marie, Varya, Enya und Maja fragen die KI zum Beispiel ganz direkt nach der Entwicklung des Wortes „heilig“ – in der Hoffnung, auf „weihnai“ zu stoßen. Das gotische Wort, nicht der chinesische Name.
Die KI wird Opfer ihrer eigenen Strukturen
Chat GPT klatscht der Schülergruppe einen ellenlangen Aufsatz hin, über Wortstämme im Englischen und Niederländischen, über die Bedeutung des Wortes, seine Verwendung, und so weiter. Nur eben nichts über die gotische Variante. Das Grüppchen kommt schnell darauf, dass die Frage präzisiert werden muss. Wobei, der Fairness halber: Ein wenig war die KI zum Scheitern verurteilt, das gehört zum Plan von Matthias Schwark.
„Warum habt ihr trotz Chat GPT keine schlüssige Antwort bekommen“, will er wissen, der Kurs einigt sich schnell auf die Grenzen der KI als springenden Punkt. Zum einen, das weiß Sanja, lernt Chat GPT aus vergangenen Suchanfragen. Da ist es wahrscheinlich, dass er für seine chinesischer-Vorname-Antwort positiveres Feedback registriert hat, also viel mehr Menschen danach als nach dem gotischen „weihnai“ gesucht haben. Obendrauf kommt noch, dass selbst Sprachwissenschaftler nicht mit Sicherheit sagen können, wie „heilig“ das gotische „weihnai“ aus dem Gebet gekegelt hat.
Verwischt die KI die Grenzen zwischen richtig und falsch?
Perfekt ist die künstliche Sprachintelligenz Chat GPT offensichtlich nicht. „Aber sie kann ein nützliches Werkzeug sein“, sagt Matthias Schwark nach der Stunde. Eine Übung etwa, präziser zu formulieren, wie seine Schüler gerade gelernt haben. „Aber auch für uns Lehrer. Die KI kann eine Aufgabenstellung auf verschiedenen Niveaus formulieren, für verschiedene Klassenstufen.“
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Wie auch immer das Programm eingesetzt wird – alleine der Kontakt mit künstlichen Intelligenzen ist lehrreich. Gehen Schüler unkritisch mit den Intelligenzen um, kann es haarig werden. „Es gibt die Gefahr, dass man nicht mehr erkennt, was richtig und was falsch ist.“
>> WIE AUS „WEIHNAI“ „GEHEILIGT“ WURDE
- „Weihnai“ und „heilig“ existierten zeitgleich. Während Letzteres nur eine Bedeutung hat, hatte „weihnai“ gleich fünf – eine davon war „heilig“.
- Menschen neigen nach der Theorie der „Ökonomie der Sprache“ aber zur Einfachheit.
- Also wurde dem Wort „weihnai“ einfach diese Bedeutung aberkannt, fortan war „heilig“ der Platzhirsch.